Neue Wege, um Personal zu finden
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Wechselwillige 49% der Arbeitnehmer stehen einem Jobwechsel offen gegenüber, und 35% suchen aktiv nach einem neuen Job.
CAREER NETWORK Redaktion 21.04.2023

Neue Wege, um Personal zu finden

Eine umfassende Beratung im Bereich Human Resources und Employer Branding ist heute essenziell.

••• Von Alexander Haide

Mit dem Slogan „Wir finden die Delikatessen unter den Kandidaten” macht die Human Resources-Beratungsfirma HR_4.0 Zellner Lust auf neue Wege beim Recruiting von neuem (Fach-)Personal. Durch den akuten Mangel an Arbeitskräften sind Unternehmen gezwungen, die richtigen Angebote an zukünftige Mitarbeiter parat zu haben. Dabei spielt das Gehalt nicht immer die Hauptrolle, erklärt Projektleiterin Maria Brinninger-Gschaider.


medianet:
Auf welchen Gebieten ist HR_4.0 Beratung Zellner hauptsächlich tätig?
Maria Brinninger-Gschaider: Unter dem Namen HR_4.0 haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die Delikatessen unter den Kandidaten zu finden. Wir sprechen von einer umfassenden HR-Beratung. Das beinhaltet die Analyse des tatsächlichen Stellenprofils, des Unternehmens, aber auch der Kandidaten. Der Match kann nur dann gelingen, wenn man auf beiden Seiten möglichst feinjustiert. Wir finden Talente für Unternehmen und Unternehmen für Talente. In der Beratung liegt unser Fokus bei der strategischen Arbeitgebermarkenentwicklung und der Personaldiagnostik.


medianet: Hat durch den Arbeitskräftemangel auch ein Paradigmenwechsel beim Recruiting stattgefunden?
Brinninger-Gschaider: Reverse Recruiting nennt es unsere Prokuristin. Das ist kein neuer Trend. Studien zeigen, dass Arbeitgeber heute viel in die Entwicklung der eigenen Arbeitgeberattraktivität investieren. Das hilft nicht nur beim Finden neuer Mitarbeiter, sondern auch dabei, bestehende Mitarbeiter möglichst lange zu binden. Oft wird das Konzept der Arbeitgebermarke nicht richtig verstanden. Es geht nicht darum, coole Personalmarketingslogans zu formulieren oder die nächste Jobkampagne noch schillernder zu gestalten. Vielmehr braucht es ein authentisches Bild der vorherrschenden Unternehmenskultur und eine ehrliche Antwort darauf, wer in diese Kultur letztendlich auch passt oder eben nicht.

Schwierig wird es, wenn es dann zu einer dogmatischen Haltung kommt und zu starken Verallgemeinerungen und Haltungen. Es gilt, die Individualität des Einzelnen im Auge zu behalten, und es gibt einen Wandel in Richtung mehr Ausgleich, mehr Sinn in der Arbeit. Individualität und Gestaltungsspielraum sind heute die wichtigsten Zutaten. Das mag eine flexible Arbeitszeitgestaltung sein, für andere ist Regelmäßigkeit wichtiger und dafür ein höherer Bonus.


medianet:
Wie haben sich die Anforderungen an Fachpersonal geändert?
Brinninger-Gschaider: Ich finde die richtigen Skills essenziell. Wahrscheinlich möchte sich niemand von einem Chirurgen operieren lassen, der nicht das nötige fachliche Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen mitbringt. Selbst wenn seine Attitude perfekt passt. Um erfolgreich in einem Team zu arbeiten, muss ich die nötige Teamfähigkeit mitbringen. Als Verkäufer sind das sehr gute Kommunikationsskills, Begeisterungsfähigkeit und Überzeugungsgeschick. Es gibt drei Hauptkriterien, die Hard Skills, Soft Skills und den ‚Kern des Menschen'. Die Ebenen Hard Skills, Soft Skills und der Kern des Menschen lassen sich gut mit den Schalen einer Zwiebel vergleichen. Ich nenne das Sichtbares, latent Sichtbares und Verborgenes.

Offensichtlich sichtbar sind die formalen oder auch informellen Ausbildungen und Kenntnisse und das praktische Handwerkszeug, das auch durch Zeugnisse und Zertifikate sichtbar wird. Etwas latenter unter der Oberfläche liegen die Soft Skills. Dazu zählen die Fragen: Wie kommuniziere ich, wie löse ich berufliche Aufgabenstellungen oder Probleme im Team, kann ich führen, bin ich ein Teamplayer, bin ich strukturiert und organisiert? Ähnlich der Hermeneutik, lassen sich diese Eigenschaften mit gezielten Fragen herausfiltern. Aber auch die allgemeine Menschenkenntnis und das sogenannte Bauchgefühl spielen die Seismografen-Rolle.
Wenn wir vom ‚Kern des Menschen' sprechen, gehen wir der Frage auf den Grund ‚Wie ticke ich als Mensch?' im beruflichen Kontext als auch privat. Welche Glaubenssätze, Überzeugungen, Motivatoren und Einstellungen habe ich verinnerlicht. Bin ich extrovertiert oder introvertiert, wie sehen meine Empathiewerte, aber auch die emotionale Intelligenz aus? Die Frage nach der Gewichtung der einzelnen Elemente lässt sich nicht standardisiert und für alle Unternehmen und Positionen beantworten, sondern ist immer individuell.


medianet:
Sie verweisen auf ein starkes und großes Netzwerk, in dem Sie Fachpersonal rekrutieren. In welchen Gewässern fischen Sie?
Brinninger-Gschaider: Unsere Gewässer gleichen sicher den Gewässern von allen anderen. Vielleicht sehen wir die Gewässer nicht so düster wie aktuell allgemein betrachtet. Klagen über den Arbeitskräftemangel hören wir, sehen aber gleichzeitig, dass 49 Prozent einem Jobwechsel offen gegenüberstehen und 35 Prozent aktiv nach einem neuen Job suchen. Demnach wären ausreichend wechselwillige Menschen am Markt, die eine neue oder die richtige Herausforderung suchen. Ansätze der gezielten Arbeitsmigration möchten wir auch in den Köpfen der Unternehmer Österreichs verankern. Ebenso die Bedeutung der Arbeitnehmerinnen-Zielgruppe der über 50-Jährigen. Stärke entsteht durch Bindung und Nähe. Unsere Sichtbarkeit, die richtige Ansprache und Verbindungen in den richtigen fachlichen Communities machen uns zu einer attraktiven Drehscheibe für Kandidaten aus den Bereichen Engineering, Construction, Marketing & Sales sowie People & Culture. Das spricht sich dann auch herum.

medianet:
Welche Faktoren machen Unternehmen für Fachkräfte heute interessant?

Brinninger-Gschaider: Die Vergütung respektive ‚Financial Compensation' belegt immer noch Platz eins, Sicherheit ist ebenfalls wichtig. Das deckt sich damit, was wir aktuell in der Recruiting-Praxis erleben. Neben dem fairen Gehalt muss es eine ausgewogene Work-Life-Balance geben, die Arbeit muss Sinn stiften und die netten Benefits dürfen auch nicht fehlen. Die Unternehmen müssen heute regelrechtes Marketing für passende Kandidaten betreiben. HR und Marketing wachsen immer mehr zusammen, vor allem im Bereich des Employer Branding.


medianet:
Wodurch kann das Employer Branding verbessert werden, welche Maßnahmen gibt es?

Brinninger-Gschaider: Ehrlichkeit und Authentizität. Ein Arbeitgeberversprechen muss eingehalten werden, um nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Wir haben unterschiedliche Zielgruppen entlang des Employee Life Cycles. Da gibt es bestehende Mitarbeiter, Bewerber und zukünftige Bewerber. Man wird sich alle bestehenden Touchpoints ansehen wie etwa eine Karriereseite, ein Mitarbeitermagazin, Stellenausschreibungen, die Arbeitsplatzgestaltung sowie Bewerbungs-, Einstellungs- und Onboarding-Prozesse, aber auch das Offboarding.


medianet:
Wie hoch sind nötige Investitionen, um sich im Bereich des Employer Branding erfolgreich zu positionieren?
Brinninger-Gschaider: Employer Branding ist keine Einmalinvestition, sondern ein fortlaufender Prozess. Die Kosten sind abhängig von der Größe des Projekts bzw. Unternehmens und dem Stand der Arbeitgebermarkenentwicklung. Wurde bereits eine Arbeitgebermarke strategisch entwickelt, kann ich hier ansetzen und in die operative Umsetzung gehen. Möchte ich ein Projekt zur Arbeitgebermarkenentwicklung starten, benötige ich Wurzelarbeit, wie ein paar Fokusgruppen, Tiefeninterviews und eine Analyse aller wichtigen Unternehmensdaten. Eine klare Kostenschätzung abzugeben, ist nicht seriös.

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