••• Von Katrin Waldner
WIEN. Der Kostendruck im Gesundheitswesen bremst den jahrelangen Höhenflug der Biotech-Branche. Das zeigen die Ergebnisse einer Analyse, die das Beratungsunternehmen EY nun vorlegte. Während der vergangenen drei Jahre eilten die global operierenden Biotech-Unternehmen von Rekord zu Rekord: die Umsätze in Europa und den USA stiegen allein 2015 um 13 Prozent auf 132,7 Mrd. USD (116,6 Mrd. €). Doch seit dem vergangenen Sommer ging die Marktkapitalisierung um ein Viertel zurück.
Kommunikation mit Kassen
Die Zahlen im laufenden Jahr würden an Schwung, die Investoren an Interesse verlieren. Den Grund dafür macht EY beim „zunehmenden Preisdruck wegen immer aggressiverer Maßnahmen der Krankenkassen und weiterer Kostenträger” aus. Sie stören sich also daran, dass aus Sicht der Konsumenten viele Medikamente zu teuer sind. Angesichts dieser Entwicklung müssten Biotech-Firmen Kostenträgern, Ärzten, Patienten und der Öffentlichkeit den Wert ihrer Produkte klar vor Augen führen, so der Ratschlag von EY an Biotech-Unternehmen. EY rät den Firmen, beispielsweise Krankenkassen oder staatliche Zulassungsbehörden schneller von der Wirksamkeit ihrer Therapien zu überzeugen. Zudem sollten sie ihre Geschäftsmodelle auf weniger, dafür erfolgsversprechendere Bereiche fokussieren.
In Österreich reagiert die Branche unter anderem mit der Gründung eines eigenen Biosimilarsverband Österreich (BiVÖ). „Die Schaffung von nachhaltigen Rahmenbedingungen für Biosimilars in Österreich ist dringend notwendig”, erklärt Sabine Möritz-Kaisergruber, Präsidentin des neuen Verbandes. Biosimilars sind nach dem Patentablauf nicht vom Ersthersteller produzierte Biopharmazeutika – ähnlich den Generika. Sie sind in Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität gleichwertig zu ihren Referenzprodukten und ermöglichen Einsparungen, heißt es beim BiVÖ: „Mithilfe von Biosimilars kann das österreichische Gesundheitssystem nachhaltig und mit modernster Arzneimittelqualität entlastet werden”, sagt Möritz-Kaisergruber.
Die bevorstehenden Patentabläufe von Biologika würden dazu führen, dass neben den bestehenden Anbietern weitere Unternehmen Biosimilars entwickeln und auf den Markt bringen. „Wir rechnen in den kommenden zwei Jahren mit mindestens fünf verschiedenen bedeutenden Substanzen, teilweise sogar von mehreren Anbietern”, führt Möritz-Kaisergruber aus: „Mit der Gründung des BiVÖ bieten wir Unternehmen eine starke und freiwillige Interessensvertretung. Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass durch den Einsatz von Biosimilars, bei nachgewiesener Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität, in Österreich bis 2020 Einsparungen von 300 Mio. Euro möglich sind. Ärzte, Apotheker und politische Entscheidungsträger sollen dieses Potenzial richtig einschätzen und berücksichtigen.”
Österreich hinkt nach
Momentan hinke das österreichische Gesundheitssystem in der Erstattung anderen europäischen Ländern hinterher. Österreich habe kein auf Biosimilars zugeschnittenes Preiserstattungssystem. „Dies hat zur Folge, dass einzelne Biosimilars gar nicht am österreichischen Markt verfügbar sind”, erzählt Erika Sander, Geschäftsführerin des Gesundheitstechnologie- und Marktforschungsunternehmens IMS Health. Um das Einsparungspotenzial nutzen zu können, brauche es aber ein Preiserstattungsmodell, das die deutlichen Unterschiede im Entwicklungs- und Herstellungsaufwand zwischen Biosimilars und Generika berücksichtigt.
Biologika sind wichtig für die moderne Medizin und gewinnen immer mehr Bedeutung – sei es in der Behandlung von Krebs, Wachstumsstörungen, Diabetes mellitus, Anämie, Fertilitätsstörungen, Multiple Sklerose oder Rheumatoide Arthritis. „Der Bedarf nach hochwirksamen Biologika ist groß, der Markt wächst kontinuierlich. 2015 ist der Umsatz in Österreich um 4,1 Prozent auf 317 Mio. Euro gewachsen. Der globale Biologikamarkt wird 2020 rund 360 Mio. betragen und 28 Prozent des Pharmamarktwerts ausmachen. Die Gesundheitssysteme der fünf größten EU-Länder könnten sich durch Biosimilars insgesamt 10 Mrd. Euro bis zum Jahr 2020 ersparen. Da die Patentrechte zahlreicher biologischer Arzneimittel mittlerweile abgelaufen sind oder in naher Zukunft ablaufen, werden Biosimilars für die breite Versorgung von Patienten immer bedeutender”, betont Sander.
Was noch in den kommenden Monaten auf dem Markt kommen wird, zeigte sich dieser Tage beim amerikanischen Krebskongress (ASCO) in Chicago. Beispielsweise könnte eine Blutabnahme – eine „Flüssigbiopsie” – teilweise belastende Biopsien ersetzen oder ergänzen. Die Biopsien sind notwendig, weil immer mehr medikamentöse Tumortherapien nach den Merkmalen der Krebszellen ausgesucht werden.
Immuntherapie erfolgreich
Auch in anderen Bereichen gibt es Positives zu berichten: Die Krebs-Immuntherapie, bei der monoklonale Antikörper Tumorzellen für das Immunsystem wiedererkenn- und damit angreifbar gemacht werden sollen, hilft anscheinend bei mehr Krankheiten als bisher angenommen. „Die moderne Immuntherapie zeigt auch bei anderen Erkrankungen als dem Melanom oder Lungenkrebs offenbar eine Wirkung. Das alles muss sich aber noch in viel größeren Studien bestätigen lassen”, sagt der Wiener Onkologe Christoph Zielinski, Koordinator des Wiener Comprehensive Cancer Center.