Trägerrakete Ariane 6  mit Hightech aus Wien
© APA/AFP/Julien De Rosa
INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 05.09.2025

Trägerrakete Ariane 6 mit Hightech aus Wien

Heimische Forschungseinrichtungen und Unternehmen profitieren von den verstärkten Aktivitäten der ESA.

Das alle drei Jahre stattfindende Living Planet Symposium der Europäischen Weltraumagentur ESA, heuer erstmals in Wien, zeigte deutlich, dass der Weltraum weltweit, aber auch in Österreich, immer mehr an Bedeutung gewinnt, sei es im Bereich der Erdbeobachtung, zur Gewährleistung von Sicherheit und Souveränität, in der Forschung oder als wachsender Industriezweig.

Der heimische Weltraumsektor besteht aus rund 150 Unternehmen und generiert nach Angaben von Austrospace, dem Verband der österreichischen Raumfahrtindustrie und Forschungseinrichtungen, einen Umsatz von rund 250 Mio. € pro Jahr.

Geschickt positioniert
Das Wiener High-Tech Unternehmen TTTech beispielsweise bringt österreichische Technologie ins All und hat erfolgreich Produkte entwickelt, die in vielfältigen Anwendungen – von Raumstationen über Trägerraketen, Transportvehikel bis hin zu Satelliten – eingesetzt werden. TTTech ist seit mehr als 20 Jahren in der Weltraum­industrie tätig und in vielen internationalen Programmen dabei, sagt Christian Fidi, Leiter der Luft- und Raumfahrtsparte bei TTTech: „Unsere Kernkompetenz sind hoch-zuverlässige Datennetzwerke – quasi die Nervensysteme, die sicherstellen, dass alle Daten ausfallsicher übertragen werden und Systeme einwandfrei funktionieren. Unsere Luft- und Raumfahrtsparte trägt mehr als 20 Prozent zum Umsatz von TTTech bei, 2025 wird es bereits mehr als ein Viertel sein und von den 1.100 Mitarbeitenden der TTTech arbeiten auch knapp ein Viertel an Projekten in diesem Bereich.“

Das heimische Unternehmen hat eine Netzwerktechnologie (TTEthernet) entwickelt, die in Zusammenarbeit mit NASA und ESA in einen internationalen Standard gegossen wurde, der heute als Basis für die Datennetzwerke einiger der wichtigsten Raumfahrtprogramme und Luftfahrtanwendungen dient.
Die Lösungen des Unternehmens werden z.B. in der größten europäischen Trägerrakete Ariane 6, in der NASA Orion-Raumkapsel und dem internationalen „Lunar Gateway“ eingesetzt, aber auch in kommerziellen Anwendungen von „New Space“-Unternehmen oder dem neuesten Cockpit des US-Luftfahrtzulieferers Honeywell.

Am Anfang steht die Idee …
Produkte für den Weltraum zu entwickeln, ist kein einfaches Unterfangen – die besonderen Anforderungen bedingen, dass komplexere Produkte oft Jahre bis zur erfolgreichen Qualifizierung brauchen. Während kleinere Anbieter sich häufig mit Projektarbeit begnügen, also eine Lösung nur für ein bestimmtes Projekt der ESA qualifizieren, gehört TTTech zu den wenigen Playern, die auf die Entwicklung von Produkten setzen, die in verschiedensten Raumfahrtanwendungen zum Einsatz kommen können. Dadurch muss zwar anfangs deutlich mehr investiert werden – für die Entwicklung eines Chips können 10 bis 20 Mio. € veranschlagt werden – jedoch ergibt sich in der Folge eine starke Skalierbarkeit.

… und die Geldsuche
Trotz des starken Wachstums ist der Raumfahrtmarkt, etwa im Vergleich z.B. zur Automobilindustrie, ein nach wie vor überschaubarer Markt. Das macht ihn für Wagniskapitalgeber, an denen es Europa ohnehin mangelt, insbesondere für Technologieentwicklungen mit sehr spätem Return on Investment unattraktiv. Daher brauche es staatliche Unterstützung und eine langfristige und verlässliche Technologiepolitik um die Infrastruktur im Weltraum, bei der die EU im Vergleich zu USA, China oder Indien hinterher hinkt, zu ermöglichen. Sie ermöglicht es, die Risiken, die durch Marktverschiebungen während langer Entwicklungszyklen entstehen, abzufedern. Somit wird sie praktisch zu einer Grundvoraussetzung für die Branche – von Start-ups und Forschungseinrichtungen bis zu etablierten Unternehmen –, um weiterhin in hochspezialisierte Fachkräfte, Innovation, sowie Forschungs- und Entwicklungstätigkeit zu investieren können.

Zum marktfähigen Produkt
„Jeder Euro, den Österreich über das ASAP Weltraumprogramm einerseits und durch die Europäische Weltraumagentur ESA andererseits für die Entwicklung von Weltraumtechnologien ausgibt, kommt vielfach in Form von High-Tech Aufträgen wieder zurück“, unterstreicht Karin Tausz, Geschäftsführerin der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) die Bedeutung der öffentlichen Unterstützung für Produktentwicklungen. Die Anschubfinanzierung der FFG und die Teilnahme an ESA-Entwicklungsprogrammen haben mit dazu beigetragen, dass TTTech seine Produkte realisieren konnte. Ein Erfolgsbeispiel ist die Weiterentwicklung des TTE-Controller Chips aus dem Ariane 6 Programm für den Einsatz im Lunar Gateway. Dafür wurde einerseits in Österreich die notwendige Software entwickelt, und andererseits von Beyond Gravity Austria in Wien elektronische Baugruppen für die Computersysteme und Netzwerkelemente samt mechanischer Umhausung konzipiert und produziert, die den TTE-Controller in einem Keramikgehäuse beinhalten.

Für die Raumstation
„Wir liefern gemeinsam mit Beyond Gravity Austria eine Netzwerk- und Computing-Plattform für das Lunar Gateway, die für den Aufbau des Ethernet-basierten Datennetzwerkes genutzt wird“, so Fidi und führt aus: „Die Besonderheit dabei ist, dass die von uns entwickelte TTEthernet-Technologie die Übertragung von Daten für die missions- und sicherheitskritische Steuerung des Raumfahrzeuges sowie von weniger kritischen Bild-, Ton- und Protokollierungsdaten in einem einzigen Netzwerk kombiniert. So können Komplexität und Gewicht reduziert, aber auch die flexible Anbindung weiterer Computer für wissenschaftliche Experimente oder zukünftige Erweiterungen realisiert werden.
Wachstumschancen sieht Fidi unter anderem in der Vertiefung der Zusammenarbeit mit New Space-Unternehmen. Diese brauchen nicht nur innovative Lösungen, sondern vor allem auch bereits erprobte Technologie, die das Risiko und die Entwicklungszeiten minimiert. Unsere langjährige Erfahrung mit NASA- und ESA-Programmen und die bereits verfügbaren Produkte kommen uns hier zugute und eröffnen uns weitere Geschäftsfelder.“

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