Das wird wieder kein Sommer wie damals
© APA/AFP/Alberto Pizzoli
DESTINATION Redaktion 12.02.2021

Das wird wieder kein Sommer wie damals

Reisewarnungen, Quarantäne- und Testpflichten verhageln der Branche die Buchungsbilanz.

••• Von Sabine Bretschneider

WIEN. Im Jahr 2019 buchten 5,8 Mio. Österreicher zumindest einen Urlaubsaufenthalt im In- oder Ausland; insgesamt unternahmen diese 5,8 Mio. Reisebegeisterten im Laufe des Jahres rund 21,2 Mio. Urlaubsreisen. Etwa ein Fünftel dieser Reisetätigkeit fällt laut Statistik Austria traditionell ins erste Quartal. Die Zahlen für 2020 sind noch nicht abrufbar; allerdings fällt der Vergleichszeitraum 2020 bereits ins „Corona-Ausnahmejahr”...

Unternehmngslustige haben es derzeit nicht leicht. Reisewarnungen, Testpflichten und Quarantänebestimmungen verleiten nur Abgebrühte zur Urlaubsbuchung. Das spüren auch die Veranstalter: Den weltgrößten Reisekonzern TUI haben die Pandemie-Beschränkungen Ende 2020 tief in die roten Zahlen gerissen. Im ersten Geschäftsquartal bis Ende Dezember stand unter dem Strich ein Verlust von rund 803 Mio. €, teilte das Unternehmen am Dienstag mit.

„Impfungen als Basis”

Für den bevorstehenden Sommer zeigt sich TUI-Chef Fritz Joussen vor allem mit Blick auf den Fortschritt der Impfungen in Großbritannien zuversichtlich. Die Sommersaison könne vom sehr zügigen Impfverlauf in dem für TUI wichtigen Markt profitieren. „Impfungen und Schnelltests machen ein Ende des Stillstands im Tourismus möglich”, erklärte Joussen. Er hoffe, dass nach verhaltenem Start auch in anderen Ländern mehr Energie auf Impfungen und die Verfügbarkeit von Schnelltests gelegt werde. Damit wäre die Basis für eine Rückkehr zu offenen Grenzen geschaffen.

TUI zählte zuletzt trotz der Unsicherheiten 2,8 Mio. Buchungen für den Sommer 2021. Das entspreche 56% des Buchungsstands zum selben Zeitpunkt im Vorkrisenjahr 2019.

Nachfrage „sehr gut”

Auch das Verkehrsbüro verbucht trotz Corona rege Nachfrage: Trotz der kritischen Infektionslage und der britischen Coronavirus-Mutation sei die Nachfrage nach Reisen „sehr gut”, sagte die Vorständin des größten heimischen Tourismuskonzerns Verkehrsbüro, Helga Freund, laut Kleine Zeitung. Einer Kundenumfrage zufolge planen heuer 98% der 4.500 Befragten eine Reise. Daheimbleiben möchte so gut wie niemand. „Das ist ein absoluter Rekordwert”, so Freund.

Fast zwei Drittel wollen zwei bis dreimal im Jahr verreisen – wenn die Corona-Pandemie es zulässt.
Eine Rückkehr auf ein Niveau wie vor Covid-19-Zeiten werde nur stufenweise erfolgen. Freund: „Wir gehen davon aus, dass diesen Sommer wieder mehr gereist werden kann – ich hoffe, es geht doch schneller mit den Impfungen.” Die Sehnsucht nach Reisen sei jedenfalls sehr groß. „Bei kurzfristigen Lockdowns oder Grenzschließungen werden wir umbuchen oder kulant stornieren”, versprach die Managerin.

Auto statt Flugzeug

Italien, Kroatien und Griechenland stehen ganz oben auf der Liste der Reiseziele der Österreicher – vorrangig mit dem Pkw erreichbare Destinationen. Der weltweite Flugverkehr ist wegen der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr so massiv eingebrochen wie nie zuvor: Die geflogenen Passagierkilometer gingen auf das ganze Jahr gesehen um fast 66% zurück, wie der Chefökonom des Verbands der Fluggesellschaften (IATA), Brian Pearce, vergangene Woche in Genf berichtete. Im Dezember waren es minus 85% im internationalen Betrieb und minus 70% auf Inlandsstrecken.

Digitaler Impf-Reisepass

Die Reisebüros in Österreich, aber auch der Flughafen Wien, fordern einen „digitalen Pass” für Reisende und insbesondere für Flugreisende, in dem Corona-Tests bzw. auch Corona-Impfungen registriert sein sollen.

„Eine Anwendung am Smartphone, einfach bedienbar und mit aktuellen, weltweit auslesbaren Informationen zum persönlichen Corona-Test- und Impfstatus einer Person, sollte als valider Gesundheitsnachweis bei Reisen fungieren”, findet Flughafen-Vorstand Günther Ofner. Er will die bisherige Zettelwirtschaft von schriftlichen Test- und Quarantänenachweisen ebenso beendet wissen wie den bisherigen regulatorischen Fleckerlteppich unterschiedlicher Reisestandards.
Die Bundesregierung und auch die EU müssten die Initiative ergreifen und rasch Entscheidungen treffen, damit der Reisesommer nicht verloren ist, schrieben der Wirtschaftskammer-Fachverband der Reisebüros und der Flughafen Wien in einer gemeinsamen Aussendung. Im Wiener Verkehrsministerium werden bereits Optionen für Impfnachweise evaluiert.

Gesamtstrategie gefragt

In der EU wird kontrovers über eine mögliche Aufhebung von Reisebeschränkungen für Menschen mit Corona-Impfung diskutiert. Zwar arbeiten die 27 EU-Staaten an einem gemeinsamen Impfpass; die Debatte über mögliche, damit verbundene Vorteile wurde im Jänner jedoch bis auf Weiteres vertagt.

„Für einen erfolgreichen Re-Start der Reise- und Tourismusbranche braucht es zwingend eine europaweit abgestimmte, effiziente Test- und Impfstrategie, um Quarantänemaßnahmen und Reisebeschränkungen vermeiden zu können”, zeigt sich Gregor Kadanka, Obmann des Fachverbands der Reisebüros der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), überzeugt.
Kadanka ist Initiator der ARGE „Restart”. Mitglieder sind die Player der heimischen Reisebranche – Reisebüros, Hotellerie, Flugverkehr und Buchungssystemeanbieter. Auch auf europäischer Ebene haben sich die Verbände der am längsten und härtesten von der Pandemie getroffenen Branchen, wie die europäischen Dachverbände der Hotellerie (HOTREC) und der Reisebüros (ECTAA) abgestimmt und pochen darauf, schnellstmöglich eine Gesamtstrategie umzusetzen.
Kadanka: „Wenn wir es jetzt auf EU-Ebene schaffen, langfristig eine Strategie zu entwickeln, dann wird diese uns auch in möglicherweise kommenden Krisen vor derart horrenden Auswirkungen, wie wir sie jetzt erleben, schützen können.”

Perspektiven für Hotels

Dem stimmt auch Susanne Kraus-Winkler, Obfrau des WKÖ-Fachverbandes Hotellerie, bei. Aber auch auf nationaler Ebene habe man noch einige Aufgaben zu erledigen: „Wir brauchen unter anderem genügend Vorlaufzeit, um unsere Betriebe wieder zu öffnen, und dabei bedarf es einer guten Wiedereröffnungsstrategie – mit zielführenden und verhältnismäßigen Maßnahmen.”

Um den Betrieben nicht nur das unmittelbare Überleben, sondern auch eine Perspektive in der langfristigen Recovery-Periode zu sichern, brauche es auch – weiterhin – entsprechend langfristige Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen, so die beiden Branchenvertreter.

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