Die animalische Seite der Businesswelt
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Ein Einhorn (engl.: Unicorn) bezeichnet ein Start-up mit einer Markt­bewertung von über einer Mrd. USD.
CAREER NETWORK Redaktion 10.12.2021

Die animalische Seite der Businesswelt

Im dichten Unternehmensdschungel unserer Wirtschaftswelt tummeln sich bisweilen sonderbare, zugleich sehr interessante Kreaturen.

Gastbeitrag ••• von Barbara Stöttinger

WIEN. Das sind die schillerndsten Spezies im Dschungel der Businesstiere, kompakt und übersichtlich ­anhand ihres Gewichts geordnet:

Weiße Elefanten (bis zu 6.000 kg): Weiße Elefanten stehen symbolhaft für riesige Projekte ohne tieferen ökonomischen Sinn. Weiße Elefanten sind aber auch ein Begriff für Mitarbeiter in Unternehmen, die keine wirkliche Funktion haben – auch in der Politik und in staatsnahen Unternehmen trifft man immer wieder auf sie.

Narwale
(bis 1.500 kg) und Einhörner (Gewicht unbekannt): Als Einhörner (oder Narwale, wenn es sich um kanadische Unternehmen handelt) werden jene Start-ups bezeichnet, die einen Marktwert von mehr als einer Mrd. USD erreicht haben und nach 1999 gegründet wurden. Bekannte Beispiele wie Airbnb oder Uber zeigen, weshalb sie sich in einer umkämpften Umwelt durchsetzen konnten: In der Regel schaffen sie mit innovativen Neukombinationen Märkte, die die etablierten Player übersehen haben.

Haie
(bis 1.100 kg): Haie spielen vor allem im Finanzjargon eine große Rolle und gelten als Symbol für angriffslustige, hungrige Konkurrenten, die keine Gelegenheit auslassen, um rasch zuzuschlagen oder ein Unternehmen feindlich zu übernehmen. Als Abwehrmaßnahme gegen eine derartige Übernahme hilft bisweilen ein sogenannter shark repellent, also Bestimmungen in einer Unternehmenssatzung, die es schwieriger machen, ein feindliches Übernahmeangebot erfolgreich zu gestalten.

Bullen
(bis 1.000 kg) und Bären (bis 750 kg): Bullen und Bären gehören in der Businesswelt einfach zusammen. Während die Bullen ein Symbol für steigende Aktienkurse sind, stehen die Bären für sinkende Kurse. Der Hintergrund: Einst wurden in Kalifornien diese beiden Tiere bei Kämpfen aufeinander losgelassen. Der Bulle konnte gewinnen, wenn er den Bären mit den Hörnern in die Höhe schleuderte (steigende Kurse). Der Bär hingegen blieb siegreich, wenn er mit seinen gewaltigen Pranken von oben nach unten schlagen konnte (sinkende Kurse).

Cashcows
(bis 750 kg): Die Cashcow sorgt für stete Einnahmen bei überschaubaren Kosten. Auf diese Spezies gilt es besonders gut aufzupassen, denn bekanntlich geben glückliche Kühe mehr Milch, was wiederum für den Bauern gut ist.

Goldesel
(bis 500 kg): Eine sehr rare Spezies, die so selten in der Businesswelt vorkommt, dass sie noch niemand wirklich zu Gesicht bekommen hat. Trotzdem sind die Beliebtheitswerte der Goldesel nicht zu übertreffen.

Zebras
(bis 450 kg): Zebras sind in der Businessfauna eng verwandt mit den Einhörnern, allerdings mit einem wichtigen Unterschied: Zebras sind Start-ups, denen es nicht um Gewinne und exponentielles Wachstum um jeden Preis geht, sondern die auch auf nachhaltige Werte wie soziale Verträglichkeit achten. Sie sind zugleich profitabel und gesellschaftlich verträglich. Beispiele sind die 2005 gegründete E-Commerce-Website Etsy, die sich auf den Kauf und Verkauf von handgemachten Produkten, Vintage und Künstlerbedarf spezialisiert hat, oder Basecamp, ein Unternehmen, das Start-ups dabei unterstützt, im Silicon Valley Fuß zu fassen.

Gorillas (bis 300 kg): Der Gorilla ist ein Respekt einflößendes Tier – nicht nur in der freien Wildbahn, sondern auch im Businesskontext. Mit diesem Begriff werden in der Regel die dominierenden Unternehmen einer Branche bezeichnet, die allerdings keine Monopolisten sind. Dank ihrer Vorherrschaft am Markt können sie jedoch viel riskieren. Keiner wagt es, sie zu attackieren.

Vogel Strauß
(bis 150 kg): Vom Vogel-Strauß-Effekt (Gegenteil: siehe „Erdmännchen-Effekt”) spricht man, wenn in der Finanzwelt Anleger versuchen, ungünstige Börsenentwicklungen und -kurse zu ignorieren und stattdessen lieber ihre Köpfe in den sprichwörtlichen Sand stecken. Auf den Unternehmenskontext umgelegt, bedeutet eine Vogel-Strauß-Politik, dass Führungskräfte, sobald Probleme auftauchen, diese kleinreden, ignorieren oder – im schlimmsten Fall – verheimlichen („Best-of-Führungsfehler”).

Schwarze Schwäne
(bis 15 kg): Vor rund 15 Jahren hat der Börsenexperte und Philosoph Nassim Nicholas Taleb in seinem gleichnamigen Buch die schwarzen Schwäne beschrieben. Dabei sind sie als Symbole für unerwartete Ereignisse schon mehr als 2.000 Jahren bekannt, als solche Tiere noch als undenkbar galten. Doch es gibt sie tatsächlich, sowohl in der Natur, als auch in der Wirtschaft und der Weltgeschichte. Mit Black-Swan-Events werden heute unvorhersehbare Geschehnisse mit dramatischen Folgen bezeichnet.

 

Aasgeier (bis 12 kg): Aasgeier sind so wie eine deutlich kleinere Gattung, die Heuschrecken, Symbole für Investoren wie etwa bestimmte Hedgefonds, die geschwächte Unternehmen nur wegen kurzfristiger Gewinne übernehmen.

Fette Katzen (bis 7 kg): Bei den in der Fachsprache oft als „Fat Cats” bekannten Tieren handelt es sich um in der Regel sehr reiche und gierige Menschen, die ein großes Vermögen besitzen und sich der Arbeit anderer bedienen, um durch sie noch reicher zu werden. Als „Fat Cats” werden aber auch Topmanager und Konzernbosse bezeichnet, die in wenigen Tagen so viel verdienen, wie ein Arbeitnehmer in einem ganzen Jahr. Der weltweit ermittelte „Fat Cat Day” ist jener Tag, an dem das jährliche Einkommen von Beschäftigten durch Vorstandsmitglieder bzw. Vorstandsvorsitzende bereits verdient wurde. In Österreich ist dieser Tag der 9. Jänner.


Lahme Enten
(bis 5 kg): Der Begriff „lahme Ente” stammt eigentlich aus der Börsenwelt und umschreibt einen Investor, der die Verluste nicht mehr ausgleichen kann. Unter lahmen Enten versteht man aber heute in der Wirtschaft auch Unternehmen mit wenig Offensivkraft. In der Politik bezeichnen sie handlungsunfähige Politiker, wie etwa einen US-Präsidenten, der noch im Amt ist, während bereits ein neuer Präsident gewählt wurde.

Erdmännchen (bis 0,8 kg): Erdmännchen sind proaktive Anleger, die ihre Finanzportfolios ständig auf Anzeichen für positive oder negative Nachrichten überprüfen. Im Gegensatz zum Vogel-Strauß-Effekt stecken Investoren bei schlechten Vorzeichen nicht den Kopf in den Sand, sondern verhalten sich wie hyper-wachsame Erdmännchen („Erdmännchen-Effekt”), die immer auf der Hut sind.


Heuschrecken
(bis 4 g): siehe „Aasgeier”.

Bienenköniginnen
(bis 3 g): Als Bienenköniginnen werden weibliche Führungskräfte in einem in der Regel von Männern dominierten Umfeld bezeichnet, die Mitglieder aus ihrem Team nicht bei ihrer Entwicklung fördern, insbesondere dann, wenn es sich um Frauen handelt. Aktuelle Forschungsergebnisse stützen die Hypothese, dass Frauen an der Macht (die sich wie Bienenköniginnen verhalten – „im Bienenstock kann es nur eine wie mich geben”) hauptsächlich auf ihresgleichen herumhacken (wie im Hollywood-Klassiker „Der Teufel trägt Prada”).

Killerbienen (bis 2,5 g): Killer-Bienen sind externe Unternehmen oder Einzelpersonen wie Investmentbanker, Wirtschaftsprüfer, Anwälte oder Steuerexperten, die von einem von einer Übernahme bedrohten Unternehmen beschäftigt werden, um ein Übernahmeangebot abzuwehren. Ziel ist es, Anti-Übernahme-Strategien zu identifizieren und anzuwenden, die das Zielunternehmen wirtschaftlich unattraktiv und die Übernahme kostspieliger machen (siehe „Haie” und „Shark Repellents”).


Barbara Stöttinger ist Dekanin der WU Executive Academy.

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