Krise macht krank
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Industrie und Tourismus leiden unter der Coronakrise. Nach anfänglicher Kritik reagiert Bundeskanzler Sebastian Kurz nun doch und kündigt Hilfen an.
HEALTH ECONOMY Redaktion 09.10.2020

Krise macht krank

Die Regierung will versuchen, die Krise der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt abzufangen; psychische Belastungen nehmen zu.

••• Von Katrin Pfanner

WIEN. Die psychische Gesundheit der Österreicher leidet an den Corona-Maßnahmen, der sozialen Distanz und der Sorge um die wirtschaftliche Entwicklung. Angst, Reizbarkeit und der Verlust an Lebensfreude sind die Symptome. Tabak und Alkohol werden zu „Krisenbewältigern”, die persönliche Probleme jedoch verstärken können. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher um Michael Musalek vom Institut für Sozialästhetik und psychische Gesundheit der Sigmund Freud Privatuniversität in Wien.

Industriestandorte wackeln

Die wirtschaftliche Situation könnte die Entwicklung verstärken. Unternehmen wie MAN Steyr, FACC, ATB in der Steiermark und die Tourismusbranche kündigen Standortschließungen oder Jobabbau an. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) warnte am Montag vor einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Entwicklung. Der wöchentliche BIP-Indikator der Nationalbank sei in den vergangenen beiden Wochen wieder zurückgegangen. Die Erholung bremse sich merklich ein, so die Ministerin. Vor allem die SPÖ kritisierte zuletzt die Regierung allerdings scharf und warf ihr Untätigkeit vor. Die Regierung unternehme nichts gegen das Wegbrechen ganzer Flaggschiffe der heimischen Industrie und verweigere das Gespräch mit den Betroffenen, hieß es heute bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wien.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) scheint aber nun doch zu reagieren und will das Thema „Arbeit” neben der Bekämpfung der Pandemie zum zentralen politischen Thema im nächsten halben Jahr machen. Neben der Gesundheitskrise soll eine anhaltende Wirtschafts- und Arbeitskrise „mit allen Mitteln” verhindert werden, teilte der Regierungschef in einer Stellungnahme mit. „Wir führen einen Dreikampf: Den Kampf um jeden Covid-Patienten, den Kampf um jeden Betrieb und den Kampf um jeden Arbeitsplatz”, so Kurz.

Regierung will gegensteuern

„Arbeit wird unser zentrales Thema der nächsten Monate werden. Überall, wo Betriebsschließungen drohen oder Abwanderungen ins Ausland angedacht sind, werden wir mit aller Kraft um jeden Arbeitsplatz kämpfen”, sagte der Kanzler. Die Weltwirtschaftskrise stelle auch Österreich vor „enorme Herausforderungen”. „Wir sind ein exportorientiertes Land, und es brechen derzeit wichtige Märkte weg. Ganze Branchen wie der Tourismus kommen zum Erliegen.” Kurz verwies auf die steigenden Ansteckungszahlen, die Reisewarnungen auslösen und damit die Konsumlust reduzieren, „was im Ergebnis Arbeitsplätze vernichtet”.

„Österreich braucht jetzt einen noch nie da gewesenen Schulterschluss zwischen Politik, Arbeitnehmern und Arbeitgebern”, sagte der Regierungschef. „Eine Betriebsschließung bedeutet nicht nur für jeden Unternehmer den Ruin, sondern auch die Existenz aller Mitarbeiter und deren Familien. Darum werde ich persönlich alles dafür tun, dass wir die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise bestmöglich abwehren können und die Menschen im Land weiter Arbeit haben.” Als Maßnahmen will er die bestehenden Hilfsprogramme verlängern – „und mit der Arbeitsstiftung sowie der Kurzarbeit gezielte Instrumente einsetzen”. „Zusätzlich werde ich um jeden Arbeitsplatz vor Ort kämpfen”, verspricht Kurz. In den kommenden Tagen und Wochen plane er daher „eine Reihe von Gesprächen”, etwa mit den Landeshauptleuten, Wirtschaftsforschern, Experten und den Sozialpartnern.

Novartis als Modell

Beispiel könnte auch die Sicherung des Novartis-Standorts in Tirol im Sommer sein. Der Pharmakonzern überlegte, die letzte in Europa verbliebene Penizilin-Produktion abzusiedeln; die Regierung hat jetzt ein 50 Mio. €-Standortpaket geschnürt.

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