Investoren schätzen die heimische Wirtschaft
© Panthermedia.net / Monsit
FINANCENET Redaktion 10.06.2022

Investoren schätzen die heimische Wirtschaft

EY Attractiveness Survey belegt einen neuerlichen Spitzenwert für ausländische Direktinvestitionen.

••• Von Reinhard Krémer

WIEN. Österreich ist beliebt bei Investoren: Die Investitionen sind gegenüber 2020 im vergangenen Geschäftsjahr um über ein Drittel (35%) gestiegen, von 76 auf 103. Das sind die Ergebnisse des 20. „EY Attractiveness Survey” der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY zur Attraktivität des Wirtschaftsraums Europa und zu tatsächlichen Investitionsprojekten ausländischer Unternehmen in Europa. Deutsche Unternehmen erwiesen sich im vergangenen Jahr einmal mehr als Investitionsmotor in Europa: Insgesamt 661 Investitionen führten sie im europäischen Ausland durch, das entspricht einem Anstieg um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Mehr Investitionen – insgesamt 1.167 Projekte – führten nur US-Unternehmen durch. Wirft man einen Blick auf Österreich, so zeigt sich, dass auch hierzulande vor allem die deutschen Nachbarn investierten – 2021 waren es 52 Investitionen (2020: 34, 2019: 24).

USA haben die Nase vorn

Jedoch auch in Österreich hatten die USA die Nase recht weit vorne und belegten 2021 den zweiten Platz im Investitionsranking (2021: 9, 2020: 11, 2019: 13). Auf den weiteren Plätzen folgten die Schweiz, die Niederlande sowie Japan und Italien. Deutschland war für heimische Investoren unangefochten am attraktivsten – denn die meisten österreichischen Investitionen wurden innerhalb der deutschen Landesgrenzen getätigt (2021: 29, 2020: 31, 2019: 30). Auf Platz zwei folgte Großbritannien (2021: 18), danach die Türkei (2021: 15), Russland (2021: 12) sowie Frankreich (2021: 11).

Während die Auslandsinvestitionen 2019 und 2020 sanken (von 107 Projekten auf 99 Projekte), war 2021 wieder ein Anstieg zu beobachten – Österreichs Unternehmen investierten insgesamt in 126 ausländische Projekte. „Für den Investitionsstandort Europa wird das Jahr 2022 zu einer Bewährungsprobe: Angesichts des Krieges in der Ukraine ist zu befürchten, dass die Investitionstätigkeit in den osteuropäischen Ländern zurückgehen und es im gesamten europäischen Raum zu Verschiebungen kommen wird”, sagt Gunther Reimoser, EY Österreich.

Der Westen ist dynamischer

Im Osten Europas wurden 2021 etwa so viele Investitionsprojekte gezählt wie im Vorjahr – der pandemiebedingte Rückgang von 2020 konnte also nicht aufgeholt werden.

Anders verlief die Entwicklung im Westen und Süden des Kontinents; hier stieg die Zahl der Investitionsprojekte um sechs Prozent.
„Wir werden in den kommenden Jahren verstärkt Investitionen europäischer Unternehmen in Europa sehen. Davon dürfte der Industriestandort Europa profitieren – in Form zusätzlicher Investitionen vor allem in den Bereichen Produktion und Logistik. Der Heimatmarkt gerät wieder stärker in den Fokus – auch als Produktionsstandort”, erklärt Reimoser.
Die meisten südeuropäischen Länder profitieren von der Verlagerungsdynamik, der Regionalisierung der Lieferketten und der Kostensenkung, wie die guten Entwicklungen in Portugal, Italien und der Türkei sowie (mit Einschränkungen) in Spanien zeigen. Im europäischen Städte-Ranking konnte London zwar den ersten Platz behaupten, verlor aber im Vergleich zum Vorjahr deutlich an Zustimmung.

London auf Platz eins

Nach 43% im Vorjahr bezeichneten derzeit nur noch 34% London als einen der drei Top-Standorte in Europa. Im Gegenzug gewann Paris erheblich an Attraktivität (von 18 auf 28%) und ließ Frankfurt (Rückgang von 23 auf 21%) hinter sich.

Einen kräftigen Imagegewinn konnte Dublin verbuchen – vermutlich eine Folge des Brexits: Der Anteil der Nennungen stieg von sechs auf 17%, Berlin belegte mit acht Prozent Platz 13, Wien liegt mit fünf Prozent auf Platz 16.

Transport und Logistik vorne

Die Entwicklung verlief im vergangenen Jahr je nach Branche sehr unterschiedlich: Einem massiven Anstieg in der Fahrzeugindustrie (+65%) und im Bereich Transport & Logistik (+96%) stand ein kräftiger Rückgang bei Unternehmensdienstleistungen (–19%) gegenüber.

„Software & IT Dienstleistungen” war mit 25 Investitionen in Österreich die begehrteste Zielbranche der Investoren, gefolgt von der europaweiten Nummer eins, „Transport & Logistik”, mit 13 Investitionen.
Die Pharma-Branche, die im Jahr 2020 ihre Aktivitäten erheblich – um 62% – gesteigert hatte, hielt 2021 ihr Engagement in Europa relativ stabil, die Zahl der Investitionsprojekte ging nur um vier Prozent zurück (Österreich 2020: neun Investitionen, 2021: acht Investitionen).
Damit lagen die Investitionen in diesem Sektor weiterhin deutlich über dem Niveau, das vor der Pandemie üblich war. Die Digitalbranche – dazu zählen etwa Digital-Start-ups, Software-Entwickler, Anbieter von Online-Plattformen – war im vergangenen Jahr nicht nur für die meisten Investitionsprojekte in Europa verantwortlich; in dieser Branche wurden auch die meisten neuen Stellen angekündigt – und zwar 74.331.
Auf dem zweiten Platz lag die Automobil- und Fahrzeugindustrie mit 58.674 neuen Stellen.
In Österreich wurden durch ausländische Investitionsprojekte 2021 3.692 Arbeitsplätze geschaffen; 2020 waren es nur 1.057. Doch nicht nur im Inland kurbelte Österreich den Jobmotor an, denn österreichische Unternehmen haben im europäischen Ausland im Vorjahr 5.424 Arbeitsstellen ermöglicht.

Robuste Digitalbranche

„Im Vergleich zur Gesamtwirtschaft steckt die Digitalbranche die Belastungen wie den russischen Angriffskrieg, unterbrochene Lieferketten und schnell steigende Inflation besser weg – was sie zu einem attraktiven und scheinbar sicheren Investitionsziel macht”, sagt Reimoser.

Durch die hohen Investitionen sind Unternehmen dazu in der Lage, weiterzuwachsen und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Einziger Wermutstropfen: Der IT-Fachkräftemangel hat die österreichische Wirtschaft weiterhin fest im Griff – viele der neuen Stellen werden unbesetzt bleiben, so EY-Experte Reimoser.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL