Das Coronavirus als unternehmerische Chance
© Stephan Huger
INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 13.03.2020

Das Coronavirus als unternehmerische Chance

Auf der Suche nach preiswerteren und leistungsstärkeren Geschäftsideen als Desinfektionsmitteln und Schutzmasken.

Gastkommentar ••• Von Nikolaus Franke

WIEN. Auf „unseren” Management-Guru Peter Drucker geht die Sicht zurück, dass Veränderungen die wichtigste Quelle für unternehmerische Gelegenheiten sind, weil sie das Gleichgewicht zerstören: Plötzlich entstehen neuartige Bedürfnisse und es wird offensichtlich, dass entsprechende Angebote fehlen.

In erster Linie denkt man dabei natürlich an technologische Veränderungen. Die Einführung des Internet seit den 1990ern z.B. hat sehr viele neue unternehmerische Chancen eröffnet.
Aus dem komplexen Wechselspiel von neuen Möglichkeiten und neuen Angeboten entstehen ständig neue Produkte, neue Dienstleistungen und neue Geschäftsmodelle. Suchmaschinen, Online-Handel und Soziale Netzwerke sind Beispiele für solche unternehmerischen Gelegenheiten. Entdeckt und genutzt wurden sie von Entrepreneuren wie Sergey Brin, Larry Page, Jeff Bezos und Mark Zuckerberg.

Krisen als Chancen

Aber auch Katastrophen, Krisen und Unglücksfälle können Veränderungen sein, die ein temporäres Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage auflösen. Der Mensch ist nämlich von Natur aus ein Problemlöser.

So sorgte der Erste Weltkrieg u.a. für die Verbreitung von Erfindungen wie Reißverschluss, Damenbinden, Armbanduhren und Blutbanken.
Was verändert das Coronavirus? Welchen Wandel eröffnet die mediale Berichterstattung darüber? Natürlich können diese Fragen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht oder nur teilweise beantwortet werden und natürlich ändert sich für die Betroffenen ihr Leben auf tragische Weise.
Doch auch für die nicht direkt betroffenen Menschen – zum Glück der allergrößte Teil der Menschheit – ist vieles anders geworden. Schon jetzt ist beispielsweise klar, dass die Nachfrage nach Schutzmasken sprunghaft gestiegen ist. Das Gleiche gilt für Desinfektionsmittel. In der schnellen Reaktion und Schaffung eines entsprechenden Angebots liegt eine unternehmerische Chance, die es vor wenigen Wochen noch nicht gab. Vielleicht haben wir bald billigere und leistungsstärkere Schutzmittel?
Auch die Entwicklung von zuverlässigeren Schnelltests und Impfstoffen ist eine neue Gelegenheit. Mittelfristig wird das Virus möglicherweise dazu führen, dass Notfallpläne und Sicherheitsmaßnahmen verbessert werden. Vielleicht sinkt auch die Impfmüdigkeit bei Krankheiten, die weite Teile der Bevölkerung bisher achselzuckend hingenommen haben.
Beispielsweise ist in Österreich nicht einmal jeder Zehnte gegen Influenza geimpft. Angesichts von rund 1.500 Todesfällen jährlich wäre eine Veränderung sicherlich zu begrüßen.
Die Schockwirkung des Coronavirus mag insofern auch positive Nebenwirkungen haben, mit reichlich Raum für unternehmerische Gelegenheiten.
Die erfolgreiche Nutzung einer unternehmerischen Gelegenheit wirft üblicherweise einen Gewinn für den Entrepreneur ab. Die Top-Liste der reichsten Menschen der Welt wird von Unternehmern angeführt. Dass die ­Motive von Entrepreneuren nicht immer altruistisch sind, bedeutet jedoch nicht, dass sie nicht dennoch großen gesellschaftlichen Nutzen schaffen können. Schon Adam Smith erkannte, dass Metzger, Brauer und Bäcker ihre Tätigkeit aus eigenen Interessen verfolgen – und mit ihr dennoch nützliche Produkte schaffen.

3.000% in zwei Monaten

Gilt das auch für die unternehmerischen Aktivitäten, die das Coronavirus auslöst? In Deutschland hatte etwa der Unternehmer Timo Klingler im Jänner richtig vorhergesehen, dass die Nachfrage nach Masken steigen würde. Er kaufte sie im großen Stil für 60 Cent und verkauft sie nun für 20 Euro – pro Stück.

Ein Geschäft mit einer Rendite von mehr als 3.000% innerhalb von zwei Monaten findet man nicht so leicht. Gesellschaftlich hilfreicher wären zweifellos Investitionen in die erhöhte Produktion gewesen. Aus Panik lässt sich Kapital schlagen, und wer Panik anheizt, tut dies manchmal auch aus Eigennutz.
Doch es ist sinnvoll, Krisen als unternehmerische Chancen zu begreifen. Wir brauchen unternehmerische Menschen, die mit Mut, Risikobereitschaft, Kreativität und persönlichem Einsatz neuartige Problemlösungen schaffen. Nur sie können uns helfen, die Folgen der Corona-Epidemie klein zu halten – und vielleicht sogar langfristig einen positiven gesellschaftlichen Nutzen daraus zu generieren.


Prof. Nikolaus Franke ist wissenschaftlicher Leiter des Professional MBA Entrepreneurship & Innovation an der WU Executive Academy.

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