Heuschnupfen, Asthma, tränende Augen, Hautausschläge – die Allergiesaison hat begonnen. Mindestens ein Viertel aller Österreicherinnen und Österreicher ist davon betroffen, und bisher konnte die Medizin nur die Symptome lindern. Nicht einmal die Ursachen für Allergien sind vollkommen ergründet. Doch die Entschlüsselung der Ursachen und Mechanismen von Allergien macht enorme Fortschritte. Und Österreichische Forscher sind hier auch international durchaus tonangebend.
Breite Forschung in Österreich
Rudolf Valenta etwa ist Pathologe und Professor für Allergologie an der Medizinischen Universität Wien und forscht seit über 20 Jahren über die Ursachen von Allergien und wie die Diagnostik sowie die Behandlung verbessert werden können. Zusammen mit seinem Team hat er eine Impfung gegen die Gräserpollenallergie entwickelt, die derzeit in der letzten pharmazeutischen Prüfphase ist. Partner ist das Wiener Biotech-Unternehmen Biomay, das mit Valenta seit vielen Jahren daran arbeitet, neue, besser wirksame und deutlich sicherere Allergie-Impfstoffe auf der Basis neuartiger Technologien zu entwickeln. Das Ziel ist eine prophylaktisch wirkende Vakzine auf der Basis der Auslösung einer schützenden Immunantwort durch Immunglobulin G-Antikörper (IgG). Basierend auf der gleichen Technologie-Plattform, entwickelt Biomay zusätzlich Impfstoffe für andere wichtige Allergien wie Hausstaubmilbe, Ragweed, Birke und Katzenhaar.
Hauptstrategie der aktuellen Forschung ist die Schaffung synthetischer Allergene, deren Moleküle dann in hochreiner Form, fixer Konzentration und einzeln verfügbar sein sollen. Biomay war und ist auch langjähriger Partner gleich mehrerer Christian Doppler-Labors (CD), die im Bereich Allergie in Österreich forschen. So forschte etwa das CD-Labor für Entwicklung von Allergenchips an Untersuchungssystemen, die mehrere Einzelreaktionen mit kleinsten Mengen biologischen Probenmaterials erlauben. Für den klassischen Hauttest werden bisher Proben aus Naturquellen verwendet, was zum gemeinsamen Vorkommen mehrerer Allergene führt. Selbst bei einer allergischen Reaktion gegen eine solche Probe ist nicht immer gesichert, dass diese Reaktion gegen deren Hauptbestandteil und nicht gegen eine Verunreinigung gerichtet war.
In der Vergangenheit war die Bestimmung eines Allergens, auf das der Körper reagiert, schwierig und potenziell mit Fehlern behaftet, da mit Allergenextrakten, wie beispielsweise mühevoll gewonnenen Birkenpollen, gearbeitet wurde. Diese natürlichen Extrakte erhalten allerdings häufig zahlreiche, verschiedene Allergene sowie, je nach Präparation, variierende Mengen der einzelnen, krankheitsverursachenden Allergene. Um einen guten Behandlungserfolg zu erzielen, ist es jedoch wichtig, herauszufinden, auf welches spezifische Allergen der Körper reagiert, um sich in der Therapie genau auf dieses Allergen konzentrieren zu können.
Eigene Diagnostik
Im CD-Labor für Immunmodulation wird an der Regulierung und Blockierung von immunologischen Reaktionen geforscht. Im Mittelpunkt steht die Untersuchung der Reaktionen sogenannter T-Zellen, die für allergische Reaktionen ursächlich sind. T-Lymphozyten sind spezielle weiße Blutkörperchen, die eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Allergien spielen. Sie induzieren die Produktion von sogenannten IgE-Antikörpern, die Allergene erkennen und allergische Reaktionen auslösen.
Im CD-Labor für Allergiediagnostik und Therapie wird an hochwirksamen und nebenwirkungsarmen Diagnostikmitteln und Impfstoffen für Allergien geforscht. Die Herstellung durch gentechnische Methoden bietet umfassende Möglichkeiten, ihre Wirkung gezielt zu steuern. Rekombinante Allergene sind gentechnisch hergestellte Proteine, die für die Allergietherapie und -prophylaxe eingesetzt werden können. Im Gegensatz zu natürlich gewonnenen und extrahierten Allergenen sind rekombinante Allergene frei von Verunreinigungen mit anderen Allergenen. Damit sind sie ideal geeignet für eine exakte Diagnose und eine zielgerichtete Therapie.
Das CD-Labor für Allergieforschung wiederum forscht an Impfstoffen für die Behandlung von allergischem Asthma. Erfolg versprechende Impfstoffkandidaten werden auf Basis der Peptidsynthese hergestellt. Impfungen mit Peptiden, die Allergien auslösen können, tragen dazu bei, den Körper zu desensibilisieren und allergische Reaktionen zu vermeiden. Eine chemische Synthese solcher Allergene bietet gegenüber einer Aufreinigung aus Naturstoffen einen signifikanten Vorteil: Die Allergene liegen in reiner Form vor, wodurch ungewollte Reaktionen vermieden werden können. Zur Herstellung von geeigneten Impfstoffen gegen Asthma-auslösende Allergene wird die Peptidsynthese eingesetzt.
Enormer Markt für Therapien
Der Markt für die Entwicklungen ist enorm: Mehr als drei Mio. beziehungseise 40% aller Österreicher und Österreicherinnen sind von Immunerkrankungen betroffen. Rund drei Viertel davon – das sind mehr als zwei Mio. Menschen – haben sich mit Allergenen sensibilisiert. Ein Gutteil davon leidet zumindest zeitweilig an manifesten Allergien. Pharmafirmen liefern sich nicht zuletzt deshalb einen Wettlauf um den Markteintritt der ersten Impfungen gegen Pollen, wie sich zuletzt im vergangenen Herbst beim europäischen Immunologie-Kongress (ECI) in Wien zeigte, bei dem 4.000 Immunologen neue Entwicklungen diskutierten.
Österreich und Wien haben dabei auch eine große Tradition in der immunologischen Grundlagenforschung, aber auch in der klinischen Immunologie. So beschrieb der österreichische Kinderarzt Clemens von Pirquet vor rund 100 Jahren als erster die Allergie. Haben Pirquet und seine Zeitgenossen diesen Begriff noch weiter gefasst und von der Serumkrankheit, die nach wiederholter Verabreichung von an sich schützenden, tierischen Hyperimmunseren eintreten kann, abgeleitet, fasst man heute unter dem Begriff „Allergie” die mit der Antikörperklasse E (IgE)-assoziierten allergischen Erkrankungen zusammen. IgE stellen eine Antikörperklasse dar, die im Körper für die Vermittlung von allergischen Reaktion verantwortlich sind.
Findet man allergen-spezifische IgE im Serum einer Person, spricht man von einer Sensibilisierung. Diese speziellen Eiweißstoffe sind im Blut und in anderen Körperflüssigkeiten zu finden und sollten den Körper eigentlich vor Wurmerkrankungen, Tiergiften und Ähnlichem schützen. Im Rahmen der allergischen Sensibilisierung und Erkrankung sind IgE Antikörper jedoch gegen an sich harmlose, meist Eiweißstoffe aus der Umwelt wie Pollen, Nahrungsmittel oder Hausstaubmilben gerichtet. Bei Kontakt mit den sensibilisierenden Allergenen kann es dann rasch zu allergischen Symptomen kommen.
Ein weiterer großer Immunologe Österreichs ist übrigens der Nobelpreisträger Karl Landsteiner. Er gilt als Entdecker der Blutgruppen und des Rhesusfaktors und legte damit den Grundstein für den Einsatz von Bluttransfusionen, aber auch der Behandlung der Rhesusfaktorunverträglichkeit bei werdenden Müttern. Landsteiners Erkenntnisse haben Millionen Menschen das Leben gerettet und vielen Kindern, welche von Partnern mit kritischen Rhesusfaktor-Konstellationen hervorgegangen sind, ein gesundes Leben ermöglicht.
Pollen-App hilft Allergikern
Geforscht wird auch in anderen Bereichen: In Zukunft könnte es zudem ganz exakte, persönliche Reisewarnungen für Pollen-Allergiker geben – und das europaweit. Der an der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten der Medizinuniversität Wien angesiedelte Pollenwarndienst hat eine Pollenflug-Belastungslandkarte entwickelt, um Allergiker besser warnen zu können. Mithilfe des Pollentagebuchs und speziellen Apps, die in zahlreichen europäischen Ländern bereits Tausende Betroffene nutzen, werden die Schwellenwerte ermittelt und zugänglich gemacht.
Das Ziel dabei ist, Allergiker ganz personalisiert warnen zu können - auch mit Unterstützung einer neuen, personalisierten und kostenlosen Pollen-App (Download auf www.pollenwarndienst.at und www.polleninfo.org). Auf Basis von ganz persönlichen Allergie-Symptomdaten erfolgt dabei eine allgemeine Vorhersage für die bevorstehenden Tage direkt aufs Handy der Betroffenen. Partner ist hier auch die Industrie. Nach Angaben des Pollenwarndienstes sind das die Pharmaunternehmen ALK Abelló, Lectranal, Sanofi, Phadia, Stalergenes sowiecder Technikriese Philips.