Die Energiepreise bleiben zum Fürchten
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INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 18.03.2022

Die Energiepreise bleiben zum Fürchten

Gasgroßhandelspreise steuern auf Rekordniveau zu; ein baldiges Ende dieser Teuerungswelle ist nicht in Sicht.

••• Von Helga Krémer

WIEN. Zyniker raten derzeit all jenen, denen die Energiepreise die Schweißperlen auf die Stirn treiben, doch die Heizung zurückzudrehen … Tatsache ist: Die Anstiege am Energiesektor sind enorm. 2021 sind die Großhandelspreise für Gas um 480% und für Strom um 330% gestiegen

In welchem Ausmaß die Verbraucherpreise 2022 mit den voraussichtlich noch steigenden Großhandelspreisen mitziehen, könne laut Experten schwer eingeschätzt werden. Der Energieanteil an den Endkundenpreisen beträgt bei Gas 47% und bei Strom nur 33%. Zudem werde das Preisniveau 2022 vom Wegfall der Erneuerbaren-Förderkosten, der Anhebung der Netzentgelte und der geplanten CO2-Abgabe ab Juli beeinflusst. Sicher sei, dass die Preise noch über einen längeren Zeitraum überdurchschnittlich stark steigen werden.

Entspannung? Fehlanzeige!

Die aktuellen Notierungen für Gas- und Stromfutures signalisieren erst im Lauf von 2023 eine Entspannung der Großhandelspreise, meint UniCredit Bank Austria-Ökonom Günter Wolf: „Mit Ausbruch der Ukrainekrise sind die Großhandelspreise für Gas wieder gestiegen und werden sich im Lauf von 2022 voraussichtlich auf einem Rekordniveau von durchschnittlich 170 Euro pro Megawattstunde bewegen. Der Strompreis erreichte zuletzt schon über 400 Euro pro Megawattstunde und wird in der ersten Jahreshälfte noch zulegen. Derzeit rechnen die Marktteilnehmer erst ab dem zweiten Quartal 2023 mit einem stärkeren Preisrückgang bei Gas auf durchschnittlich 70 Euro pro Megawattstunde und bei Strom auf 140 Euro pro Megawatt­stunde.”

Erneuerbare ließen aus

Das Energiejahr 2021 zeigte deutlich die Abhängigkeit der Energieversorgung in Österreich vom Gasangebot. Aufgrund des vergleichsweise trockenen und windarmen Sommers 2021 wurde weniger Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt, und der Strombedarf musste europaweit vermehrt durch Gaskraftwerke mit deutlich höheren Produktionskosten ergänzt werden.

„Der höheren Gasnachfrage, die zudem von der raschen Konjunkturerholung angetrieben wurde, stand kein entsprechendes Gasangebot gegenüber und dies löste einen Rekordanstieg der Gaspreise aus”, so der Ökonom. In Österreich sei die Stromproduktion der Wasserkraftwerke 2021 um 5,5% und der Windkraftwerke um ein Prozent gesunken, während der Erdgasverbrauch in Wärmekraftwerken um 7,3% gestiegen ist.

Teure Abhängigkeit

„2021 hat Österreich Gas im Wert von 4,2 Mrd. Euro importiert. Das ist mehr als doppelt so viel als 2020, was zum großen Teil an Preissteigerung liegt. Für Erdöl und Erdölprodukte haben wir sogar 7,3 Mrd. Euro ausgegeben”, analysiert Franz Angerer, Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur, die vorläufigen Außenhandelsergebnisse 2021 der Statistik Austria. „Die aktuellen Entwicklungen lassen erwarten, dass sich dieser Wert im Jahr 2022 vervielfachen wird”, so Angerer weiter.

In Summe hat Österreich – die Energieagentur bezieht auch die Exporte mit ein – Erdöl, Erdgas und Kohle im Wert von 9,5 Mrd. € gekauft. Das gesamte Defizit der Außenhandelsbilanz belief sich auf 12,5 Mrd €. Drei Viertel der negativen Außenhandelsbilanz gehen damit auf das Konto von fossiler Energie.

Raus aus dem Gas

In der Statistik werden die Herkunftsländer nicht explizit ausgewiesen, jedoch die Regionen. Auf den Wert der Gas-Importe bezogen, kommen 86% aus GUS-Staaten, bei Öl liegt ihr Anteil bei 24%. Mit den entsprechenden Energieeffizienzmaßnahmen und dem forcierten Ausbau erneuerbarer Energieträger in Österreich könnten laut Umweltbundesamt die Nettoimporte von Erdöl bis 2030 um bis zu 70% und von Erdgas um mehr als die Hälfte reduziert werden. Auf Basis der Preise Anfang März könnten damit bis zum Jahr 2030 beim Import von Erdöl insgesamt 5,4 Mrd. € und von Erdgas 6 Mrd. € eingespart werden, rechnet man bei der Bank Austria.

Angesichts der hohen Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen in Europa hält Wolf die rasche Umsetzung der Maßnahmen für fast unabdingbar. Für die Gasversorgung in Österreich gelte dies aufgrund der höheren Abhängigkeit von russischem Gas, mit einem Importanteil von rund 80% im Vergleich zu 45% in der EU, noch stärker.

Industrie kämpft

Auch Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), findet drastische Worte: „Ich muss in aller Deutlichkeit sagen – die derzeitige Situation gefährdet den Industriestandort. Wenn die Politik nicht gegensteuert, werden wir unsere Industrie in der heutigen Form nicht aufrechterhalten können.” Erste Produktionsstopps und Drosselungen seien bereits Realität.

Knill fordert politische Maßnahmen, wie etwa die Strompreiskompensation, um die galoppierenden Energiekosten halbwegs im Zaum zu halten.„Der Preis für CO2-Emissionen hat sich in den letzten Monaten vervielfacht und treibt damit auch die Stromkosten in die Höhe. Das ist neben den hohen Gaspreisen u.a. ein direktes Ergebnis einer einseitigen europäischen Klimapolitik, wie sie derzeit auch in Österreich stattfindet. Eine Politik, die ausschließlich europäische Unternehmen trifft, nicht aber deren Mitbewerber überall sonst in der Welt”, poltert der IV-Präsident.
Die steigenden Energiepreise am Weg zur Klimaneutralität der EU würden die Wettbewerbsposition einiger Branchen wahrscheinlich verschlechtern und die Energiearmut vieler Haushalte erhöhen, formuliert es Wolf etwas sanfter. Dies seien zwei Aspekte, welche im Hinblick auf den Klimaschutz politische Unterstützung erfordern. Dennoch brauche die Energiewende eine Verteuerung der Emissionszertifikate und der fossilen Energieträger, damit sich Investitionen in emissionsmindernde Technologien rechnen.

Unpopulär, aber ehrlich

Der Plan der EU-Kommission, innerhalb eines Jahres die Importe von Erdgas aus Russland um zwei Drittel zu reduzieren, komme einem Wunschdenken gleich, betont Knill. Die Politik sei vielmehr gefordert, die Gaslieferungen aus Russland trotz der gegebenen politischen Konflikte aufrechtzuerhalten. „Wir können die Wirtschaft, wie wir sie kennen, ohne Gas aus Russland nicht aufrechterhalten.”

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