Liebe das Problem, nicht die Lösung
© Strategie Austria/Fernanda Nigro
Harry Gatterer „Es gibt keine ‚linearen Unternehmen', aber zu viel lineares Denken.”(Strategie Austria-Jahressymposium)
CAREER NETWORK Redaktion 27.10.2017

Liebe das Problem, nicht die Lösung

So lautet im Silicon Valley ein Mantra der Start-up-Szene. Das Thema wurde jetzt bei einem Symposium aufgegriffen.

Unter dem Motto „The Power of Problems” lud Strategie Aus­tria – die Plattform der österreichischen Strategieberater – zum Jahressymposium ins Architekturzentrum Wien ein. Julia Culen (Culen Mayhofer Partner), Rama Dunayevich (Autodesk), Niki Ernst (Silicon Valley Inspiration Tours), Harry Gatterer (Zukunftsinstitut) und Hugo Giralt (Propelland) zeigten auf, wie sehr ein „herkömmliches” Problembewusstsein Unternehmen und Organisationen in ihrem Wachstum einschränkt und reihenweise stressgeplagte und erschöpfte Mitarbeiter und Führungskräfte erzeugt.

Veraltete Denkmuster

Niki Ernst war viele Jahre als „TEDx-Ambassador” aktiv, ist aktuell Sprecher-Coach und Gründer der Silicon Valley Inspiration Tours. „Exponentielle ­Organisationen wachsen vertikal”, erzählte Ernst – ein Beispiel dafür sei Amazon mit dem Verkauf von Büchern; „sie sehen sich dabei allerdings als Data-Company – und nicht als Buchhändler”. Dadurch würden sie es schaffen, „gezielt horizontale Wachstumslinien zu ziehen – wie Cloud, Prime, Go … – und damit ganze Märkte neu zu gestalten, ohne sich dabei an alte Spielregeln zu halten”: Statt besser als der Mitbewerb darin zu sein, Produkte zu verkaufen, werden Marktplätze geschaffen und damit Probleme von Menschen gelöst. Ernst: „Im Silicon Valley sieht man auf vielen Bürowänden Poster mit der Aufschrift: ‚Sei in das Problem verliebt – und nicht in die Lösung'.”

„Viele vermissen den Sinn”

„Wir leben in einem Meer aus Überfluss, an Lösungen ohne Probleme”, so Harry Gatterer, Geschäftsführer des Zukunftsinstituts. „Aber was ist das eigentliche Problem? Alles ist unsicher, deshalb muss die Achtsamkeit für das Implizite, Unausgesprochene, stärker werden.” Es gebe keine „linearen Unternehmen”, aber zu viel lineares Denken – „und eine zu hohe Zahl an Menschen, die in ihrer Arbeit den Sinn vermissen. Potenziale finden sich allerdings erst, wenn man das Problem genau ansieht, anstatt andauernd beruflich und privat hinterherzuhecheln.”

Die Welt verbessern

Von Technologien, „die die Welt verbessern”, und „Generative Design” erzählte Rama Dunayevich, Senior Manager beim kalifornischen Softwarehersteller Autodesk: „Maschinen können Gesichter und Krankheiten besser erkennen als wir Menschen und sie sind definitiv die besseren Autofahrer. Roboter können jetzt selbst lernen und mit Menschen kollaborativ eingesetzt werden – und Computer entwerfen anhand von Daten und Algorithmen Millionen von Designs, aus denen ganz neue Ideen für Objekte, wie beispielsweise Stühle oder die optimale Einrichtung ganzer Bürogebäude, entstehen können …”

Ausgebrannte Führungskräfte

Für Hugo Giralt, CEO des Strategic Design-Studio Propelland, ist ein Prototyp wertvoller als tausend Meetings: „In die Zukunft zu planen, ist schwierig, aber von einem Prototyp ausgehend schrittweise zurückzudenken, ist viel einfacher. Mit diesem Ansatz können wir die Welt – und damit ist nicht nur die eigene gemeint – besser machen.”

„Ich erlebe eine Gesellschaft, die total erschöpft ist”, beschrieb Julia Culen, Co-Gründerin von Culen Mayhofer Partner, eine Atmosphäre aus Stress, Burnout und überforderten Führungskräften quer durch alle Branchen. Culen: „Und die neuen ‚Heilsbringer' wie Agilität, Leadership 4.0 usw. machen die Menschen noch kraftloser. Wir müssen Unternehmen wieder zu einem Ort machen, wo Menschen Menschen sein können. Wer Ruhe, Mitgefühl und Lebensfreude vermitteln kann, ersetzt Erschöpfung durch Empowerment.” Im Anschluss an ihr Impulsstatement lud Culen die Besucher des Symposiums spontan zum gemeinsamen ­Meditieren ein.
„Mit dem Motto ‚The Power of Problems' setzen wir bei unserem Symposium den Fokus auf die Kernaufgabe jeder Strategie – nämlich Probleme zu erkennen und die damit verbundenen Herausforderungen zu lösen”, so Sonja Prem, Präsidentin von Strategie Austria. „Vor der Veranstaltung haben wir außerdem die Teilnehmer gefragt, was sie im Alltag gern verändern möchten – mit einem eindeutigen Ergebnis: Es fehlt an Wertschätzung im Umgang miteinander. Die gute Nachricht: Dieses Problem lässt sich eigentlich einfach und schnell lösen, wenn wir uns nur dafür Zeit nehmen.”
Mehr als 150 Gäste folgten der Einladung zum Jahressymposium von Strategie Austria im Wiener Architekturzentrum. (red)

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