Ausgaben steigen: Länder suchen Rezept für Kliniken
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HEALTH ECONOMY Martin Rümmele 22.03.2019

Ausgaben steigen: Länder suchen Rezept für Kliniken

Ein Rezept für die wachsenden Spitalsausgaben fehlt; die Länder versuchen deshalb verschiedenste Modelle.

••• Von Martin Rümmele

Gestiegene Personalkosten aufgrund der Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie, steigende Ausgaben durch neue Therapien und eine wachsende Inanspruchnahme aufgrund der demografischen Entwicklung führen in den Bundesländern zu steigenden Defiziten bei den Krankenhäusern. Diese müssen genauso wie etwa 50% der Gesamtkosten von den Ländern und Gemeinden getragen werden. Die Krankenkassen zahlen einen gedeckelten Fixbeitrag, gemessen an ihren Einnahmen – in Summe etwa ein Drittel der Kassenbudgets. Kommen die Krankenhäuser damit nicht aus, müssen die Träger die Defizite decken. Das reißt in den Ländern immer größere Löcher in Budgets. Die Suche nach Auswegen und Reformen gestaltet sich als schwierig. Kürzungen im Spitalsbereich oder gar die Schließung von Standorten kommen bei der Bevölkerung, aber auch den Beschäftigten im System nicht gut an. Zwar sollen künftig Primärversorgungseinheiten mit längeren Öffnungszeiten im allgemeinmedizinischen Bereich Spitalsambulanzen entlasten, doch eigentlich sind diese gedacht, um die Versorgung im niedergelassenen Bereich zu verbessern. Dort fehlen zunehmend Ärzte, und der Nachwuchs will künftig weniger allein als vielmehr im Team arbeiten. Gleichzeitig fehlt nach wie vor ein Gesamtvertrag für die neuen Primärversorgungseinheiten. Kurz: Die neuen Systeme werden vielerorts zum Wunderinstrument, von dem niemand eigentlich genau weiß, wie es aussieht.

Heftige Debatten

Sichtbar wurde das dieser Tage erneut in der Steiermark, wo die Bevölkerung im Bezirk Liezen Sturm läuft gegen die geplante Zusammenlegung der Krankenhäuser Bad Aussee, Schladming und Rottenmann an einem neuen Standort. Gleichzeitig soll es in den Städten aufgewertete Primärversorungszentren geben. Bei einer Podiumsdiskussion in Liezen verteidigte der zuständige Gesundheitslandesrat Christopher Drexler (ÖVP) eine Pläne für ein „tatkräftiges Leitspital”. An den drei bisherigen Spital­standorten werde es ein Gesundheits- und Facharztzentren mit ambulanter Versorgung geben. Drexler musste aber einräumen, nicht alle Fragen – besonders jene zum Zeitplan – beantworten zu können. „Die neue Struktur wird 2025 laufen, da wird sich natürlich das eine oder andere noch verändern.”

Neue Wege in Tirol

Auch in Tirol arbeitet man an neuen Lösungen. Mit dem „Regionalen Strukturplan Gesundheit 2025” (RSG) will das Land die Spitalsstrukturen im Land reformieren. Ziel sei es, die Krankenhäuser zu entlasten und die Kosten zu dämpfen, erklärt ÖVP-Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg. U.a. sollen die medizinischen Leistungen des Krankenhaus Natters nach Innsbruck und Hall verlegt werden; der Gesundheitslandesrat gibt dabei für alle Mitarbeiter eine Jobgarantie ab, sie sollen in Innsbruck und Hall eingesetzt werden.

Die Verlegung ist Teil eines Maßnahmenkatalogs für alle Tiroler Spitäler, der gemeinsam mit dem steirischen Gesundheits-Beratungsunternehmen EPIG ausgearbeitet wurde. Der RSG 2025 sieht unter anderem eine Anpassung der stationären Bettenstrukturen vor. So könnten Betten auf nicht ausgelasteten Stationen gestrichen und in Tages- oder Wochenklinik-Betten umgewandelt werden, erklärte Tilg. Nach der Reform könnte es tirolweit nach einer groben Schätzung rund 200 stationäre Spitalsbetten weniger geben. Dafür sollen die Strukturen beispielsweise in der Übergangspflege ausgebaut werden. Zudem soll an allen Spitälern ein ambulantes Erstversorgungszentrum aufgebaut werden. Auch die Etablierung von Primärversorgungseinheiten sei geplant, meinte Tilg. Von einem Sparprogramm könne aber nicht die Rede sein, so der Gesundheitslandesrat. Er wollte die Umstrukturierungen eher als einen „Schub der Modernisierung” verstanden wissen.

Allgemeinmedizin im Spital

Über neue ambulante Strukturen denkt man auch in Wien nach, die Ambulanzstruktur in den Wiener Spitälern soll dazu neu organisiert werden. Konkret sind mittelfristig in allen Stadt-Krankenhäusern sogenannte Erstversorgungsambulanzen vorgesehen, teilte Bürgermeister und Parteichef Michael Ludwig bei der Klubtagung der Wiener SPÖ mit. Sie sollen die Fachambulanzen entlasten. Die Idee: Sämtliche Patienten – ausgenommen Notfälle – werden in der Erstversorgungsambulanz empfangen und von Ärzten begutachtet. Dann wird über das weitere Prozedere entschieden, wobei von der Verschreibung von Medikamenten oder einer allgemeinmedizinischen Erstversorgung über die Weiterleitung an den niedergelassenen Bereich bis hin zu einer stationären Aufnahme im Krankenhaus alles möglich sei, erklärte ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Zu den einzelnen Fachambulanzen soll man nur noch gehen können, wenn man einen Termin hat oder von der Zentralambulanz dorthin weiterverwiesen wird.

Lob und Kritik in Wien

Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres begrüßte den Schritt der Stadt Wien und hofft, „dass man sich am Erfolgsmodell AKH orientieren wird”. Dort gibt es bereits den Spitalsambulanzen vorgelagerte Allgemeinmedizinische Akutordinationen. Gleichzeitig erhöht die Wiener Ärztekammer den Druck auf die Politik: Die Interessensvertretung fordert mindestens 300 Spitalsärzte mehr. Um der Bevölkerung die möglichen Folgen vor Augen zu halten, falls es nicht zu dieser Aufstockung kommt, hat die Kammer eine neue Kampagne gestartet. Dabei wird sogar eine Straßenbahn mit dem provokanten Slogan „Ärztemangel kann tödlich sein” durch die Stadt touren. „Wir Spitalsärzte arbeiten am äußersten Limit”, warnte der Vizepräsident der Kammer und Obmann der Kurie der angestellten Ärzte, Wolfgang Weismüller.

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