••• Von Martin Rümmele und Oliver Jonke
WIEN. Nicht weniger als die Diagnose in der Medizin revolutionieren wollte und will das Wiener Technologieunternehmen TissueGnostics. Im medianet-Interview spricht Mitgründer und CEO Rupert Ecker über Erfahrungen aus 20 Jahren.
medianet: Wie kam es zur Gründung des Unternehmens?
Rupert Ecker: Als ich 1994 an die Uniklinik für Urologie ins Forschungslabor kam, war eine der ersten Aufgaben, mit der Maus am Bildschirm manuell bei Zellkulturen einzuzeichnen, was ein Zellkern und was das Zytoplasma ist. Ich habe wochenlang gezeichnet, von morgens bis abends, bis ich eine Sehnenscheidenentzündung bekommen habe. Das war der Start einer anfänglich akademischen Entwicklung, die 2003 zur Gründung der Firma geführt hat. Also ich habe selbst den Prototyp unserer Analysesoftware entwickelt.
medianet: Wo stehen Sie heute?
Ecker: Wir sind von einem Start-up zu einem global agierenden Unternehmen geworden mit Sitz in Wien. Wir haben Tochtergesellschaften und Büros in den USA, England, Südamerika, Südafrika, Südostasien und China. Aktuell arbeite ich an einer Niederlassung in Australien.
medianet: Was tun Sie genau?
Ecker: Wir sind in der Präzisionsmedizin mit Schwerpunkt in der biomedizinischen Forschung. Es geht darum, ein besseres Verständnis molekularer Mechanismen zu entwickeln und zu erklären, warum eine bestimmte Erkrankung auftritt, und zwar in unterschiedlichen Formen bei verschiedenen Patienten. Wenn Sie fünf Patienten mit einem Lungenkarzinom haben, dann haben Sie in Wahrheit mitunter fünf verschiedene Krankheiten, denn der Mechanismus der Tumorentstehung kann bei jedem anders sein. Das ist der Grund, warum Standardtherapien nicht immer wirken. Unser Ziel ist, dass man bei jedem Patienten den genauen Mechanismus versteht, der zur jeweiligen Erkrankung führt. Dabei geht es nicht nur um Krebs, sondern auch um Erkrankungen, deren Ursprung im Gewebe liegt, wie Autoimmunerkrankungen und Allergien.
medianet: Wie geht das?
Ecker: Für die passende Diagnose ist es nötig, dass Forscher eine Vielzahl an molekularen Markern im Gewebe des jeweiligen Patienten gleichzeitig nachweisen können, weil man die molekularen und zellulären Interaktionen kennen muss. Mit unserer Technologie können wir den Forschern ein Werkzeug in die Hand geben, mit dem sie eine große Anzahl von molekularen Markern identifizieren und quantifizieren können und sehen, wie sie zusammenhängen.
medianet: Und Ihre Bilanz?
Ecker: Es wurden etwa 2.500 Studien publiziert, in rund 800 Fachjournalen von Forschergruppen aus über 60 Ländern auf sechs Kontinenten. Wir haben weltweit mehr als 1.000 Installationen, wobei sich das aufteilt auf Gesamtinstallationen und reine Software. Der Schwerpunkt liegt im Bereich der Forschung, aber auch bereits nahe an der klinischen Anwendung.
medianet: Was kommt jetzt?
Ecker: Es gibt noch eine Reihe von Ländern, die wir gerne angehen möchten, um lokale Vertriebsstrukturen mit eigenen Büros aufzubauen. Und wir arbeiten an neuen Produkten. Wir entwickeln etwa ein auf Künstlicher Intelligenz basierendes System, das Ärzten oder Fachleuten bei Entscheidungen hilft.