Schwierige Situation am Tourismus-Arbeitsmarkt
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DESTINATION Redaktion 09.02.2024

Schwierige Situation am Tourismus-Arbeitsmarkt

WKO-Obmann Robert Seeber über die angespannte Lage am Arbeitsmarkt und Wege aus der Krise.

••• Von Alexander Haide

Geschäftiges Treiben im Promenadenhof in Linz. Im Restaurant von Robert Seeber sind 50 Mitarbeiter tätig – der Bundesspartenobmann für Tourismus und Freizeitwirtschaft der WKO kennt die Probleme der Branche aus der täglichen Praxis nur zu gut. Auch wenn Patentrezepte fehlen und sich der Mangel an (Fach-)Kräften in der Hotellerie und Gastronomie in den kommenden Jahren noch verschärft, hat Seeber Lösungsvorschläge.


medianet:
Wie dramatisch ist die Situation am Arbeitsmarkt für Tourismus- und Gastrobetriebe wirklich?
Robert Seeber: Derzeit gibt es etwa 16.000 – gemeldete – offene Stellen im gesamten Tourismus, im vergangenen Jahr gab es allerdings ein Plus von 3,3 Prozent an neuen Mitarbeitern. Insgesamt waren es 2023 knapp 500.000 Beschäftigte in der gesamten Tourismus- und Freizeitwirtschaftsbranche. Ich höre von allen Betrieben quer durch den Tourismus, dass man vor allem versucht, bestehende Mitarbeiter zu halten.

medianet:
Wie gestaltet sich die Suche nach neuem Personal?
Seeber: Schwierig. Die Situation ist schon dramatisch. Wir haben eine sehr hohe Teilzeitquote und sind quer durch alle Branchen bei einer Wochenarbeitszeit von durchschnittlich 35 Stunden. Zudem ist das Pensionsantrittsalter im Schnitt mit 61, 62 Jahren, etwa im Vergleich zu Deutschland, viel zu niedrig. Hier muss sich die Politik etwas einfallen lassen. In meinem Betrieb gibt es einen 63 Jahre alten Herren, der seit zwei Jahren bei uns ist. Heute ist er einer der besten Mitarbeiter.


medianet: Also wäre eine Anhebung der Zuverdienstgrenze für Pensionisten und Studenten ein Weg zu mehr Personal?
Seeber: Arbeit in der Pension muss sich lohnen, und es muss weniger Abzüge geben. Zudem ist es ein Problem, dass zu viele Frauen in Teilzeit arbeiten wollen. Das kenne ich auch aus meinen Betrieben. Das hängt daran, dass die Kinderbetreuung nicht optimal organisiert ist. Hier fordern wir eine Verbesserung. Wenn man das Teilzeitproblem bei den Frauen in den Griff bekommt und das Potenzial der älteren Menschen nutzt, wäre bereits viel gewonnen.

medianet:
Viele schieben die Personalknappheit auf das schlechte Image der Jobs im Tourismus und der Gastronomie. Andererseits ergab eine aktuelle Umfrage, dass eigentlich alles im grünen Bereich ist. Können Sie das nachvollziehen?
Seeber: Ich war selbst von den Ergebnissen der Studie des Market Instituts überrascht. 90 Prozent der Mitarbeiter würden auch ihren Arbeitgeber weiterempfehlen. Es liegt also klar auf der Hand, dass die Mitarbeiter im Tourismus zufrieden sind. Sie sind sogar etwas zufriedener als in anderen Branchen.

medianet:
Woher stammt das angeblich schlechte Image?
Seeber: Es werden von der Arbeiterkammer immer die gleichen Fälle von vor ein paar Jahren herausgesucht, das sind etwa 30 Stück. Die werden immer wie ein aufgewärmtes Gulasch aufs Tapet gebracht, sie werden uns jedes Jahr aufs Neue vorgehalten. Sicher gibt es hie und da unter den Arbeitgebern schwarze Schafe, aber die gibt es überall. Das ist ein wenig klassenkämpferisch, von dem sollte man wegkommen.

medianet:
Beginnt das Problem nicht in den Tourismusschulen, deren Absolventen so gut wie nie in der Branche bleiben?
Seeber: Das stimmt, doch dafür fällt mir keine Patentlösung ein. Die Drop-out-Quote ist sehr hoch. Unsere Tourismusschulen zählen zu den besten, was internationale Standards anbetrifft. Bei internationalen Hotelketten gibt es sehr viele Direktoren, die aus Österreich kommen. Aber im Mittelbau haben wir ein Problem. Das geht aber nicht nur uns, sondern vielen anderen Branchen so. Bei Absolventen von Tourismusschulen weiß man, dass sie sehr gut mit Menschen umgehen können. Deshalb findet man sie später dann in Banken, Versicherungen und der Immobilienbranche. Die ziehen uns die Leute ab.

medianet:
Wo sehen Sie die besten Lösungen für die Knappheit an Mitarbeitern? Müssen die Lohnnebenkosten runter, die Zuverdienstgrenzen hinauf?
Seeber: Vollzeitarbeit soll sich, im Vergleich zu Teilzeit, lohnen. Derzeit ist die Differenz beim Gehalt zwischen Teil- und Vollzeit sehr gering. Ein anderes Problem sind die Zuverdienstgrenzen, das sieht man am Beispiel der geflüchteten Ukrainer. Viele trauen sich nicht, zu arbeiten, da sie Angst haben, entweder die staatliche Unterstützung zu verlieren oder die Wohnung, die an eine Verdienstgrenze gekoppelt ist. Ich würde mich hier der Forderung von AMS-Chef Kopf anschließen, dass die Grundsicherung auf Sozialhilfe oder Mindestsicherung umgestellt wird, die an eine Arbeitswilligkeit gekoppelt ist. Die Situation jetzt ist ein Turbo-Programm für das Daheimbleiben.

medianet:
Wären höhere Gehälter eine Lösung, Incentives oder Vier-Tage-Woche für Mitarbeiter?
Seeber: Die meisten Betriebe halten für ihr Personal bereits Goodies bereit. Ohne das anzubieten, bekommt man heute gar keine Leute mehr. Den Beruf zu attraktivieren, ist das Gebot der Stunde.

medianet:
Ist das bei den derzeit hohen Kosten noch leistbar?
Seeber: Das ist ein Teufelskreis, denn wir, als Unternehmer, müssen hohe Energiekosten verkraften, der Wareneinsatz hat sich verteuert, und die Personalkosten sind etwa zehn Prozent gestiegen. Hinzu kommt noch die Zinsproblematik, wenn jemand einen laufenden Kredit bedienen muss. Deshalb sind viele Betriebe gezwungen, zuzusperren.

Die Corona-Hilfen, die vielen das Überleben gesichert haben, sind ausgelaufen. Ich befürchte, dass wir noch einige Insolvenzen aufgrund dieses Giftcocktails sehen werden. Und das werden vermutlich nicht wenige sein.


medianet:
Sollten die Arbeitszeitbestimmungen bei Saisonniers gelockert werden?
Seeber: Wenn jemand mehr arbeiten möchte, könnte man die Kosten für Überstunden entlasten. Aber es gibt jedes Jahr das Theater mit den Saisonnier-Kontingenten. Das wurde jetzt erhöht, aber ich bin der Meinung, dass man das für ein, zwei Jahre komplett freigeben sollte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir von Arbeitswilligen überrannt werden, denn in den früheren Ursprungsländern, wie Kroatien oder Ungarn, werden bereits gute Löhne bezahlt. Da kommt niemand mehr zu uns. Der Teich in Europa ist leer­gefischt.

medianet:
Sollte man sich dann auf dem asiatischen Markt umsehen? Als möglicher Personal-pool werden gerne die Philip­pinen genannt …
Seeber: Das würde mir sehr gut gefallen. Ich kenne die Diskussion nur aus der Pflege, aber auch für die Hospitality wäre das ein super Weg. Mir ist sympathisch, dass die Filippinos uns kulturell nahestehen und fast alle sehr gut englisch können. Ich befürchte nur, dass andere Nationen ebenfalls auf diese Idee kommen.

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