Ohne Weiterbildung geht bald nichts mehr
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CAREER NETWORK Redaktion 12.05.2023

Ohne Weiterbildung geht bald nichts mehr

Frage an die Top-Institute des Landes: Ist Weiterbildung der „Zaubertrank” gegen den Fachkräftemangel?

••• Von Alexander Haide

Jedes Jahr kürt das Industriemagazin die besten Gesamtanbieter für Seminare im Bereich der Weiterbildung. Angeführt wird das Gesamtranking 2023 von der TÜV Austria Akademie, gefolgt von Wifi (Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Österreichs) und BFI, dem Berufsförderungsinstitut Österreich.

„Als Bildungsinstitut konnte sich unsere TÜV Austria Akademie im Vorjahr an ihren österreichischen und internationalen Standorten über eine Rekordnachfrage nach beruflicher Weiterbildung freuen”, zeigt sich Christian Bayer, Geschäftsführer der TÜV Akademie, begeistert, „Diese hohe Nachfrage hält auch in den ersten Monaten 2023 an. Besonderes Interesse gilt Lehrgangsangeboten in den Bereichen Qualitäts- und Risikomanagement, Brandschutz, Sicherheitstechnik und Elektrotechnik.”

Nachfrage bei Wifi & BFI Wien

Weiterbildungen in Personalverrechnung und Buchhaltung sind beim Wifi unverändert stark nachgefragt, aktuell boomen auch die Bereiche Elektrotechnik und Kosmetik. Für die Zukunft erwartet Institutsleiter Christian Faymann neue Themen: „Die Trends drehen sich rund um Nachhaltigkeit und Green Skills, da sich durch die Lieferkettenverordnungen auch für KMU ein hoher Kompetenzbedarf ergibt. Digitalisierung ist ein bleibendes Thema und wird sich noch stärker entwickeln. Die aufkeimende und nun tatsächlich nutzbare KI, wie ChatGPT und Midjourney, verstärkt das ­Interesse für moderne Lösungen und bringt erste konkrete berufliche Anwendungsmöglichkeiten.”

Franz-Josef Lackinger, Geschäftsführer des BFI Wien, ortet neue Möglichkeiten für Arbeitnehmer: „Inhaltlich beobachten wir, dass besonders einschlägige berufliche Weiterbildungsangebote, also die gezielte Aneignung von Spezialwissen im Arbeitskontext, sowie das Nachholen von Berufs- und Bildungsabschlüssen sehr stark nachgefragt waren. Der Auf- und Umstieg ist für Arbeitnehmer mit entsprechenden Kompetenzen und Qualifikationen derzeit leichter möglich als noch vor der Pandemie”, so Lackinger. „Mit einer gezielten Qualifizierung hat man die besten Karten, vor allem wenn die Qualifizierung im Spannungsfeld Nachhaltigkeit und Green Jobs ist. Hier haben wir sicher die größte Nachfrage verspürt und bauen unser Angebot entsprechend weiter aus.”

Mehr digital und green

In Zukunft erwartet sich auch Christian Bayer von der TÜV Akademie vor allem einen Run auf Kursangebote im Bereich Digitalisierung, IT-Security, Green Tech, Qualitätsmanagement und Künstliche Intelligenz: „Unsere Aus- und Weiterbildungsangebote sind zudem ein besonderer Hebel jenseits der gerne gebuchten Soft-Skills-Trainings. Sie schärfen technisches Verständnis auch für Nicht-Techniker und fördern Produktivität durch neue Sichtweisen.” Zusätzlich zur Weiterbildung bindet die TÜV Akademie Networking ein. „Nirgendwo anders sind unsere Kursteilnehmer mit so vielen unterschiedlichen Unternehmen und Branchen physisch vernetzt”, erläutert Bayer. „Das bringt einen nicht zu unterschätzenden Mehrwert.”

Motivation und Support

Um noch mehr Menschen zu Weiterbildungsmaßnahmen zu motivieren, appelliert Bayer an Urinstinkte: „In den meisten Menschen steckt eine natürliche Neugier. Aus dieser Neugier heraus gilt es, eine positive Einstellung zum Lernen zu wecken und mit konkreten und individuell zugeschnittenen Weiterbildungsmaßnahmen zu fördern – am besten im Team, immer wieder auch gemeinsam mit Vor­gesetzten. Das bringt ein Plus für Mitarbeiter, Unternehmen und die Unternehmenskultur.”

Christian Faymann vom Wifi wünscht sich eine größere finanzielle Unterstützung: „In Zeiten von Krisen und Inflation ist jede Unterstützung willkommen und hilfreich. Unternehmen sollten das Potenzial verstärkt nutzen und durch Kompetenzaufbau und Schulungen ihren eigenen Markterfolg absichern.” Aber auch Beschäftigte und Arbeitssuchende sollten jetzt in Bildung investieren. „Es lohnt sich, da die Marktnachfrage nach Qualifikationen extrem hoch ist”, so Faymann.

Lebenslanges Lernen

Auch Franz-Josef Lackinger würde sich unter anderem mehr finanzielle Anreize wünschen. „Es ist aus meiner Sicht weniger eine Frage der Motivation, sondern des Ermöglichens”, so der BFI Wien-Chef, „Neben Kosten für Weiterbildung, Stichwort wirksame Förderung, ist der Faktor Zeit entscheidend, um lebenslanges Lernen auch in der breiten Bevölkerung vom Schlagwort zur gelebten Praxis werden zu lassen. Weiterbildung macht man nicht nebenbei, auch wenn sie von vielen berufsbegleitend absolviert wird. Das heißt, dass Arbeitgeber gut beraten sind, beim Thema Bildungsfreistellung nicht nur die oberste Führungsebene zu berücksichtigen. Und das heißt auch, dass das Modell der Bildungsteilzeit bzw. Bildungskarenz so gestaltet wird, dass es nicht nur für besserverdienende Akademiker realistisch durchführbar ist.”

Fachkräftemangel beheben

Können Weiterbildungsmaßnahmen auch den aktuellen Mangel an Fachkräften beheben? „Ganz klar ja!”, ist Christian Bayer vom TÜV sicher, „Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sind ein wesentlicher Schlüssel zur Entschärfung der angespannten Lage in vielen Branchen. Die TÜV Austria Akademie unterstützt Unternehmen bei qualifizierten Umschulungsmaßnahmen, Weiterbildung oder Weiterqualifizierung. Denn Neues auszuprobieren und das eigene Können weiterzuentwickeln, wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor in der Arbeitswelt.”

Potenzial steigern

Ähnlich sieht es Franz-Josef Lackinger vom BFI Wien: „Weiterbildung ist aus meiner Sicht der wichtigste Hebel, um beim Thema Fachkräftemangel anzusetzen. Auch wenn Weiterbildung die demografische Entwicklung nicht umkehren kann, können Weiterbildungsmaßnahmen dafür sorgen, dass die Menschen länger als gefragte Fachkräfte im Arbeitsleben bleiben können. Zudem kann das allgemeine Arbeitskräftepotenzial mittels gezielter Höherqualifizierung ungelernter Personen maßgeblich gesteigert werden, wie die zahlreichen AMS-Maßnahmen und betrieblichen Initiativen eindrucksvoll zeigen. Weiterbildung sorgt auch dafür, dass die jungen Fachkräfte genau die Kompetenzen vermittelt bekommen, die in der Wirtschaft und in der Industrie benötigt werden. Und lebenslanges Lernen garantiert zu guter Letzt, dass die Menschen mit den steigenden Anforderungen Schritt halten und erfolgreich im Arbeitsleben agieren können.”

Etwas skeptischer sieht das Christian Faymann vom Wifi, der in der Weiterbildung nicht die Lösung des Mangels an Facharbeitern sieht: „Bildung kann einen Fachkräftemangel alleine nicht beheben, jedoch jedenfalls abschwächen, aber eine gute Ausbildung ist eine gute Basis für innovative, revolutionierende Lösungen.”

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