Digitalisierungsindex 2022
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INDUSTRIAL TECHNOLOGY Helga Krémer 01.07.2022

Digitalisierungsindex 2022

Homeoffice & Co sind gekommen um zu bleiben und treiben Digitalisierung in Österreichs Betrieben voran. Wissens- & Finanzierungslücken, schwaches Internet und veraltete IT-Infrastruktur sind dabei die größten Challenges.

WIEN. Zweieinhalb Jahre Pandemie haben die Arbeitswelt in Österreich nachhaltig verändert: Trends wie Homeoffice, mobiles Arbeiten und Online-Kommunikation mit Kunden sind gekommen, um zu bleiben. Das schlägt sich – wenn auch verhalten – im österreichischen Digitalisierungsindex nieder, der seit 2017 den Digitalisierungsfortschritt in den heimischen Betrieben misst und 2022 von 35 auf 37 gestiegen ist. Ein Viertel der heimischen Unternehmen hat demnach bei ihrem Digitalisierungsfortschritt mehr als die Hälfte des Weges zurückgelegt und gilt damit mittlerweile zumindest als „Digital Orientiert“ oder als „Digitaler Champion“. Vor der Pandemie ist das erst bei 19% der Unternehmen der Fall gewesen, so der am 23. Juni 2022 veröffentlichte Digitalisierungsindex für Österreich, der vom Telekommunikationsanbieter Drei bei Arthur D. Little und marketmind in Auftrag gegeben wurde und für den von April bis Mai 2022 mehr als 800 Unternehmen aller Branchen und Größen in ganz Österreich befragt wurden.
Der Anteil der Großunternehmen, die Homeoffice nutzen, ist von 2021 auf 2022 von 75 auf 81% weiter gestiegen. Insgesamt gibt es nach wie vor in 38% der heimischen Betriebe Homeoffice-Möglichkeiten und bereits in jedem elften Unternehmen Shared Desks-Lösungen. Auch Shared Office Spaces nehmen stark zu. Die Zahl der Betriebe, die ihre Büroflächen teilen, hat sich in einem Jahr von 2,5 auf 6,5% erhöht.

Viele kleine Unternehmen konnten vor allem in den wirtschaftlich herausfordernden Zeiten zu Beginn der Pandemie bei der Digitalisierung nicht mithalten, dürften jetzt aber zum Teil nachziehen: Von 2021 auf 2022 hat sich die Zahl jener Unternehmen, die in den nächsten 12 Monaten in Digitalisierung investieren wollen, von 18 auf 24% erhöht.

Wunsch nach Unterstützung
Drei Viertel der heimischen Firmen sehen in der digitalen Transformation große Chancen – auch in Bezug auf nachhaltiges Wirtschaften. Knapp 8 von 10 Unternehmen stehen in diesem Bereich aber auch vor Herausforderungen wie Mangel an Know-how und Finanzierungsproblemen und wünschen sich mehr Unterstützung. 20% der Unternehmen sehen in der Digitalisierung nach wie vor überhaupt keine neuen Möglichkeiten.

„Die nachhaltigen Veränderungen in Unternehmen und deren Arbeitswelt sind nach mehr als zwei Pandemiejahren klar zu erkennen“, sagt Rudolf Schrefl, CEO von Drei, und erklärt: „Die Zahl der großen Unternehmen, die Homeoffice nutzen oder Arbeitsplätze und Büroräume mit anderen teilen, steigt auch 2022 nach wie vor an. Unternehmen, die vor der Pandemie bereits eine Vorstellung von ihren Möglichkeiten zur Digitalisierung hatten, haben diese zum Teil auch genutzt. Dagegen haben sich diejenigen, die die Digitalisierung gänzlich verweigern und die vor der Pandemie noch ganz am Anfang gestanden sind, kaum bewegt. Vielmehr fällt bald ein Viertel der Betriebe immer mehr zurück. Information, Aufklärung, Förderung – vor allem für Klein- und Kleinstbetriebe – und breiter verfügbares, schnelles und verlässliches Internet in ganz Österreich sind kritisch für die zukünftige Entwicklung dieser Betriebe.“

Leistungsstärkeres Internet und verbesserte IT-Ausstattung
Der Digitalisierungsindex errechnet sich aus fünf Einzelfaktoren von der IT-Ausstattung und -Vernetzung über Online-Präsenz und -Vertrieb bis zur Arbeitsweise. Auf einer Skala von 1 bis 100 gibt der Index den Digitalisierungsgrad eines Unternehmens an.

Der Anstieg des Digitalisierungsindex von 35 auf 37 gäbe laut Managing Partner von marketmind Stefan Schiel allerdings nur vorsichtigen Grund zu Optimismus; eher zu Sorge, weil das Wachstum zu langsam ist: „Generell wächst das Grundverständnis für Digitalisierung in der heimischen Unternehmenslandschaft nur moderat. Die Hoffnung auf Kostenersparnis überholt mittlerweile die Hoffnung auf Neukunden. Gleichzeitig können viele Unternehmen immer noch keinen konkreten Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Mitbewerbern benennen und die Problemlösungskompetenz der Digitalisierung für große Herausforderungen der aktuellen Zeit – z.B. Mangel an qualifizierten Arbeitskräften – wird noch nicht in entsprechender Art und Weise gesehen.“

Für Karim Taga, Managing Partner von Arthur D. Little zeige der diesjährige Index deutlich, dass viele Unternehmen, insbesondere im Bereich der Klein- und Mittelbetriebe, Hilfe auf dem Weg zur Digitalisierung brauchen. „Den größten Unterstützungsbedarf sehen österreichische Betriebe bei leistungsstärkerer Internetverbindung, verbesserter IT-Infrastruktur und Beratung zur Umsetzung der digitalen Transformation. Telekomanbieter sind jetzt gefordert, leistungsfähige, flächendeckende 5G Netze aufzubauen und ihre Angebote auf Bedürfnisse von Klein- und Mittelbetrieben maßzuschneidern. Es sind allerdings nicht nur ICT-Anbieter, sondern auch die öffentliche Hand und Corporates gefragt, um KMUs bei der digitalen Transformation zu unterstützen“, betont Taga.

5G gilt bereits als beste und schnellste Alternative überall dort, wo Glasfaser nicht verfügbar ist. Neben Glasfaser (52%) wird 5G (34,3%) der größte Einfluss auf die digitale Transformation in Österreich zugeschrieben. In praktisch allen Digitalisierungsbereichen wird 5G nach Einschätzung der Unternehmen eine wichtige Rolle spielen – vom Homeoffice über die Kundenkommunikation bis zum Fuhrparkmanagement oder der Übertragung von Störungsmeldungen.

Digitalisierte Unternehmen setzen auf Nachhaltigkeit
Erstmals abgefragt wurde in der Umfrage auch der Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Unternehmen, die bei der Digitalisierung fortschrittlich sind, bekennen sich demnach auch stärker zu nachhaltigem Wirtschaften. Insgesamt gibt derzeit ein Drittel der Unternehmen an, sich in den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz zu engagieren und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Weitere knapp 30% widmen dem Thema zumindest ein gewisses Augenmerk. Bei den digitalisierteren Unternehmen ist der Anteil deutlich höher.
Generell sind 73% der Meinung, dass Digitalisierung die Nachhaltigkeit etwa durch Einsparungen von Wegen und Ressourcen oder durch die Optimierung von Prozessen und Kommunikation fördert. Die restlichen 27%, unter ihnen vor allem die Digitalisierungsverweigerer oder -beginner, sind dagegen der Meinung, dass Digitalisierung Nachhaltigkeit sogar entgegenwirkt. (hk)

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