„Österreich ist ein guter Platz für Forschung”
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HEALTH ECONOMY Redaktion 06.03.2020

„Österreich ist ein guter Platz für Forschung”

Lieferengpässe, Antibiotikaresistenzen, Durchbrüche in der Onkologie und teure Innovationen: MSD Österreich-Chefin Ina Herzer im Interview.

••• Von Martin Rümmele

Mit bis zu 800 Be- schäftigten nach Fertigstellung der Tiermedizinsparte in Krems ist MSD eines der größten Pharmauunternehmen in Österreich. Im Bereich der Humanmedizin ist man zuletzt einen zukunfts- trächtigen globalen Deal mit einem Biotechunternehmen aus Österreich eingegangen. Im medianet-Interview spricht die Geschäftsführerin von MSD Österreich, Ina Herzer, über die Schwerpunkte und die Rahmen- bedingung von Pharmafor- schung in Österreich.


medianet:
Es wird derzeit viel über Innovationen und die Zu- kunft der Medizin diskutiert. Wo liegen Ihre Forschungs- schwerpunkte aktuell?
Ina Herzer: Wir haben eine lan- ge Tradition in der Forschung und sind immer bestrebt, in un- seren Bereichen Durchbrüche in der Medizin zu erreichen. Große Ideen brauchen aber auch große Investitionen – wir geben rund 25 Prozent der Umsätze für Forschung und Entwicklung aus. Damit sind wir sicher weltweit im Spitzenfeld. Derzeit laufen bei MSD rund 1.000 Programme weltweit allein in der Onkologie. Die Immunonkologie bringt uns in eine neue Ära, die neue Chancen für die Patienten eröffnet. Ein weiteres wichtiges Themenfeld sind Impfstoffe, die unter anderem auch wieder mit Krebs zusammenhängen, wenn man etwa an HPV denkt. Ein großer Bereich ist auch Diabetes.

medianet:
Wie ist die Basis für Forschung in Österreich?
Herzer: Die Rahmenbedingungen hier sind sehr gut und auch der Wille ist sehr groß. Wir erleben immer wieder von Zentren und Spitälern den Appell, Studien nach Österreich zu bringen und das ist auch ein Hauptanliegen von uns, weil es die Möglichkeit schafft, einen frühen Zugang zu Medikamenten zu be- kommen. Global ist MSD zuletzt eine exklusive Lizenzvereinba- rung mit dem österreichischen Unternehmen Themis Bioscience in der Impfstoffforschung eingegangen – das ist auch für uns als Niederlassung super. Es zeigt die Strategie, dass Dialogbereitschaft,Vernetzung und Kommunikation wichtig sind, um Forschung voranzu- bringen.

medianet:
Wie gehen Sie in so einem Fall vor?
Herzer: Die Frage ist auch, wie arbeiten Abteilungen miteinan- der und wie kann man Wissen und Nutzen generieren? Wenn wir Forschungszentren suchen, geht es einerseits um die Be- dingungen am Standort – wo Österreich international sicher konkurrenzfähig ist – und an- dererseits auch um das Wie: Wie geht man damit innerhalb eines Zentrums um und wie tauscht man sich aus? Wir suchen hier Partner, die gesamthaft denken.

medianet: MSD ist eines der wenigen Unternehmen, das noch an der Entwicklung neuer An-tibiotika forscht. Wie sehen Sie die Entwicklung im Hinblick auf Resistenzen und die Rahmenbedingungen für die Forschung?
Herzer: Neben der Immunon- kologie und den Impfstoffen ist auch der Bereich Acute Care/Antibiotika ein für uns wichtiger Forschungsbereich. Der wirt- schaftliche Beitrag, den neue Produkte liefern können, ist hier gering, weil sie meist nur in der Reserve für Notfälle eingesetzt werden, um eben neue Resisten- zen zu verhindern. Für uns sind Antibiotika ein wichtiges Thema, nicht zuletzt, weil wir hier eine Tradition haben. Es ist aber so, dass es einen Dualismus gibt zwischen Resistenzen und der Tatsache, dass die Entwicklung ressourcenintensiv ist. Wir über- legen hier Modelle, wie man die Forschung vorantreiben kann. Es braucht auch einen balancierten Ansatz mit vielen Partnern. Die Probleme kann man nur gemeinsam lösen.

medianet:
Stichwort Finan- zierung: Wie beurteilen Sie die Preisentwicklung in Österreich und wie sehen Sie generell die Zukunft der Vergütung im Pharmabereich?
Herzer: Wenn man generell über die Finanzierung spricht, so ist es wichtig zu verstehen,wie auf- wendig Forschung ist und dass hohe Investments stattfinden, jedoch nur wenige Produkte zur Marktreife gelangen. Das Verständnis dafür ist oft nicht ausgeprägt. Dennoch ist es wichtig, dass Produkte finanzierbar und leistbar sind. Es liegt an allen Playern im Gesundheitswesen, sicherzustellen, dass jedem Patienten innovative Produkte zur Verfügung gestellt werden können. Wir haben in Österreich ein System, bei dem durch den Lebenszyklus und die Preisstufen immer wieder Ressourcen frei werden, um neue Medikamente zu finanzieren. Wir haben ein großes Interesse daran, an Preismodellen mitzuarbeiten, die erstens die Forschung dahinter würdigen und zweitens den Patientenzugang ermöglichen.

medianet:
Zuletzt wurden die tiefen Preise auch als Grund für das wachsende Problem der Lie- ferengpässe genannt.
Herzer: Man muss, wie gesagt, versuchen, adäquate Preise zu finden. Wenn man das Preissys- tem über Ländergrenzen hinweg betrachtet, resultieren daraus Dynamiken, mit denen man um- gehen muss. Wir müssen uns in Österreich darauf fokussieren, dass wir die Medikamentenver- sorgung am Markt sicherstellen. Die Nichtverfügbarkeit von Pro- dukten ist keine gute Botschaft, die wir senden wollen.

medianet:
Stichwort Impfstoffe: Wie sehen Sie die Debatte über Impfpflicht und Erhöhung der Impfquoten?
Herzer: Das ist in jedem Land eine riesige Debatte. Es gibt überall Gegner und Gruppen, die sich auf Nebenwirkungen fokussieren. Uns ist es ein Anliegen, Aufklärungsarbeit zu leisten. Man sollte sich aber auch Modelle in anderen Ländern ansehen: In Australien werden sehr konsequent Schul­impfprogramme vorangetrieben. Wenn man das gut macht und informiert, sieht man sehr eindrucksvoll Verbesserungen bei den Impfquoten. Man sollte aber auch die Vorbehalte der Menschen verstehen und dann auch über den gesunden Menschenverstand versuchen, über fundierte Fakten zu informieren. Ich bin aber gegen jegliche Art von Vorschrift – das kann nie funktionieren. Impfaufklärung beinhaltet einen Dialog mit Patienten, Betroffenen und Eltern.

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