••• Von Alexander Haide
Elisabeth Zehetner, 48, hatte den Einstieg in die Politik nie geplant. Doch als die Mutter einer Tochter gefragt wurde, zögerte sie nicht, den Job als Staatssekretärin für Tourismus, Energie und Startups zu übernehmen.
Nach knapp einem Monat im Amt gibt sie im medianet-Interview Antworten auf die drängendsten Fragen – von der Konsumzurückhaltung bis zum Overtourism.
medianet: Sie sind seit 1. April Staatssekretärin für Tourismus. Können Sie, auch wenn es noch keine 100 Tage sind, eine erste Bilanz ziehen?
Elisabeth Zehetner: Es war eine sehr ereignisreiche Zeit. Am Tag nach der Angelobung begann die ITB, die Tourismusmesse in Berlin. Ich bin also bereits am zweiten Tag im Flieger gesessen und durfte eine kleine Pressekonferenz am Stand der Österreich Werbung geben. Das war schon einmal ein extremes Erlebnis und beeindruckend, so in den neuen Job zu starten.
medianet: War das ein Sprung ins kalte Wasser?
Zehetner: Die Messe ist nur einmal im Jahr und Deutschland ist, was die Gäste anbetrifft, der wichtigste Markt für uns. Es war die einmalige Chance, einen Großteil der Branche am ersten Arbeitstag vor Ort zu treffen. Ich war keine fünf Stunden im Amt und schon musste der nächste Tag organisiert werden. Deshalb war ich super happy, dass die Organisation geklappt hat. Es war auch ein Signal an die Branche, dass ich voll für und hinter dem Tourismus stehe.
medianet: Was hat Sie an der Position als Staatssekretärin für Tourismus gereizt?
Zehetner: Ich war schon überrascht, denn es war kein Teil meiner Lebensplanung in die Politik zu gehen. Als ich gefragt wurde, ob ich die Bereiche Energie, Startups und Tourismus übernehmen würde, passte das perfekt. Ich war in meiner Zeit in der Wirtschaftskammer nicht nur für das Gründerservice zuständig, sondern auch für das KMU-Service. 99 Prozent der Tourismusbetriebe sind KMUs. Ich habe mich intensiv mit dem Thema Betriebsnachfolge und der Übergabe beschäftigt. Da schließt sich der Kreis, denn gerade im Tourismus stehen 70 Prozent der Unternehmen in den kommenden Jahren vor der Übergabe.
Ich glaube, hier kann ich einiges an Knowhow mitbringen, denn das Ziel muss sein, dass wir viele junge Menschen davon überzeugen können im Tourismus zu bleiben, um den Generationenwechsel aktiv zu vollziehen.
medianet: Wie sehen Sie den Gesundheitszustand des heimischen Tourismus angesichts der multiplen Krisen?
Zehetner: Bei den Nächtigungen im Wintertourismus von November bis inklusive März gab es ein Minus von 0,7 Prozent, bei der Anzahl der Gäste aber ein Plus von 0,7 Prozent. Wenn wir bedenken, dass Ostern heuer sehr spät und damit in vielen Schigebieten bereits längst Saisonschluss war, zeigen die Zahlen, dass es ein sehr gutes Jahr war und wir an die Zeit vor Corona nahtlos anschließen konnten.
Schrauben, an denen wir tatsächlich drehen müssen, sind, dass wir nicht nur bei den Nächtigungen ein Plus verzeichnen können, sondern, dass am Ende des Tages auch ein Plus an Ertrag bei den Betrieben hängen bleibt. Hier gibt es, wie beim Rest der Wirtschaft, die Herausforderung, dass wir über hohe Lohnkosten, hohe Energiekosten und das Steigen der Lebensmittelpreise sprechen. Das kann nicht alles an den Gast weitergegeben werden.
medianet: Seit Corona wird immer wieder angemerkt, dass Touristen weniger Geld im Urlaub ausgeben, jetzt kommt noch die Wirtschaftskrise mit dem unberechenbaren Trump-Faktor hinzu. Wird die Zukunft für den Tourismus dadurch schwieriger, oder besteht für Österreich Hoffnung?
Zehetner: Wir müssen nicht hoffen, sondern wir können uns darauf verlassen, dass wir in den kommenden Jahren eine der Top-Destinationen sein werden. Das belegen alle Zahlen.
Zudem wollen die Menschen weiterhin Geld für den Urlaub ausgeben. 40 Prozent wollen gleich viel Geld wie im Vorjahr ausgeben und 30 Prozent sogar mehr. Das ist ein gutes Signal.
medianet: Es wird aber seit Corona weniger Geld an den Destinationen ausgegeben.
Zehetner: Die Menschen sparen nicht beim Urlaub per se, aber überlegen sich im Rahmen des Aufenthalts, ob sie die eine oder andere Konsumation auslassen oder beim Shopping sparen. Grundsätzlich ist der Ausblick auf den Sommer sehr positiv.
medianet: Stichwort Overtourism. Viele Städte, wie Wien oder Salzburg, stöhnen unter Besuchermassen. Wie sieht die Lösung aus? Zutritt zu Städten nur mit Eintrittsgebühr à la Venedig?
Zehetner: Etwa in der Vorweihnachtszeit ist es überall voll, auch in nichttouristischen Hotspots. Es geht darum, Angebote verstärkt bewusst zu machen. Wenn es 15 Weihnachtsmärkte gibt und die Menschen das auch wissen, können sie gleichmäßig verteilt werden. Dabei hilft die Digitalisierung. Wenn ich die Mona Lisa in Paris sehen möchte, kann ich einen Besucherslot buchen und werde nicht in einer langen Warteschlange stehen. Hier müssen wir uns ansehen, welche Lösungen in anderen Städten bereits vorhanden sind.
In Österreich gibt es nur sehr wenige wirkliche Hotspots, wo es zu großen Herausforderungen kommt. Dort müssen wir alle Instrumente und Best Practice-Beispiele nutzen um herauszufinden, wie man gegensteuern kann. Das geschieht in den betroffenen Gebieten schon heute. Man muss in manchen österreichischen Museen bereits Slots buchen und erspart sich damit die Wartezeit.
Am Ende des Tages kann aber der Bund nicht entscheiden, was für den einzelnen touristischen Ort die geeignete Lösung ist, sondern wir können nur Anregungen liefern. Die Entscheidung muss vor Ort getroffen werden.
Klar ist aber, dass der Tourismus immer von der lokalen Bevölkerung akzeptiert werden muss und der Einheimische muss mit den Rahmenbedingungen, unter denen Tourismus stattfindet, zufrieden sein. Da gibt es schon Verbesserungspotentiale wie Mobilitätskonzepte. Wir müssen uns auch auf europäischer Ebene darüber unterhalten, wie wir den Schienenverkehr besser kombinieren und die Letzte Meile schließen können. Es gibt viele Ansätze und wir werden pragmatisch an allen Schrauben drehen müssen.
medianet: In Zeiten des Klimawandels steht der österreichische Tourismus vor gravierenden Veränderungen. Die Gletscher schmelzen rascher als erwartet und mittelfristig wird es weniger Schnee in den Schigebieten geben. Manche österreichische Seen, wie der Neusiedler Sees, sind durch geringere Niederschläge gefährdet. Wie muss sich der heimische Tourismus aufstellen?
Zehetner: Ich würde nicht sagen, dass natürliche Ressourcen wegbrechen, sondern es findet durch die Erderwärmung und den Klimawandel eine Veränderung statt. An diese Veränderung müssen wir uns ordentlich anpassen.
Schifahren wird auch in 50 Jahren noch ohne Probleme möglich sein, aber eben in höheren Lagen. Schigebiete in niedrigeren Lagen müssen überlegen, was eine verkürzte Saison für sie bedeutet. Es gibt den Wintersportgast, aber vielleicht gibt es neue und andere Attraktionen, die gleichzeitig angeboten werden können.
Andererseits profitieren etwa die Kärntner Seen durch eine Saisonverlängerung und es besteht keine Gefahr, dass der Millstätter oder Klopeiner See austrocknen. Wir müssen uns an die Veränderungen anpassen, vorausschauend denken und uns vorbereiten.
In der kommenden Ausgabe lesen Sie Teil zwei des Interviews mit Elisabeth Zehetner. Thema ist der Fachkräftemangel im Tourismus.