KI ist – im allerbesten Wortsinn – wirklich heiß
© Dan DeLong/Microsoft
INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 03.10.2025

KI ist – im allerbesten Wortsinn – wirklich heiß

Microsofts innovative Chip-Kühlung setzt mittels ­Mikrofluidik-Technologie ganz neue Maßstäbe.

Mit dem rasanten Fortschritt im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) steigen auch die Anforderungen an Hardware – insbesondere an die Kühlung leistungsstarker Chips in Rechenzentren. Denn die Chips, die in Rechenzentren zur Ausführung der neuesten KI-Durchbrüche verwendet werden, erzeugen sehr viel mehr Wärme als frühere Generationen aus Silizium. Und jeder, dessen Telefon oder Laptop schon einmal überhitzt ist, weiß, dass Elektronik nicht gerne heiß wird. Angesichts der steigenden Nachfrage nach KI und neueren Chipdesigns könnte die aktuelle Kühltechnologie mittels Kühlplatten dem Fortschritt in wenigen Jahren ein jähes, heißes Ende setzen.
Denn, so Sashi Majety, leitender technischer Programmmanager für Cloud Operations und Innovation bei Microsoft: „Wer sich noch immer stark auf die traditionelle Kühlplattentechnologie verlässt, ist schon in fünf Jahren aufgeschmissen.“

Coole Sache
Um dieses Problem zu lösen, hat Microsoft erfolgreich ein neues Kühlsystem getestet, das Wärme je nach Arbeitslast und Konfiguration bis zu dreimal besser ableitet als Kühlplatten. Es nutzt Mikrofluidik, ein Verfahren, bei dem flüssiges Kühlmittel direkt in das Silizium gelangt – und zwar genau dorthin, wo die Wärme entsteht. Winzige Kanäle werden direkt auf die Rückseite des Siliziumchips geätzt, wodurch Rillen entstehen, durch die die Kühlflüssigkeit direkt auf den Chip fließen und die Wärme effizienter abführen kann. Außerdem wird KI genutzt, um die einzigartigen Wärmesignaturen auf einem Chip zu identifizieren und das Kühlmittel präziser zu lenken. Mikrofluidik reduzierte zudem den maximalen Temperaturanstieg des Siliziums in einer GPU (graphics processing unit) um 65%, wobei dieser Wert je nach Chiptyp variiert.

Natur als Vorbild
Mikrofluidik sei kein neues Konzept, doch ihre Umsetzung sei branchenweit eine Herausforderung, weiß Husam Alissa, Leiter für Systemtechnologie im Bereich Cloud Operations and Innovation bei Microsoft: „Systemisches Denken ist bei der Entwicklung einer Technologie wie der Mikrofluidik entscheidend. Man muss die Systeminteraktionen zwischen Silizium, Kühlmittel, Server und Rechenzentrum verstehen, um das Beste daraus zu machen.“
Schon die richtigen Rillen sind schwierig. Die Mikrokanäle haben ähnliche Abmessungen wie ein menschliches Haar, sodass kein Spielraum für Fehler bleibt. Die Kanäle müssen tief genug sein, um ausreichend Kühlflüssigkeit zirkulieren zu lassen – ohne dabei zu verstopfen–, gleichzeitig aber auch nicht so tief sind, dass das Silizium instabil wird und die Gefahr besteht, dass es bricht.

Im Rahmen der Prototypenentwicklung arbeitete Microsoft mit dem Schweizer Start-up Corintis zusammen, um mithilfe von KI ein bioinspiriertes Design zu optimieren, das die Hotspots der Chips effizienter kühlt als die ebenfalls getesteten, geraden Auf- und Ab-Kanäle. Das Biodesign ähnelt den Adern eines Blattes oder eines Schmetterlingsflügels – die Natur hat bewiesen, dass sie die effizientesten Wege findet, um die benötigte Energie zu verteilen.

Dreidimensionale Zukunft
Mikrofluidik hat zudem das Potenzial, völlig neue Chip­architekturen wie 3D-Chips zu ermöglichen. So wie die Platzierung von Servern nahe beieinander die Latenz reduziert, reduziert das Stapeln von Chips diese noch weiter. Der Bau solcher 3D-Architekturen ist aufgrund der entstehenden Wärme jedoch eine Herausforderung.
Mikrofluidik bringt das Kühlmittel allerdings extrem nahe an die Stelle, an der Strom verbraucht wird, sodass Flüssigkeit durch den Chip fließen könnten. Dies würde ein anderes Mikro­fluidik-Design erfordern, bei dem zylindrische Stifte zwischen den gestapelten Chips verwendet werden, ähnlich wie Säulen in einem Parkhaus, um die herum Flüssigkeit fließt resp. Autos parken.

„Jedes Mal, wenn wir Dinge effizienter und einfacher erledigen können, eröffnet dies die Möglichkeit für neue Innovationen, bei denen wir uns neue Chip­architekturen ansehen könnten“, sagt Judy Priest, Corporate Vice President und Chief Technical Officer für Cloud Operations und Innovation bei Microsoft.

Durch die Aufhebung der durch die Hitze gesetzten Begrenzung könnten auch mehr Chips in einem Rechenzentrums-Rack oder mehr Kerne auf einem Chip untergebracht werden, was die Geschwindigkeit verbessern und kleinere, aber leistungsstärkere Rechenzentren ermöglichen würde.

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