Der Gender Investment Gap in der österreichischen Start-up-Szene bleibt auch im ersten Halbjahr 2025 eklatant. Von den insgesamt 153 Gründern, deren Start-ups in diesem Zeitraum eine Finanzierungsrunde abschließen konnten, waren nur elf Frauen – das entspricht einem Anteil von rund sieben Prozent und bedeutet einen Rückschritt gegenüber dem Vorjahreswert von elf Prozent.
Besonders drastisch zeigt sich die Ungleichverteilung beim investierten Kapital: 98,1% des Finanzierungsvolumens bei Start-ups mit namentlich bekannten Founding Teams entfielen auf rein männlich besetzte Teams – ein starker Anstieg im Vergleich zu 75,7% im ersten Halbjahr 2024. Der Anteil gemischter Teams sank im Gegenzug von 24,2% auf nur noch 1,3%. 0,6% des Kapitals floss an rein weibliche Teams – ähnlich wenig wie im Vorjahreszeitraum (0,2%).
Negative Trendumkehr
Diese Entwicklung steht in engem Zusammenhang mit der derzeitigen Zurückhaltung vieler Investoren: Der positive Diversitätstrend aus dem Vorjahr hat sich damit zumindest vorübergehend wieder umgekehrt. Das zeigt der Female Start-up Funding Index H1/2025, den EY Österreich, Female Founders und Fund F gemeinsam erstellt haben. Die Analyse berücksichtigt Start-ups mit Sitz in Österreich, die im Zeitraum Jänner bis Juni 2025 eine Finanzierungsrunde positiv abgeschlossen haben.
„Die Zahlen zeigen, wie tief das Ungleichgewicht im Ökosystem verankert ist. Wenn fast das gesamte Kapital an rein männliche Teams geht, muss man klar sagen: Der Gender Investment Gap ist strukturell – und kein Randphänomen“, sagt Florian Haas, Head of Start-up bei EY Österreich. „Viele Investoren setzen derzeit vor allem auf Sicherheit und investieren in bekannte Gründerteams. Das ist nachvollziehbar – aber diese Bekanntheit ist historisch männlich geprägt. Wer Vielfalt will, muss bewusst anders investieren.“
Testosteron dominiert
Von den 65 Start-ups, die im ersten Halbjahr 2025 eine Finanzierungsrunde abschließen konnten, hatten 54 (83%) ein ausschließlich männlich besetztes Gründungsteam. Zehn Teams (23%) waren gemischt, ein einziges (2%) ausschließlich weiblich besetzt.
Deutliche Unterschiede gibt es je nach Branche: Der Frauenanteil unter den Gründern mit abgeschlossener Finanzierungsrunde war in den Bereichen PropTech (25%) und Media & Entertainment (20%) am höchsten, wo jeweils mehr als jede fünfte Person im Gründungsteam weiblich war.
In FinTech, InsurTech, DeepTech und anderen technischen Segmenten waren keine Frauen unter den Gründern mit abgeschlossener Finanzierungsrunde.
Rendite bleibt ungenutzt
„Wer heute Gründerinnen unterfinanziert, lässt Rendite auf dem Tisch liegen – denn Diversität in Gründungsteams ist kein ‚Nice to have‘, sie ist der stärkste Wachstumshebel. Studien zeigen: Wenn wir den Gender Gap im Entrepreneurship in der EU schließen, könnte das jährliche EU-BIP um bis zu 6,2% steigen. Was wir aktuell erleben – und was auch dieser Bericht zeigt –, ist ein strukturelles Marktversagen“, sagt Natascha Fürst, CEO von Female Founders.
Nur in der Frühphase präsent
Gründerinnen sind in der österreichischen Start-up-Finanzierungslandschaft nahezu ausschließlich in der Frühphase präsent: Bei Finanzierungsrunden von bis zu einer Million Euro liegt der Frauenanteil unter den Gründenden bei immerhin zwölf Prozent – ein im Vergleich zu anderen Kategorien höherer Wert. Doch bereits bei mittleren Finanzierungsrunden nimmt der Anteil stark ab – und bei großen Tickets von 10,1 bis 50 Mio. € sowie mehr als zehn Mio. € war bisher in 2025 keine einzige Frau unter den Gründern vertreten.
Der gläserne Plafond
Damit zeigt sich deutlich: Frauen gelingt der Einstieg ins Ökosystem zunehmend besser – doch der Aufstieg bleibt blockiert. Der Zugang zu Kapital funktioniert für weibliche Gründungsteams bislang nur in frühen Phasen – bei der Skalierung und in kapitalintensiven Wachstumsphasen bleiben sie strukturell außen vor.
„Wer Teil der Lösung des Gender Gap sein will, muss schon heute gezielt in weiblich geführte Start-ups investieren. Denn diese Unternehmen leisten weit mehr als wirtschaftlichen Erfolg: Sie wirken als Katalysatoren für soziale Veränderung“, so Fürst.
„Sie stellen mehr Frauen ein, unterstützen andere Gründerinnen und treiben nachhaltige Innovationen voran. Bei Female Founders arbeiten wir täglich an der Beseitigung der drei größten Hürden: fehlender Vereinbarkeit, tief verwurzelten Vorurteilen gegenüber Frauen in Tech und dem Mangel an weiblichen Vorbildern. Unser Appell ist klar: Die Zeit zu handeln ist jetzt“, sagt die Female Founders-CEO.
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