Center for Digital Production auf Erfolgskurs
© P. Wilke
Christoph Pollak, Geschäftsführer CDP
INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 19.06.2019

Center for Digital Production auf Erfolgskurs

Das Flaggschiff für Industrie 4.0 zieht nach zwei Jahren erste Bilanz.

WIEN. Das Center for Digital Production (CDP) in der Seestadt Aspern ist eine der führenden Forschungs- und Entwicklungsplattformen im Bereich Flexible Fertigungsautomatisierung, Machine-to-Machine Communication, Machine Learning (AI) und digitale Produktionsnetzwerke.

Die im August 2017 gegründete Hightech-Schmiede ist ein heimisches Flaggschiff für die „Industrie 4.0“. Das CDP unterstützt Produktions- und Fertigungstechnik-Betriebe beim digitalen Transfer und der Entwicklung innovativer digitaler Methoden; damit sollen sie im globalen Wettbewerb weiter an der Spitze bleiben oder digital „noch topfitter“ an die Spitze gelangen.

„Wir bündeln wissenschaftliche Kompetenz und technologisches Know-how auf höchstem Niveau in den direkten Wissenstransfer für neue marktfähige Produkte und Dienstleistungen unserer Unternehmenspartner“, erklärt Geschäftsführer Christoph Pollak. Das CDP zählt mehr als 30 Mitarbeiter aus dem universitären Forschungsbereich und der Industrie.

Neben wissenschaftlichen Partnern wie der TU-Wien, internationalen Institutionen wie die ETH-Zürich oder das Tokyo Institute for Technology, besteht ein stetig wachsender Kreis von 40 Unternehmenspartnern, der Anwender und Technologieanbieter umfasst. Das CDP ist ein Comet-Kompetenzzentrum und wird von der FFG sowie den Ländern Wien, Vorarlberg und Niederösterreich gefördert. Das Comet-Programm erlaubt eine unbürokratische Förderung von anwendungsnahen F&E-Vorhaben von Unternehmen mit dem CDP, mit einer Förderintensität von 45%. Das CDP wickelt dabei das Förderungsprocedere für seine Kunden „ready to go“ ab. Als Test- und Demonstratiosumgebung steht dem CDP die Pilotfabrik Industrie 4.0. der TU-Wien zur Verfügung, die am gleichen Standort, in der Seestadt Aspern, beheimatet ist.

16 Projekte mit zehn Millionen Euro
Kaum zwei Jahre am Markt, befindet sich das junge CDP auf steilem Erfolgskurs und zieht eine erste positive Zwischenbilanz. „Rund 16 Projekte mit ein Gesamtvolumen von zehn Millionen Euro können wir binnen zwei Jahre verzeichnen“, freut sich Christoph Pollak. Die Projekte und Referenzen des CDP lesen sich wie das Who-is-Who der österreichischen und internationalen Industrie, darunter Becom, Eaton, die EMCO Group, ESA, Heid Antriebstechnik, Melecs Electronics, Nemak, Neumann Aluminium, Novomatic, ÖBB, OeKB, Pimpel, Schaeffler, System7 Railsupport, Szukitsch software developement, TTTech oder Welser Profile, um nur einige zu nennen.

Die kontinuierlich steigenden Erfolge nach nur zwei Jahren sind für das CDP Bestätigung und Verpflichtung zugleich: „Wir wollen einen nachhaltigen wertschaffenden Beitrag zur Digitalisierung für Produktions- und Fertigungsbetriebe leisten“, sagt Pollak. „Ziel ist es, unseren Kundenanteil in den nächsten vier Jahren um weitere 50 Prozent zu steigern und unseren derzeitigen Fokus von Österreich auf Deutschland und die Schweiz als ,Erste Adresse für Digitale Produktion‘ auszuweiten.“

Vier Projekte im Überblick
1) Modelshop Vienna und OeKB-BS – Virtuelles Produktionsnetzwerk mit Infobroker by CDP: Dieses Digitalisierungs-Pilotprojekt von CDP hat für den Standort Österreich eine besondere Bedeutung. Mit dem richtungsweisenden virtuellen Produktionsnetzwerk „made by“ CDP können mehrere kleine Units als ein größeres Produktions-Konstrukt auftreten und vollautomatisch wie eine kompakte digitale Einheit handeln. Die traditionelle KMU-Fertigung in Österreich steht mit dieser Lösung auf Augenhöhe und in Konkurrenz zur internationalen Großindustrie; sie erschließt sich damit neue, bisher nicht erreichbare Auftragsfelder.

Der Modelshop Vienna ist ein weltweit tätiger Anbieter für 3D-Druck, Spritzgussteile, Prototypen, Design- und Funktionsmusterbau. Die Kunden des österreichischen Unternehmens kommen aus den unterschiedlichsten Branchen – von Automotive, über Telekom, Elektronik, bis hin zur Haushalts- und Flugzeugtechnik. Für einen Automobilhersteller arbeitet Modelshop Vienna mit einem österreichischen Beschichtungsspezialisten zusammen. Als klassische „Tier 3“-Lohnfertiger stellt der Modelshop Vienna Kunststoffteile her, das Partnerunternehmen führt die Beschichtung und den Zusammenbau der Teile durch.

Mit dem vom CDP realisierten digitalen Produktionssystem bilden die beiden Unternehmen nun ein gemeinsames virtuelles Produktionsnetzwerk. Damit sind die Unternehmen über einen detaillierten Datenaustausch für die optimierte Produktion verbunden. Beide Unternehmen können wie ein einziges auftreten, bleiben aber autonom. Das Resultat sind bessere Produktionsergebnisse, schnellere Abläufe und eine verbesserte Wettbewerbsposition.

Der Datenaustausch zwischen Betriebs-Einheiten ist unternehmenspolitisch sensibel - wer gibt schon gern eigene Daten und „Know-how“ aus der Hand“. Dadurch kann es zu „Interferenzen“ im gesamthaft orchestrierten Produktionsprozess kommen. Um diese möglichen Reibungsverluste für die Planungssicherheit schon im Vorfeld auszuschließen, werden die produktionstechnisch relevanten Daten von der Gesamtinformation getrennt und nur diese in einen digitalen „Produktions-Überbau“ eingespielt. Für die CDP-Lösung holte sich das Institut die OeKB-BS (OeKB Business Services GmbH), eine Tochter der Österreichischen Kontrollbank (OeKB), an Bord. Die OeKB-BS sorgt als zwischengeschalteter „Informationsbroker“ höchst vertraulich und unter strengstem Datenschutz dafür, dass jeder Partner die für ihn notwendigen Information hat und sich darauf verlassen kann, dass keine sensiblen Daten weitergeben werden. Das Projekt wurde 2018 gestartet, die Inbetriebnahme des gesamten Produktionssystem ist noch für heuer vorgesehen.

2) Ein komplettes flexibles und adaptives Fertigungssystem
Die Wiener EVVA agiert als Entwickler und Hersteller von mechanischen und elektronischen Zutrittssystemen. Bereits im Jahre 1919 gegründet, ist EVVA bis heute ein Familienunternehmen. Am Standort Wien wird nach wie vor geforscht, entwickelt, produziert und in alle Teile der Welt exportiert. EVVA deckt ein umfassendes Spektrum ab – von der klassischen Massenproduktion in Mittel- und Kleinserien, über Standardprodukte bis hin zur Produktion von Sonderanfertigungen auf höchstem Niveau.

EVVA konsultierte die CDP-Profis für ein flexibles adaptives Fertigungssystem, das Sonderanfertigungen in der gleichen Zeit wie Standardprodukte produziert. Mit der CDP-Lösung wird die Sonderproduktion um mindestens das Vierfache schneller, die Standardprodukte günstiger und durch die erhöhte automatisierte Produktion viele Kostenvorteile generiert. EVVA steht kurz vor der Probeproduktion und die Inbetriebnahme ist im Oktober 2019 geplant.

3) ÖBB-TS: Systemprototyp/„Minimum Viable Product“
Die Technische Services GmbH (kurz: TS) ist ein Unternehmen des ÖBB-Konzerns. 4.000 Fachkräfte an 25 Standorten stehen hier für perfekte Instandhaltung und Weiterentwicklung von Schienenfahrzeugen und deren Komponenten und orientieren sich dabei an drei Eckpfeilern: Maximale Sicherheit, modernste Technologien und ausgeprägte Kundenorientierung.

Am TS-Standort Knittelfeld werden Radsätze für Güter- und Personenwagen instandgehalten. Um die Früherkennung für den Instandhaltungsaufwand und zudem auch die Ressourcenplanung im Werk weiter zu optimieren, braucht es dort nun ein neues Produktionsplanungs- und Steuerungssystem. Für dieses IT-System benötigt TS einen Systemprototypen, also eine klar definierte Softwarevorlage (Ausschreibungsgrundlage) für IT-Unternehmen, die das künftige Steuerungssystem umsetzen sollen. Für dieses anspruchsvolle Projekt holte sich TS die Profis von CDP an Bord. TS hat nun eine Ausschreibungsgrundlage für eine verkürzte Ausschreibungszeit erhalten. Die Lösung sorgt für ein klares Verständnis für die externen Systementwickler, was wiederum hilft, Kosten zu sparen. Mit dem künftigen Produktionsplanungs- und Steuerungssystem auf Basis des CDP-Prototyp wird darüber hinaus auch eine spürbare Produktivitätssteigerung möglich werden. Das Projekt wurde 2018 gestartet, der Systemprototyp ist im Herbst 2019 finalisiert.

4) Digitale Simulation für Waffelproduktion
Die Haas Gruppe, mit Standort Leobendorf, NÖ, wurde als Weltmarktführer für die Herstellung von Produktionsanlagen von Waffeln, Keksen und Süßwaren ein Begriff. Haas erwirtschaftete mit weltweit 1.750 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 300 Mio. €. Seit 2018 ist Haas Teil der Schweizer Bühler Gruppe. Die Marke Haas ging in der Gruppe auf, und der Standort in Leobendorf ist heute die „Business Unit Wafer“ in der „Consumer Food Group“ von Bühler.

Der weltweite Erfolg der Gruppe ist stets von Innovationen geprägt. Gemeinsam mit dem CDP wurde ein einzigartiges digitales Planungsinstrument für eine optimale Konfiguration von Waffel-Produktionslinien geschaffen, ein wertvolles Tool für den Vertrieb. Die digitale Simulation der Waffelproduktion durch CDP ermöglicht bessere, schnellere Konfiguration und eine schnellere und schärfere Kalkulation für Bühler und deren Kunden. Der erste Prototyp wurde im April 2019 fertiggestellt, es folgen nun weitere Funktionserweiterungen. (pj)

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL