WIEN. Mobile Robotiksysteme halten immer häufiger in modernen Produktionsstätten Einzug. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bieten flexible und modulare Roboter und Manipulatoren interessante Einsatzmöglichkeiten. Allerdings gilt es bei der Einbindung solcher Systeme in die firmeneigenen Produktionsprozesse auch, die Anforderungen im Hinblick auf Maschinensicherheit (Safety) und Informationssicherheit (Security) zu beachten. Gerade für kleinere Unternehmen ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema neben dem Tagesgeschäft jedoch oft eine Herausforderung. Ein Team der FH Technikum Wien hat nun gemeinsam mit dem TÜV Austria nun ein White Paper erstellt, das besonders für KMU den Einstieg in die Materie erleichtern soll.
Unter dem Titel „Sichere mobile Robotik in modernen Produktionssystemen“ gibt der Handlungsleitfaden einen Überblick über die aktuellen Normen und rechtlichen Vorschriften und erläutert von der Konzeption bis zur Einbettung in den laufenden Betrieb die wichtigsten Schritte bei der Implementierung in den Produktionsprozess. Entstanden ist das White Paper im Kompetenzfeld Smart Manufacturing, Automation & Robotics der Fachhochschule im Rahmen des von MA 23 der Stadt Wien geförderten Forschungsprojekts „Sicherheit in intelligenten Produktionsumgebungen (SIP 4.0)“.
Automatisierung und vernetzte Produktion – Vorteile und Risiken
„Der Einsatz von mobilen Robotern bietet für Produktionsbetriebe viele Vorteile, wie etwa gleichbleibende Prozesse, eine gute Skalierbarkeit und die Möglichkeit zu einer Automatisierung, die trotzdem flexibel an sich ändernde Anforderungen anpassbar ist“, erklärt FH Technikum Wien-Projektleiter Clemens Ambros. Klassische Anwendungsbereiche seien etwa der Materialtransport, kleinere Bearbeitungs- oder auch Montagetätigkeiten. Mit dem Einsatz von sogenannten cyber-physischen Systemen hielten auch Vernetzung und Echtzeit-Anbindung Einzug in die Produktion. „Man holt sich damit aber auch eine Unmenge an Daten und neue Schnittstellen an die Maschine. IT-Security und physische Sicherheit sind bei diesen Anwendungen eng miteinander verknüpft. Denn wird ein solches System gehackt, kann etwa ein Außenstehender die Steuerung eines Roboters übernehmen“, sagt Ambros. Er kenne Unternehmen, die deshalb etwa das WLAN-Modul aus dem mobilen Roboter ausgebaut hätten, um es so von der Netzverbindung zu trennen. „Das kann aber auch nicht Sinn der Sache sein“, so der Experte.
CE-konformer Maschineneinsatz
Die 2009 erstmals herausgegebene ÖNORM EN 62443 behandelt das Thema IT-Sicherheit im industriellen Kontext, wurde seither mit weiteren Teilen ergänzt und gibt die grundlegende Vorgehensweise bei der Erstellung sicherer Netzwerke vor. In der „Digital Factory“ der FH Technikum Wien beschäftigt man sich seit dem Start des Projekts 2017 intensiv mit dem Thema. In der Industrie 4.0-Pilotfabrik der Fachhochschule kommt auch eine Kombination aus Industrieroboter und fahrerlosem Transportsystem zum Einsatz, wie sie bereits teilweise in modernen Industrieunternehmen angewandt wird (siehe Bild). Wenn eine solche Kombination nicht bereits herstellerseitig vorgesehen ist, ist damit jedoch auch eine neue, oft aufwendige Risikobeurteilung und CE-Kennzeichnung notwendig. „Dies gilt auch dann, wenn ich nur einen neuen Endeffektor, also etwa einen Greifer oder ein Bearbeitungswerkzeug, an den Roboter anfüge. Die Grenzen zwischen Hersteller und Betreiber einer Maschine sind bei diesem Thema fließend“, erklärt Ambros.
Zudem sind etwa auch bei sogenannten kollaborativen Robotern, also kleineren Industrierobotern, die häufig ohne eigenen Schutzzaun verwendet werden, mitunter zusätzliche Sicherungsmaßnahmen notwendig. „Es gibt Schätzungen, nach denen rund 70 bis 80 Prozent aller Maschinen, die in Umlauf sind, eigentlich nicht CE-fähig sind“, sagt Ambros. Neben diesen technisch-rechtlichen Anforderungen seien für Unternehmer auch Regelungen aus dem Arbeitnehmerschutzgesetz zu beachten. Erst, wenn diese Fragen gelöst seien, könne man sich um die organisatorische Einbettung der Robotiksysteme in die Produktionabläufe kümmern.
Überblick über Normen und Vorschriften
„Mit dem White Paper wollen wir potenziellen Anwenderinnen und Anwendern ein Gefühl für die Gesamtsituation vermitteln und einen Ausgangspunkt schaffen, von dem aus man sich weiter mit dem Thema befassen kann“, so Ambros. Das White Paper bietet neben einem Überblick über die relevanten Normen und gesetzlichen Vorschriften auch einen ausführlichen Abschnitt über Begriffsdefinitionen. Für einen „Best Practice“-Teil haben die Expertinnen und Experten der FH Technikum Wien und des TÜV Austria Belastungsmessungen durchgeführt, um mögliche Gefährdungspotenziale genauer aufzeigen zu können. Um Sicherheitslücken im Hinblick auf die IT-Security zu ermitteln, wurden außerdem an einem Testnetzwerk mehrere „Penetration Tests“ durchgeführt, in denen versucht wurde, von außen die Kontrolle über die Maschine zu erlangen.
Robotik studieren am Technikum
Neben der Technikum Digital Factory als modernem Forschungslabor bietet die FH Technikum Wien als einzige Fachhochschule in Österreich sowohl einen Bachelor- (Mechatronik/Robotik) als auch einen Master-Studiengang (Robotics Engineering) im diesem Themenbereich an. Die Sicherheitsaspekte im Hinblick auf den Einsatz von Robotik in der industriellen Fertigung werden künftig als fixer Bestandteil in der Lehre verankert. Damit sollen die aktuellen Bedürfnisse aus der Unternehmenspraxis noch stärker in der Lehre berücksichtigt werden. Gleichzeitig wird das Thema auch nach Beendigung des Forschungsprojekts zu sicherer mobiler Robotik im Kompetenzfeld intensiv weiterverfolgt. (hk)