Firmen nutzen Angebote von Arbeitsmedizin wenig
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HEALTH ECONOMY Redaktion 16.02.2024

Firmen nutzen Angebote von Arbeitsmedizin wenig

Nachholbedarf gibt es in Sachen Arbeitsmedizin vor allem bei KMU. Es fehlen aber auch Arbeitsmediziner.

••• Von Evelyn Holley-Spiess

Wenn es um die gesundheitliche und präventive Betreuung der Beschäftigten geht, tut sich gleich eine zweifache Lücke auf: Zum einen zählen Arbeitsmediziner zu den Mangelberufen, mehrere Hundert Spezialisten auf diesem Gebiet fehlen aktuell. Zum anderen hapert es aber auch bei der Versorgung vor Ort – also in den Betrieben. Obwohl es für Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern ein kostenloses Angebot der AUVA gibt, „gehen wir davon aus, dass rund ein Viertel der Kleinunternehmen bisher keine Beratung in Anspruch genommen hat”, sagt Stefan Koth, Geschäftsführer der Österreichischen Akademie für Arbeitsmedizin und Prävention (AAMP). Warum? „Viele wissen vielleicht nicht, dass es diese Verpflichtung gibt.”

Der Einsatz von Arbeitsmedizinern ist in Österreich gesetzlich geregelt. Demnach muss jeder Betrieb, der mindestens einen unselbstständig Beschäftigten hat, für eine entsprechende Betreuung sorgen. Für Kleinst- und Kleinbetriebe gibt es die erwähnte kostenlose Sonderregelung. Unternehmen ab 51 Mitarbeitern haben selbst Arbeitsmediziner zu beauftragen und auch die Kosten zu übernehmen.

Risiken werden bewertet

Wie viele Stunden die Fachleute im Betrieb verbringen, ist ebenfalls rechtlich fixiert. Bei Kleinstbetrieben bis zu zehn Beschäftigten findet alle zwei Jahre, bei Firmen mit elf bis 50 Mitarbeitern eine jährliche Begehung statt. „Dabei werden die Arbeitsplätze angesehen, Gespräche mit den Beschäftigten geführt, etwaige Risiken bewertet und darauf aufbauend entsprechende Maßnahmen empfohlen”, erklärt Koth. Die Rolle des Arbeitsmediziners sei dabei die eines Unternehmensberaters in Gesundheitsfragen.

Um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten, sind derzeit aber noch mehrere Hürden zu nehmen. Zum einen fristet der Beruf des Arbeitsmediziners innerhalb der Ärzteschaft bislang ein Schattendasein: „Warum wird jemand Arzt oder Ärztin? Weil er oder sie heilen möchte”, bringt es Koth auf den Punkt. Diese kurzfristigen und manchmal auch spektakulären Erfolgserlebnisse bleiben einem in der Arbeitsmedizin oftmals verwehrt. Koth: „Es geht hier viel stärker um Prävention – darum, eine Erkrankung oder Gefährdung zu verhindern.” Wer Arbeitsmediziner wird, brauche einen langen Atem.

Berührungsängste

Zum anderen ist es mit der medizinischen Qualifikation allein nicht getan. Arbeitsmediziner müssen auch die wirtschaftlichen Ziele eines Unternehmens im Blick haben, Verständnis für technische Vorgänge mitbringen und sollten zudem über Managementansätze Bescheid wissen. Koth: „Viele Ärztinnen und Ärzte haben bei diesen Themen sicher Berührungsängste. Je besser ein Mediziner die wirtschaftlichen Belange versteht, umso besser wird er auch innerhalb des Betriebes argumentieren können.”

Auftrieb hat das Thema zuletzt durch eine mehrjährige Informationskampagne erhalten, die vom Sozial- und Arbeitsministerium, der AUVA und der Österreichischen Ärztekammer getragen wird. Die Initiative, die heuer ins Finale geht, sollte neuen Schwung bringen und Medizinstudenten genauso wie etablierte Ärzte für den Beruf begeistern. Die gute Nachricht: In den vergangenen zwei Jahren konnte die AAMP ein deutliches Plus bei den Abgängern verzeichnen.
Koth: „Zuletzt hatten wir im Jahresschnitt 82 Absolventen. Das sind um rund 40 Prozent, also signifikant mehr, als in der Zeit vor der Kampagne.” Die schlechte Nachricht: Es sind noch lange nicht genug. Bei aktuell rund 1.400 aktiven Arbeitsmedizinern landesweit geht die AAMP von rund 500 Personen aus, die grundsätzlich fehlen. Dazu kommen rechnerisch weitere 100 Fachleute pro Jahr, die in Pension gehen und ersetzt werden müssen. Für das laufende Jahr beziffert Koth den Fehlbedarf unterm Strich mit 700. Die Lücke wird also kleiner. Der „Kampf um die besten Köpfe” ist aber längst nicht vorbei.

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