Nach dem Einbruch kommt die Gegenbewegung
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INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 02.04.2020

Nach dem Einbruch kommt die Gegenbewegung

V-förmiger Verlauf der Industriekonjunktur, wenn die Ausbreitung des Coronavirus bis zum Sommer eingedämmt werden kann.

WIEN. Nach den positiven Anzeichen einer Stabilisierung zu Jahresbeginn sind die Auswirkungen der Coronakrise in der österreichischen Industrie mittlerweile stark zu spüren. „Der UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex ist im März auf 45,8 Punkte gesunken. Der monatliche Rückgang des Indikators um 4,4 Punkte war der stärkste seit dem Beginn der Finanzkrise im Herbst 2008 und weist damit auf eine abrupte Verschärfung der seit dem Frühjahr 2019 laufenden Rezession in der österreichischen Industrie hin“, meint UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer.

Die heimische Industrieentwicklung verläuft damit analog zur internationalen Entwicklung. Der vorläufige Einkaufsmanagerindex für die Verarbeitende Industrie in der Eurozone zeigt ebenfalls einen deutlichen Einbruch um 4,4 auf 44,8 Punkte. Während in Deutschland, dem wichtigsten Handelspartner der österreichischen Industrie, der Rückgang des vorläufigen Einkaufsmanagerindex auf 45,7 Punkte noch relativ überschaubar ausfiel, verzeichneten vor allem einige südeuropäische Länder massive Industrieeinbrüche.

Starker Nachfragerückgang
Die deutliche Verringerung des UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex im März ist stark auf die massive Reduktion der Produktion in den Betrieben zurückzuführen. „Die österreichische Industrie hat im März die Produktionsleistung drastisch zurückgenommen. Der Produktionsindex fiel auf 42,5 Punkte, den tiefsten Wert seit der Finanzkrise. Beispiellos ist das Tempo der Produktionsverringerung. Der Rückgang um fast neun Punkte innerhalb eines Monats war mit Abstand der stärkste seit Beginn der Umfragen vor über 20 Jahren“, so Bruckbauer.

Die starke Zurücknahme der Produktion ist nicht nur den Maßnahmen zur Beschränkung des öffentlichen Lebens in Österreich geschuldet, die teilweise Betriebsschließungen notwendig machten, sondern vor allem auch eine Folge des drastisch nachlassenden Neugeschäfts. „Die Auftragsentwicklung verschlechterte sich im März dramatisch. Der Index der Auftragseingänge sank auf 37 Punkte. Das bedeutet den stärksten Rückgang im Neugeschäft seit der Finanzkrise, stark zurückzuführen auf rückläufige Exportaufträge verstärkt durch Grenzschließungen, Quarantänemaßnahmen und Betriebsunterbrechungen in Handelspartnerländern“, meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl. Als Folge des starken Nachfragerückgangs nahmen trotz der gleichzeitigen Produktionsrücknahme die Auftragspolster der heimischen Betriebe deutlich ab. Das bedeutet, dass viel mehr Aufträge abgearbeitet wurden als neue hinzukamen.

Aufgrund der verschlechterten Nachfragesituation hat die österreichische Industrie den Einkauf von Rohstoffen und Vormaterialien deutlich verringert, obwohl die Preise im März erneut und noch stärker als im Vormonat nach unten gingen. „Viele Rohstoffe wie vor allem Erdöl sowie viele Vormaterialien konnten im März günstiger eingekauft werden. Zugleich führte die schwache Nachfrage in einem verschärften Wettbewerbsumfeld zu einem beschleunigten Rückgang der Verkaufspreise. Unterm Strich haben sich die Preisentwicklungen im Ein- und Verkauf für die heimischen Betriebe im Vergleich zum Vormonat im Durchschnitt kostenmäßig neutralisiert“, meint Pudschedl.

Stark beschleunigter Personalabbau
Um den derzeit hohen Herausforderungen durch die deutlich verringerte Nachfrage und angebotsseitigen Beschränkungen kostenmäßig zu begegnen, haben die Betriebe begonnen, ihren Personalstand rasch zu reduzieren. „Der Rückgang des Beschäftigtenindex auf 42,7 Punkte signalisiert den raschesten Abbau an Mitarbeitern seit der Finanzkrise, trotz des bereits angelaufenen Kurzarbeitsmodells der österreichischen Regierung“, meint Pudschedl.

Durch den abrupten Einbruch der Nachfrage ist auch das Lagermanagement vor große Herausforderungen gestellt. Die Bestände in den Fertigwarenlagern und damit die Kosten für die Lagerhaltung stiegen erstmals seit drei Monaten wieder an. Zudem konnten erstmals seit einem Jahr die Lagerbestände an Vormaterialien nicht weiter reduziert werden, da die deutliche Verringerung der Einkaufsmengen angesichts der starken Einbußen im Neugeschäft nicht ausreichend stark war.

Spürbare Gegenbewegung der Industriekonjunktur erwartet
Nach einem sehr schwierigen Jahr 2019 zeigt der starke Rückgang des UniCredit Bank Austria Einkaufsmanagerindex, dass die wirtschaftlichen Folgen der Ausbreitung des Coronavirus die Rezession in der österreichischen Industrie Ende des ersten Quartals 2020 abrupt verschärft hat; zudem haben sich die weiteren Aussichten rasant verschlechtert.

Der Index für die Produktionserwartungen der heimischen Betriebe für zwölf Monate hat sich innerhalb eines Monats auf 30,1 Punkte halbiert und liegt damit auf dem mit Abstand historisch niedrigsten Wert. Damit signalisiert die aktuelle Umfrage, dass sich die aktuelle Situation in den kommenden Monaten noch deutlich stärker negativ auf die Industriekonjunktur Österreichs auswirken dürfte, zumal die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus in ganz Europa im Verlauf des März schrittweise verschärft wurden.

Die heimische Industrie leidet jedoch nicht nur unter den Maßnahmen zur Beschränkung des öffentlichen Lebens in Österreich, sondern als stark exportorientierter Sektor der Wirtschaft vor allem unter den Unterbrechungen der globalen Wertschöpfungsketten durch Quarantänemaßnahmen, Betriebsstillstände und Grenzschließungen. „Nach dem Rückgang im Jahr 2019 um durchschnittlich 0,7 Prozent ist in den kommenden Monaten mit einem zweistelligen Einbruch der Industrieproduktion zu rechnen. Unter der Annahme, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus in der zweiten Jahreshälfte schrittweise wieder rückgängig gemacht werden können, sollte sich der Rückgang der Industrieproduktion im Gesamtjahr 2020 auf etwa sieben Prozent begrenzen lassen“, sagt Bruckbauer.

Die Ökonomen der UniCredit Bank Austria erwarten einen V-förmigen Verlauf der Industriekonjunktur für 2020 mit einem starken Einbruch in den kommenden Monaten, dem aber ab dem dritten Quartal eine starke Gegenbewegung nach oben folgen sollte. Damit wären die Einbußen der heimischen Industrie im Jahresdurchschnitt geringer als während der Finanzkrise. Zudem sollte im Vergleich zu vielen Dienstleistungsbranchen die heimische Industrie die Coronakrise etwas besser durchtauchen können. (pj)

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