••• Von Christian Novacek
Spar-Vorstandsvorsitzender Gerhard Drexel im medianet-Interview über die Leidenschaft, allen politischen Einflussnahmen zum Trotz ein Händler zu sein. Und die insbesondere 2018 erfreuliche Bilanz, die aus dieser Leidenschaft hervorgeht …
medianet: Wie war es im Jahr 2018 um die Spar-Wachstumsführerschaft bestellt?
Gerhard Drexel: In Österreich sind wir mit einem Wachstum von plus vier Prozent nun schon das neunte Mal in Folge Wachstumsführer im Bereich der Vollsortimenter geworden. Was mich besonders freut, ist, dass wir die Wachstumsführerschaft diesmal auch unter Miteinbeziehung der Diskonter behaupten konnten – übrigens zum mittlerweile siebten Mal innerhalb der letzten neun Jahre. Beachtenswert ist auch, dass der Lebensmittelhandel 2018 um lediglich 1,6 Prozent gewachsen ist. Das heißt, Spar wächst zweieinhalb Mal stärker als die Branche. Oder, anders formuliert: Ohne Spar ist die Branche 2018 nur um circa 0,7 Prozent gewachsen.
medianet: Worauf führen Sie dieses Outperforming zurück?
Drexel: Ein Wachstum, das in seiner Höhe so gar nicht typisch für die Branche ist, ist nur möglich, wenn man sich seine eigene Firmenkonjunktur schafft. Wir haben uns bei Spar nie auf volkswirtschaftliche Strömungen und Prognosen verlassen. Unsere Aufgabe ist es, für das eigene Unternehmen die besten Voraussetzungen zu schaffen, damit selbst dann, wenn einem Konjunktur und Politik nicht den Rücken stärken, Wachstum möglich ist.
medianet: Inwieweit stimmt Sie die aktuelle Bilanz positiv für 2019? Zählen Sie die Jahre, bis Sie den Mitbewerb im Marktanteil eingeholt haben?
Drexel: Nein, ich nehme hier als Vergleich lieber die Taxibranche: Jedes Jahr wird am 1. Jänner unser Taxometer wieder auf Null gestellt. Was konkret die Situation im Lebensmittelhandel betrifft, so gehe ich davon aus, dass sich der Mitbewerb entsprechend aufstellen wird – zumal es nicht so ist, dass wir jetzt für die anderen unbemerkt gewachsen sind.
medianet: Wie könnte nun die unmittelbare Reaktion aussehen bzw. was erwarten Sie zum Thema Preiskampf? Zuletzt schien es mir doch so, als würden Ihre Mitbewerber eine Entspannung im Preiskampf herbeisehnen.
Drexel: Also ich nehme deutliche Unterschiede zwischen Rhetorik und angewandter Praxis wahr. Ich erwarte, dass die Instrumente der Preispolitik in 2019 weiter zugespitzt werden. Das Umfeld wird preisaggressiver, und das Drehen an der Preisschraube wird zulasten der Rendite gehen.
medianet: Rendite ist ein gutes Stichwort: Wie sieht es damit bei Spar aus?
Drexel: In 2017 lag der Gewinn vor Steuern (EBT) für die Spar Holding bei 302 Millionen Euro, das sind 3,0% vom Netto-Umsatz. Zum Vergleich: Die Branche bewegt sich normalerweise zwischen einem und drei Prozent. Für 2018 darf ich Ihnen, obwohl der Jahresabschluss noch nicht abschließend vorliegt, eine Indikation geben: Wir werden einen neuen EBT-Rekord erzielen, und zwar in der Größenordnung von 325 Mio. Euro; das entspricht 3,1% vom Netto-Umsatz.
medianet: Was erneut die Frage nach den Erfolgsfaktoren aufwirft. Sehen Sie einen Mentalitätsunterschied zwischen Spar und dem übrigen LEH?
Drexel: Wir lassen uns nicht aufsaugen und verzehren von den Strömungen, die in Gesellschaft, Politik und Management bestimmend sind und die sich dann gegebenenfalls in einer ausufernden Bürokratie oder in lähmendem Formalismus manifestieren. Wir sind Händler aus Leidenschaft! Und als Händler brennen wir für diesen ‚Spirit of Retail', für diesen legendären ‚Spirit of Spar'. Das zeichnet uns aus und das macht uns aus.
medianet: Konkretisieren wir die Leidenschaft des Händlers in Marktanteilen.
Drexel: Wir konnten 2018 unseren Marktanteil von 31,2% auf 31,9% erhöhen und damit um 0,7 Prozentpunkte steigern. Damit sind wir im Jahr 2018 die einzigen mit einem Marktanteilswachstum.
medianet: Wie hoch waren in dem Kontext die Investitionen in die Verkaufsfront – und was hat Spar für 2019 geplant?
Drexel: Gerade die Erneuerung unserer Verkaufsfront ist eine weitere wesentliche Erfolgsursache, neben Stabilität und Kontinuität im Management. Wir investieren in die Verkaufsfront, 2018 waren das 660 Millionen Euro, für das heurige Jahr sind rund 700 Millionen Euro geplant.
medianet: Besagte Stabilität bezieht sich nicht zuletzt auf die Zusammensetzung des Vorstands?
Drexel: Unser Vorstand besteht seit 2003 aus denselben Personen, uns verbindet die gleiche Strategie, wir ziehen alle an einem Strang. Wir legen hohen Wert auf Stabilität und Kontinuität im Management und in der Unternehmenspolitik.
medianet: Wird genau das in der sich komplexer gestaltenden Wirtschaftswelt nicht zusehends schwierig? Ist man als Händler nicht immer mehr in der Rolle des Getriebenen?
Drexel: Es wird schwieriger, weil es in der Politik in Österreich und in der EU einen Hang zu immer mehr Gesetzen, Verordnungen und Regularien gibt. Zwar wurde von der Politik betont, dass man vom Gold-Plating abrücken möchte – doch wenn wir uns die aktuelle Diskussion z.B. zur Herkunftskennzeichnungs-Verordnung anschauen, habe ich eher den Eindruck, als würden wir vom Gold- zum Platin-Plating übergehen. Paradoxerweise wird gerade durch die Herkunftskennzeichnungspflicht genau das schwierig herauszustellen, was uns eigentlich ausmacht – also zum Beispiel der oft zitierte Feinkostladen Österreich.
medianet: Kommen wir nochmals zum Investitionsvolumen für 2019 zurück: Wie gießt sich das in neue Projekte?
Drexel: Was Standorte betrifft, haben wir alle Jahre in etwa dieselbe Dynamik. 2018 haben wir in Österreich rund 30 Spar- und Eurospar-Märkte neu eröffnet oder im Zuge einer Standortverlagerung neu errichtet; hinzu kommen etwa 70 Komplett-Relaunches, gesamt ergibt das also etwa 100 Märkte im neuen Erscheinungsbild.
medianet: Was sind die größten Projekte für 2019?
Drexel: Der Maximarkt in Ried wird komplett neu errichtet und der Interspar in Amstetten wird von Grund auf modernisiert. Interspar hat auch für 2020 mehrere Komplett-Relaunches in der Pipeline, wie z.B. in Braunau, Bregenz und Lienz. Eines der größten Vorhaben für 2019/2020 ist die Verlegung unseres Tann-Fleischwerks von Bozen nach Padua. Für 2020 ist die Eröffnung des Einkaufszentrums Šiška in Ljubljana auf 32.000 Quadratmetern ein absoluter Höhepunkt. In Planung ist auch ein innerstädtisches Einkaufszentrum in Lienz/Osttirol.
medianet: Wo orten Sie standortbezogen weiße Flächen?
Drexel: Nach wie vor hat für uns der Osten Österreichs das meiste Entwicklungspotenzial – das liegt auch daran, dass in Wien und Umgebung die Bevölkerung stark wächst.
medianet: Ich würde gern auf die Spar-Eigenmarkenpolitik zu sprechen kommen – ist mit einem Anteil jenseits der 40 Prozent nun der Plafond erreicht?
Drexel: Der österreichische Schnitt im Umsatzanteil der Eigenmarken liegt bei den Vollsortimentern – also exklusive Hofer und Lidl – bei 25 Prozent. Wir haben mit unseren Eigenmarken 2017 einen Anteil von 40 Prozent am Endumsatz erreicht und 2018 noch leicht erhöht, auf knapp 41 Prozent. Mit unseren Eigenmarken sind wir 2018 in Österreich um sechs Prozent gewachsen – somit überproportional im Vergleich zu vier Prozent Umsatzwachstum von Spar in Österreich.
medianet: Wenn Sie den Anteil am Endumsatz betonen, nehme ich fast an, der Anteil am Großhandelsumsatz ist mindestens ebenso hoch.
Drexel: Der Anteil unserer Eigenmarken am Großhandelsumsatz liegt bei 45 Prozent.
medianet: Welche Größendimension ist noch möglich?
Drexel: Das pendelt sich langsam ein, eine Obergrenze wird vermutlich bei ca. 50% liegen. Aber es ist immer noch genügend Potenzial nach oben vorhanden. So konnten wir 2018 bei wichtigen Eigenmarkenlinien zweistellig wachsen, wie z.B. bei Spar Natur*pur um 14 Prozent, bei S-Budget um 11 Prozent, bei Spar Premium um 13 Prozent, bei Spar enjoy um 11 Prozent und bei unserer kultigen Nonfood-Eigenmarke Simpex um 25 Prozent.
medianet: Was ist Ihr persönlicher Favorit?
Drexel: Mit Spar Natur*pur konnten wir in den letzten zwölf Jahren im Durchschnitt ein jährliches Wachstum von 15% erzielen! Das ist ein großartiger Erfolg!
medianet: Was ist der Gedanke hinter der doch sehr expansiv angelegten Spar-Eigenmarkenpolitik?
Drexel: Mit unseren Spar-Eigenmarken wollen wir Trends frühzeitig aufgreifen, oft sogar antizipieren, höhere Qualitätsstandards selbst bestimmen und den Kunden schnell und flexibel ihre Wünsche erfüllen. Dazu fühlen wir uns berufen, weil es einfach zu wenige Innovationen am Markt gibt. Also machen wir’s selber, möglichst als erste. Die Eigenmarke gibt bei uns als Trendsetter in vielen Belangen den Ton an, beispielsweise bei der gentechnikfreien Produktion schon seit den 90er-Jahren oder aktuell beim Thema Zuckerreduktion. Ganz besonders auch beim Thema Palmöl, wo unsere Eigenmarken bereits zu 99% palmölfrei sind.
medianet: Palmölfreie Produktion hat zwei Gesichter – letztlich geht damit auch der Verlust von Arbeitsplätzen einher.
Drexel: Umweltorganisationen wie z.B. Greenpeace warnen seit Längerem vor den erheblichen negativen Konsequenzen des Palmölanbaus für unsere Umwelt, aber auch vor den Gefahren für unsere Gesundheit – Grund genug für Spar, Palmöl aus unseren Eigenmarken komplett zu verbannen.
medianet: Wie stehen Sie als Händler zu Greenpeace?
Drexel: Wir arbeiten intensiv mit Greenpeace zusammen – wie auch mit anderen NGOs, etwa mit Global 2000 und dem WWF. Sie alle helfen uns, unsere Rolle als Anwalt für die Konsumenten noch besser wahrzunehmen.
medianet: Abschließend würde ich gern auf den digitalen Wandel im Handel zu sprechen kommen. Spar agiert da etwas dezenter als andere.
Drexel: Man kann zum Thema E-Commerce nicht einfach Ja oder Nein sagen. Dieses Thema ist differenziert zu betrachten. Mit Interspar sind wir im Online-Weingeschäft bereits seit dem Jahr 2000 pionierhaft am Markt. Im Weingeschäft haben sich bei uns Online- und Offline-Geschäft gegenseitig beflügelt. Auch Nonfood funktioniert unter dem Interspar-Dach online sehr gut. Was das Online-Geschäft mit frischen und gekühlten Lebensmitteln betrifft, so ist das sicherlich die anspruchsvollste Art des Onlinehandels.
medianet: Der bei Interspar wie viel zum Gesamtumsatz beiträgt?
Drexel: In etwa ein Prozent. Unser Online-Shop mit frischen Lebensmitteln ist 2018 zwar um über 50% gewachsen, aber der Umsatz befindet sich immer noch auf einem geringen Niveau. Wir beliefern derzeit Wien und Umgebung sowie Salzburg und Umgebung.
medianet: Wann gehen Sie die übrigen Bundesländer an?
Drexel: Erst, wenn wir die gesamte Prozesskette kostendeckend bewerkstelligen können. Das ist schlicht ein Gebot der betriebswirtschaftlichen Vernunft.
medianet: Inwieweit lässt Sie die betriebswirtschaftliche Vernunft an neuen Entwicklungen am Onlinemarkt denn partizipieren?
Drexel: Wir sind mitten drin in der Materie, wir sammeln täglich neue Erfahrungen. Aktuell nenne ich dazu unsere Einkaufs-Abholboxen, die wir in Kooperation mit den ÖBB und den Wiener Linien installiert haben. Gerade für die Pendler ist das sehr konvenient, und unsere ersten Erfahrungen sind absolut vielversprechend. Wir betreiben gelebte F&E im Retail-Business – und erleben immer wieder schöne Erfolge.