Studien: Kassensystem ist besser als sein Ruf
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HEALTH ECONOMY Martin Rümmele 24.11.2017

Studien: Kassensystem ist besser als sein Ruf

ÖVP und FPÖ wollen eine Fusion der Krankenkassen, um zu sparen. Kassen bilanzieren indes besser als erwartet.

••• Von Martin Rümmele

Die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken, Eigenverantwortung ausbauen, Privatmedizin zurückdrängen, die Qualität steigern, die Versorgung chronisch Erkrankter verbessern, Rahmenbedingungen für Innovationen schaffen und Schnittstellen besser koordinieren. Das sind Vorschläge einer Gruppe von Experten, die sich selbst „Taskforce Gesundheit neu denken” nennt und dieser Tage ein „Manifest” vorgestellt hat, wo man Reformen im Gesundheitswesen skizziert. Zusammengefunden haben sich dafür Martin Gleitsmann (Wirtschaftskammer), Gerald Bachinger (Sprecher der Patientenanwälte), Thoma Czypionka (IHS), Michael Heinisch (Vinzenz Gruppe), Eva Höltl (Gesundheitszentrum Erste Group) und Bernhard Rupp (Arbeiterkammer Niederösterreich). Die Gruppe hält das System für „nicht mehr leistungsfähig”.

Kassen-Prognose besser

Ganz anders sehen das naturgemäß die Krankenkassen und sie untermauerten dies nun auch mit neuen Fakten. Demnach hat man nicht nur die Prognose für heuer etwas verbessert, sondern auch in den vergangenen Wochen wichtige Reformen, wie eine weitreichende Leistungsharmonisierung, auf Schiene gebracht. War man im August noch von einem Defizit von 37 Mio. € ausgegangen, so rechnet man jetzt nur noch mit einem Minus von elf Mio. Auch die Prognosen für die kommenden Jahre haben sich verbessert: Für 2018 rechnet der Hauptverband der Sozialversicherungsträger mit 120 Mio. und für 2019 mit 250 Mio. € Defizit. Der Vorstandsvorsitzende im Hauptverband, Alexander Biach, verwies allerdings darauf, dass sich auch diese Zahlen gegenüber der August-Prognose schon verbessert haben. Damals war man noch von 146 Mio. für 2018 und 277 Mio. € für 2019 ausgegangen.

Dass sich die Vorhersagen gegenüber August verbessert haben, führt Biach auf gemeinsame, intensive Anstrengungen der Krankenversicherungsträger zurück. „Trotz zusätzlicher Aufwendungen im Bereich der Leistungsharmonisierung ist diese Verbesserung gelungen. Daher arbeiten wir intensiv an weitreichenden Modernisierungen und Aufgabenbündelungen im Back-Office- und IT-Bereich, um diese Kostenersparnisse fortzuführen”, fasst Biach die Effizienzsteigerungsaktivitäten zusammen. Ziel sei es, durch gemeinsame Einkaufsaktivitäten von Ländern und Sozialversicherung noch weitere Einsparungen zu erzielen: „Wir, Länder und Sozialversicherungen, folgen dabei einer einnahmenorientierten Ausgabenpolitik und halten uns an den festgelegten ­Kostendämpfungspfad”, erklärte Biach.
Bei einem Blick auf die Detailzahlen fällt auf, dass die Ausgaben für Ärzte und Spitäler nun stärker wachsen als der frühere Kostentreiber Medikamente. So wird für die Anstaltspflege für heuer eine Kostensteigerung um 4,9% erwartet. Dies wird im Hauptverband vor allem mit den mit der besseren Konjunktur nun auch gestiegenen Beitragseinnahmen begründet, die automatisch auch einen höheren Beitrag der Sozialversicherungen für die Landesspitäler nach sich ziehen. Und die Ausgaben für die Ärztliche Hilfe sollen heuer um 4,7% wachsen; für die Medikamente wird heuer eine Kostensteigerung um 4,2% erwartet.

Spardruck trifft Industrie

Kritik kam hier allerdings von der Pharmabranche: Gerade der positive Trend der Gebarungsprognose des Hauptverbands mache deutlich, dass die Veröffentlichung der Prognosen Jahr für Jahr nach demselben Schema erfolge, kritisiert Pharmig-Generalsekretär Jan Oliver Huber: „Es beginnt mit einem eklatanten Minus, das im Laufe des Jahres nach unten korrigiert wird, bis am Ende der Gebarungsperiode – erfreulicherweise und für alle dann doch überraschend – ein Plus ausgewiesen werden kann. Der Hauptverband übt mit dieser Taktik Druck auf die pharmazeutische Industrie aus. So wird ihr übers Jahr mit jeder Prognose vorgeworfen, sie wäre aufgrund der Arzneimittelpreise schuld am zu erwartenden hohen Defizit der Krankenkassen.” Und dann werde versucht, die Ausgaben zu kürzen.

Entlastung bei Spitälern

Umbrüche gibt es hingegen im Spitalsbereich: Im Vorjahr wurden laut nun veröffentlichten Daten der Statistik Austria mehr als 2,7 Mio. stationäre Aufenthalte in den Akutspitälern dokumentiert sowie gut 158.000 Aufenthalte in Einrichtungen für Langzeitversorgung, Rehabilitation und Prävention. Stark im Steigen sind die tagesklinischen Aufenthalte: 2016 waren es um rund zwei Drittel mehr als vor zehn Jahren; ein Viertel aller stationären Aufenthalte erfolgt bereits ohne Übernachtung.

Die Zahl der vollstationären Aufenthalte in Akutkrankenanstalten (Aufenthalte mit mindestens einer Übernachtung) hat sich seit 2006 um 4,0% und seit 2015 um 0,1% verringert. Die ­Österreicher liegen aber nicht nur etwas weniger, sondern auch kürzer im Spital. Die durchschnittliche Dauer vollstationärer Aufenthalte verkürzte sich seit Anfang der 1990er-Jahre von durchschnittlich 11 auf 6,4 Tage im Jahr 2016. Die Aufenthaltstage pro Kopf haben sich von 1,8 Tagen im Jahr 2006 auf 1,5 Tage im Jahr 2016 reduziert.
Häufigste Ursache von vollstationären Aufenthalten waren Erkrankungen des Kreislaufsystems, gefolgt von Verletzungen und Vergiftungen, Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und Erkrankungen des Verdauungssystems.

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