••• Von Reinhard Krémer, Nairobi
Das Wachstum der kenianischen Wirtschaft ist mit sechs Prozent respektabel, und viele österreichische Betriebe, von der Strabag bis zum Beschlägehersteller Blum, machen dort bereits gute Geschäfte. medianet erörterte mit der WKÖ-Wirtschaftsdelegierten in Kenia, Edith Predorf, und Botschafter Christian Fellner die Faktenlage.
medianet: Wie ist der aktuelle Stand der Beziehungen zwischen Österreich und Kenia?
Christian Fellner: Die Beziehungen sind ausgezeichnet, und von Problemen kann man eigentlich nicht sprechen. Naturgemäß gibt es immer wieder das eine oder andere Missverständnis auszuräumen.
medianet: Welche Probleme gab und gibt es?
Fellner: Im Bereich der Wirtschaft würde sich Kenia eine stärkere Anbindung an Europa wünschen und mehr direkte Investitionen auch durch Österreich. Das ist auch noch ausbaufähig. Kenia ist mittlerweile ein ‚Middle Income Country'. Das ist gut. Aber in gewisser Weise wird Kenia für seinen Erfolg bestraft, indem es nun weniger guten Zugang zum europäischen Markt hat als beispielsweise die ärmsten Länder der Region. Deshalb wurde das Freihandelsabkommen (Economic Partnership Agreement; Anm.) mit der EU bislang nicht von allen Ländern der East African Community unterzeichnet – ganz einfach, weil ihnen das nicht allzu viel bringt; sie sind eben ärmste Länder und haben sowieso bevorzugten Zugang zum europäischen Markt.
medianet: Wie stabil ist das Land? Wo gibt es Risiken?
Fellner: Kenia gilt seit der Unabhängigkeit als einer der stabilen Pfeiler der Region. Eine besondere Herausforderung ist das Verhältnis zu Somalia – einerseits, weil ethnische Somalis in fünf verschiedenen Staaten der Region leben. Auch in Kenia leben viele Somalis, es sind aber auch Hunderttausende hierher geflüchtet.
medianet: Wo orten Sie Potenzial für die Zukunft?
Fellner: Kenia und Österreich haben erstaunlich viele Gemeinsamkeiten: Beide Staaten sind Sitzstaaten der Vereinten Nationen, beide Länder sind ausgesprochen touristisch – auch Österreich erzielt viel Einkommen aus dem Tourismus. Gerade deshalb sind beide Länder auch am Umweltschutz besonders interessiert. Zusammenarbeit im Bereich des Tourismus erscheint ebenso zukunftsträchtig wie jener in anderen Wirtschaftssektoren, wie grüne Technologie aus Österreich, nachhaltige Energie, aber auch im Bereich der universitären Zusammenarbeit und mehr.
medianet: Wie steht es um die Rechtssicherheit in Kenia?
Fellner: Kenia hat eine ganz gut ausgearbeitete Rechtsordnung, aber wie in vielen Ländern braucht der Staat auch Geld, um z.B. genügend Beamte anzustellen, genügend Richter, Staatsanwälte und andere Staatsdiener zu bezahlen. Leider ist die Verfahrensdauer mitunter sehr lang, sodass es zu größeren Problemen kommen kann. Für österreichische Akteure gilt auch hier: Vorher genau überlegen, was man tun will, um Missverständnisse und Probleme im Vorfeld zu vermeiden.
medianet: Was kann Kenia aus Österreich brauchen?
Edith Predorf: Wir sind stark engagiert im Bereich Bau und Infrastruktur. Wir liefern zum Beispiel Baumaschinen oder Spezialkräne. Im Gesundheitsbereich sorgen österreichische Unternehmen – es sind bereits einige hundert; eine Handvoll hat auch Niederlassungen vor Ort – für die Ausstattung von Krankenhäusern, aber auch für den Produktionsbetrieb und Unternehmen im Umweltsektor. Österreich hat sein Potenzial aber noch nicht zu hundert Prozent ausgeschöpft.
medianet: Welche aktuellen Entwicklungen gibt es?
Predorf: Wir sehen generell Interesse am ostafrikanischen Markt. In den neuen Industrien wie Start-ups und Innovationen zeichnen sich Chancen ab. Nairobi ist ein Hub für Start-ups und ein Innovationscenter.
medianet: Mit welchen Fallstricken muss ein Unternehmen rechnen?
Predorf: Wenn Du schnell gehen willst, geh alleine, wenn Du weit gehen willst, geh zu Zweit, sagt ein Sprichwort. Empfehlenswert ist daher ein starker Partner vor Ort, der Gegebenheiten kennt und Geschäftsbeziehungen hat.
medianet: Was können Keniaer besser als andere afrikanische Nationen?
Predorf: Das Bildungsniveau ist sehr hoch. Die Menschen sind in ihrer Mentalität offen, auch gegenüber neuen Technologien und haben einen gewissen Unternehmergeist, der sehr wirtschaftsfördernd ist.
medianet: Kenia hat also in Afrika die Nase vorn?
Predorf: Ich betreue insgesamt elf afrikanische Länder. Kenia ist führend, was die Möglichkeiten und die Marktgröße betrifft. In meinem Portfolio sind fünf Länder superspannend; das sind Kenia, Ruanda, Uganda, Tansania und Äthiopien.
medianet: An wen können sich heimische Unternehmen, die in Kenia tätig werden wollen, wenden?
Predorf: Wir sind der One-Stop-Shop für Österreicher vor Ort; wir helfen mit Plattformen, Beziehungen, mit Wirtschaftspartnern und Kontakten zu Rechtsanwälten oder auch Steuerberatern usw..