AT&S weiter stark auf Wachstumskurs
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INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 12.11.2021

AT&S weiter stark auf Wachstumskurs

Der Leiterplattenhersteller zeigt sich zuversichtlich für eigene Entwicklung und schraubt seine Umsatzerwartungen für das laufende Jahr sowie bis 2026 nach oben.

LEOBEN. Der Engpass in der Chipbranche macht dem Leiterplattenhersteller AT&S derzeit keine Probleme. Im eigenen Unternehmen habe es deswegen bisher keine Einschränkungen gegeben, man beobachte die Lage jedoch sehr genau, sagte Vertriebsvorstand Peter Schneider bei der Präsentation der Halbjahreszahlen 2021. Dass der Engpass bald wieder vorbei sein könnte, glaubt er aber nicht. Für AT&S sieht er in den kommenden Jahren aber ein starkes Wachstum. „Der Engpass in der Chipindustrie ist natürlich das große Thema, das uns alle beschäftigt und das den Markt beschäftigt“, so Schneider. Derzeit herrsche Uneinigkeit in der Industrie, wie lange der Engpass noch dauern wird; die Bandbreite der Antworten reiche von „bis Mitte 2022“ bis hin zu „bis ins Jahr 2023“.

Laut Schneider liege die Unsicherheit darüber vor allem daran, dass noch unklar sei, wie sich der Mangel an Elektronikteilen auf unterschiedliche Anwendungen auswirken werde. Ein für ihn logischer Schluss wäre es, wenn Hersteller hochpreisige Anwendungen, die auch hohe Margen bringen, präferieren würden. Das geschehe derzeit bereits bei Autoherstellern, die lieber hochpreisige Premium-Modelle verkaufen würden als Modelle aus der Einstiegsklasse. Davon profitiere auch AT&S, das mit seinen Leiterplatten eher höherpreisige Autohersteller beliefere. In den Bereichen, wo eher wenig Geld verdient werde und die Lieferkette ausgetrocknet sei, werde es dagegen noch länger dauern, bis die Engpässe korrigiert werden würden. Dass der Chipmangel bereits Mitte 2022 wieder vorbei sein könnte, könne er sich „beim besten Willen nicht vorstellen“. Bereits jetzt gebe es für neue Autos und Motorräder Wartefristen bis zum Ende des nächsten Jahres.

Auch die globalen Lieferketten müssten in Anbetracht des Elektronikmangels neu überdacht und verstärkt werden, sagte Unternehmenschef Andreas Gerstenmayer. Der Neuaufbau solcher Ketten könne allerdings Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern und solange keine vollständigen Lieferketten etabliert sind, könne man nicht über eine "wirklich robuste Industrie" sprechen, so der CEO. Auch für die eigenen Pläne sei die Situation mit Herausforderungen verbunden. So rechnet Gerstenmayer damit, dass für den Ausbau des Werks in Leoben viel Material aus Asien bezogen werden müsse, weil man es hier in Europa nicht bekommen werde.

Zu den Halbjahreszahlen
„Die Performance im ersten Halbjahr beweist wieder einmal die positive Dynamik in unserem Sektor und dass wir konsequent die richtige Strategie umsetzen. Trotz der Volatilität in einigen unserer Märkte steigt die Nachfrage nach unseren Produkten weiter stark an. Mit dem Ausbau unserer Kapazitäten werden wir diese künftig noch besser bedienen können“, so Gerstenmayer. „Schon in diesem Jahr erwarten wir, unseren Umsatz um 21 bis 23 Prozent steigern zu können. Auch mittelfristig bewährt sich unsere Strategie, sodass wir im Geschäftsjahr 2025/26 aufgrund positiver Produktmix-Entwicklungen nun einen Umsatz von rund 3,5 Mrd. Euro erwarten“, kommentiert Gerstenmayer die weitere Entwicklung.

Der Konzernumsatz konnte im ersten Halbjahr 2021/22 um 29,7% auf 697,6 Mio. € (VJ: 537,8 Mio. €) gesteigert werden. Währungsbereinigt stieg der Konzernumsatz sogar um 34,8%. Wie erwartet, tragen die zusätzlichen Kapazitäten in Chongqing, um die wachsende Nachfrage nach ABF-Substraten zu decken, direkt zu diesem Wachstum bei. Auch das verbreiterte Anwendungsportfolio bei mobilen Endgeräten sowie die Nachfrage nach Modul-Leiterplatten unterstützen den Wachstumstrend. Im Segment AIM trugen alle drei Bereiche zum Umsatzwachstum bei, wobei der Bereich Industrial die größte Steigerung verzeichnen konnte. Im Bereich Automotive führte der Engpass bei Halbleitern bislang noch zu keinen wesentlichen Einschränkungen im Umsatz, das Unternehmen beobachtet die weitere Entwicklung in diesem Bereich aber weiterhin sehr genau.

Das EBITDA erhöhte sich um 17,7% von 111,2 Mio. € auf 130,9 Mio. €. Während die Umsatzsteigerung das Ergebnis positiv beeinflusste, wirkten sich die Anlaufkosten in Chongqing sowie höhere Material-, Transport- und Energiekosten ergebnisschmälernd aus. Zusätzlich erhöhte AT&S seine Aufwendungen im Bereich Forschung- und Entwicklung deutlich, um auch weiterhin seiner Rolle als Innovationstreiber gerecht werden zu können. Wechselkursschwankungen beim US-Dollar und Chinesischen Renminbi hatten einen negativen Einfluss auf die Ergebnisentwicklung in Höhe von 29 Mio. €, ohne diese Schwankungen hätte das Wachstum bei 43,8% gelegen. Bereinigt um die Anlaufkosten, betrug das EBITDA 140,3 Mio. € (VJ: 113,8 Mio. €), was einem Wachstum von 23,3% entspricht. Ohne Anlaufkosten und Wechselkurschwankungen hätte das Ergebniswachstum 48,8% betragen.

Verbessertes Finanzergebnis
Die EBITDA-Marge lag bei 18,8% (um Anlaufkosten bereinigte EBITDA-Marge: 20,1%) und damit unter dem Vorjahresniveau von 20,7% (um Anlaufkosten bereinigte EBITDA-Marge: 21,2%). Die Abschreibungen erhöhten sich aufgrund von Anlagenzugängen und Technologie-Upgrades im Vergleich zum Vorjahr um 22 Mio. € auf 100,4 Mio. €. Dies führte zu einem EBIT-Rückgang von 32,8 Mio. € auf 30,5 Mio. €.
Die EBIT-Marge lag bei 4,4% (VJ: 6,1%). Das Finanzergebnis verbesserte sich durch geringere negative Fremdwährungseffekte von -13,8 Mio. € auf -7,8 Mio. €.
Das Konzernergebnis erhöhte sich vor allem aufgrund des verbesserten Finanzergebnisses von 14,1 Mio. € um 4,2 Mio. € auf 18,3 Mio. €.

Die Vermögens- und Finanzlage zum Ultimo ist vom Anstieg der langfristigen Vermögenswerte geprägt. Die Bilanzsumme erhöhte sich im Zuge von Anlagenzugängen und Technologie-Upgrades gegenüber dem Bilanzstichtag 31. März 2021 um 10,4% auf 2.639,6 Mio. €. Der deutliche Anstieg der Bilanzsumme führte dazu, dass die Eigenkapitalquote, trotz eines um 8,7% gestiegenen Eigenkapitals, um 0,5 Prozentpunkte sank. Zum Halbjahr lag die Eigenkapitalquote bei 33% und somit aufgrund des hohen Investitionsprogramms temporär unter dem mittelfristig anvisierten Zielwert von 40%.

Der Bestand an Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten verminderte sich auf 437,4 Mio. € (31. März 2021: 552,9 Mio. €). Zusätzlich verfügt AT&S über finanzielle Vermögenswerte von 16,4 Mio. € und über 318 Mio. € an nicht genutzten Kreditlinien zur Sicherstellung der Finanzierung des künftigen Investitionsprogramms und kurzfristig fälliger Rückzahlungen.

Ausbau des Standorts in Leoben
Der anhaltende Nachfrage-Boom im Mikroelektronik-Bereich und immer neue Anforderungen an die Leistungsfähigkeit elektronischer Systeme haben bei AT&S zur Entscheidung geführt, einen noch stärkeren Fokus auf Forschung und Entwicklung zu richten. Am 15. Oktober gab das Unternehmen daher bekannt, am Standort Leoben-Hinterberg in ein neues R&D-Center für Substrat- und Packaging-Lösungen für die globale Halbleiterindustrie zu investieren. Zusätzlich erfolgt ein weiteres Technologie-Upgrade bei Produktionsanlagen. Insgesamt sind Investitionen in der Höhe von 500 Mio. € bis zum Jahr 2025 geplant. Die Gesamt-Investitionssumme beinhaltet bereits kommunizierte Investitionen für ein Technologie-Upgrade sowie für das neue AT&S-Bürogebäude.

Ausblick 2021/22
Im laufenden Jahr wird sich AT&S auf den Produktionsanlauf der neuen Kapazitäten im Werk III in Chongqing konzentrieren, das Investitionsvorhaben in Kulim, Malaysia, weiter vorantreiben und Technologie-Upgrades an anderen Standorten durchführen.

Für die Segmente von AT&S gestalten sich die Erwartungen derzeit wie folgt: Die weiterhin anhaltend starke Nachfrage bei IC-Substraten bietet auch mittelfristig signifikante Wachstumsmöglichkeiten. Bei den mobilen Endgeräten bleibt der neue Mobilfunkstandard 5G weiterhin ein Wachstumstreiber. Im Bereich Automotive wird trotz der Halbleiterknappheit weiterhin eine positive Entwicklung erwartet. Getrieben vom 5G-Infrastruktur-Rollout, wird sich der Bereich Industrial auch im kommenden Jahr positiv entwickeln. Im Bereich Medical erwartet AT&S für das laufende Geschäftsjahr eine positive Entwicklung.

Das Unternehmen plant für neue Kapazitäten und Technologien im laufenden Geschäftsjahr weiterhin ein Investitionsvolumen in Höhe von bis zu 700 Mio. €.

Aufgrund der guten Entwicklung im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres und der weiterhin starken Dynamik des IC-Substrate-Markts erhöht AT&S die Prognose für die Umsatzentwicklung leicht und erwartet nunmehr ein Umsatzwachstum von 21 bis 23% (zuvor: 17 bis 19%). Die bereinigte EBITDA-Marge wird voraussichtlich zwischen
21 bis 23% liegen, wobei Anlaufkosten der neuen Produktionskapazitäten in Chongqing sowie in Kulim von rund 50 Mio. € nicht beinhaltet sind. Für den Ausblick wird ein Euro/US-Dollar-Wechselkurs von 1,20 unterstellt und angenommen, dass im zweiten Halbjahr keine unvorhergesehenen Einflüsse aus Lieferengpässen, Materialkosten- und Energiepreisschwankungen auftreten.

Ausblick 2025/26
Die Erweiterung der Produktionskapazitäten in Chongqing, China, und in Kulim, Malaysia, entwickelt sich laut AT&S trotz herausfordernder Weltwirtschafts- und Gesundheitslage schneller als bisher angenommen. Somit geht AT&S nun davon aus, dass im Geschäftsjahr 2025/26 ein Umsatz von rund 3,5 Mrd. € erzielt wird (zuvor: rund 3 Mrd. €). Weiterhin wird eine EBITDA-Marge von 27 bis 32% erwartet.

Analystenempfehlungen zur Aktie
Jürgen Wagner, Analyst bei Vermögensverwalter und Investmenter Stifel, bewertet die AT&S-Aktie mit "Kaufen" und erhöht sein Kursziel von 52 auf 55 €. George Chang von Aletheia Capital, Asiens größtem unabhängigem Anlageberatungsunternehmen, gibt auch eine Kaufempfehlung ab, allerdings mit einem Kursziel von 60 €. Auch die Analysten der Erste Bank Research bestätigten ihre Kaufempfehlung. Der Schlusskurs der ATS&-Aktie lag am 10. November bei 41,80 € – da wäre also noch einiges drin. (hk)

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