••• Von Britta Biron
Bei ihrem ersten Flug zur ISS Anfang des Monats hatte die SpaceX-Raumkapsel „Crew Dragon” zwar nur eine Puppe an Bord, NASA-Chef Jim Bridenstine sieht darin aber trotzdem den Beginn einer neuen Ära der bemannten Raumflüge. Die werden vorerst aber weiter nur den Profi-Astronauten vorbehalten bleiben. Urlaub im Weltraum bleibt bis auf Weiteres noch Science Fiction. In anderen Bereichen wurde diese von der Realität, oder konkreter gesagt, der virtuellen Realität, aber schon eingeholt.
Via Datenbrille kann man heute zum Beispiel schon Hotels und Kreuzfahrtschiffe besichtigen oder virtuelle Spaziergänge durch verschiedene Urlaubsorte unternehmen. Welche neuen und außergewöhnlichen Erfahrungen rund ums Reisen mittels Virtual und Augmented Reality sonst noch möglich sind, zeigt das Virtual Reality Lab der ITB (Stand Nr. 108 in Halle 10.2).
Besonders interessant ist dabei das Projekt des Luxemburger Hightech-Unternehmens Urban Timetravel, einem Spin-off der Digital Devotion Group (DDG) aus Kaiserslautern, das auf der ITB erstmals der internationalen Fachwelt präsentiert wird.
Wie der Firmenname schon nahelegt, geht es dabei um eine Reisevariante, die nach den im gesamten Universum geltenden physikalischen Gesetzen eigentlich unmöglich ist: um die Zeitreise.
Urban Timetravel …
Eine solche kann man seit Kurzem schon in Luxemburg im Rahmen einer Rundfahrt durch die Altstadt und das umliegende Pfaffenthal unternehmen. Per VR-Brillen entsteht vor den Augen der Teilnehmer der realistische Eindruck einer Kutschfahrt im Jahr 1867, während sie tatsächlich in einem modernen Bus sitzen.
„Wir sind derzeit die einzigen, die eine mobile VR-Tour anbieten”, erklärt Johannes Berdin, Software-Entwickkler bei Urban Timetravel und Projektmanager der Stadtrundfahrt 4.0, den wesentlichen Unterschied zu VR-Projekten in anderen Städten.
… schickt Citytouristen …
Programmiert wurde die exakte Nachbildung der Vergangenheit auf Basis von mehr als 1.000 historischen Dokumenten wie Fotos, Landvermessungskarten und Einwohnerregistern. „Gemeinsam mit Historikern haben wir Archive durchforstet und auch versucht, uns ein Bild von den Orten zu machen, wo wir keine schriftlichen oder visuellen Anhaltspunkte hatten”, so Berdin zum Entwicklungsprozess.
Zum Zeitreise-Projekt gehört auch eine Smartphone-App namens „VdL-AR”, die bei einem geführten Spaziergang durch die Luxemburger Altstadt Gebäude, wie beispielsweise das Rathaus, passgenau mit Bildern oder Filmen aus der Vergangenheit überblendet.
„Dank Virtual Reality hat man mehrere innovative Projekte verwirklichen und unserer Vision einer Smart City erheblich näher kommen können”, zeigt sich Luxemburgs Bürgermeisterin Lydie Polfer von den neuen Möglichkeiten begeistert. „Mit der DDG, die sich auf die Charakteristika unserer Stadt eingestellt hat, sind weitere gemeinsame Projekte geplant.”
… in die Vergangenheit …
Und auch andere Städte, wie zum Beispiel Stuttgart, Dubai, Katar, Boston und New Orleans haben bereits Interesse an Zeitreisen für Gäste signalisiert.
„Die funktionieren natürlich nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft. Unsere Grundidee ist es, durch verschiedene Zeitepochen zu springen”, sagt DDG-Chef Alexander Fridhi. Sofern ausreichend Datenmaterial vorhanden ist, ließen sich nicht mehr oder auch noch nicht existierende Bauten am Computer exakt nachbilden und virtuell in das bestehende Stadtbild integrieren.
„Unser klares Ziel ist es, das System in ein paar Jahren auch in den Weltmetropolen zu etablieren”, sagt Berdin.
… und die Zukunft
Rund um das Thema Virtual und Augmented Reality bietet die ITB auch ein interessantes Rahmenprogramm mit Expertenvorträgen und Diskussionen.
Zudem präsentiert sich auch das Messegelände als VR-Bühne. Das New Yorker Unternehmen Niantic, Erfinder des Smartphone-Spiels „Pokémon Go”, hat eigens für die Messe ein In-Game entwickelt, mit dem die Messebesucher die beliebten kleinen Monster jagen und dabei erfahren können, wie sich virtuelle Inhalte in die reale Welt einfügen.
Dass in absehbarer Zukunft Dank des rasanten Fortschritts der Technik nur noch virtuell verreist wird, scheint angesichts des weiter extrem hohen Interesses an realen Reisen derzeit – zum Glück für die Branche – unwahrscheinlich.