„Untätigkeit können wir uns schlicht nicht leisten”
© Philipp Horak/IV
INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 02.02.2024

„Untätigkeit können wir uns schlicht nicht leisten”

Georg Knill, Präsident der IV, findet zur aktuellen ­Situation klare Worte und warnt vor einem ungenutzten Wahljahr.

••• Von Helga Krémer

Das Jahr 2024 sei ein Jahr der Weichenstellungen – sei es auf globaler, europäischer oder nationaler Ebene. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung werde dieses Jahr zu den Wahlurnen gerufen, betont Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), im Rahmen eines Pressegesprächs: „Auch in Österreich steht neben der EU-Wahl auch die Wahl zum Nationalrat an. Klar ist für uns: Das Wahljahr darf nicht ungenutzt bleiben, das können wir uns angesichts der sinkenden Wettbewerbsfähigkeit schlichtweg nicht leisten.”

Wahlen als Chance

„Das bevorstehende Super-wahljahr kann auch die Chance zur Kurskorrektur sein und uns wieder auf den richtigen Weg bringen mit einem starken, aber schlanken und effizienten Staat mit modernen Institutionen, die sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, Rechtssicherheit gewährleisten, effizient und digital arbeiten und dabei verantwortungsvoll das Budget im Auge behalten”, betont auch IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.

Vor diesem Hintergrund hat die IV Maßnahmen definiert, die bis zu den anstehenden Wahlen noch umzusetzen sind, um den Standort und die Wettbewerbsfähigkeit weiter zu stärken.

Freeze Period

Kurz vor bevorstehenden Wahlen kommt es bekannterweise gerne zu teuren Beschlüssen, die als „Wahlkampfzuckerl” gelten. Diese Beschlüsse seien meist kurzfristig und undurchdacht, belasteten jedoch über viele Jahre das Budget und somit die Steuerzahler. Besonders vor Nationalratswahlen werden milliardenschwere Maßnahmen umgesetzt, um kurzfristig noch Wähler zu überzeugen. „Wir erinnern uns an 2008, wo nur wenige Tage vor der Wahl in einer einzelnen Nationalratssitzung Maßnahmen umgesetzt wurden, die uns bis heute rund 40 Mrd. Euro gekostet haben. Diese ‚Phänomene' haben wir leider immer wieder erlebt – unverantwortliche und meist sehr teure Beschlüsse wurden gefasst, in der Hoffnung auf ein besseres Wahlergebnis –, die Erfahrung hat dieser Idee jedoch selten Recht gegeben. Wir rufen daher die politischen Parteien auf, sich auf eine gemeinsame ‚Freeze-Period' zu verständigen und somit in der Zeit nach Auflösung der Regierung bzw. für die Phase des Intensivwahlkampfs keine budgetbelastenden Beschlüsse mehr zu fassen”, so Knill.

Energieförderung bis 2030

Um dem drohenden eklatanten Wettbewerbsnachteil für heimische Industriebetriebe entgegenzuwirken, fordert die Industriellenvereinigung eine rasche und weitere zielsichere Entlastung für die betroffene Industrie bis 2030. Konkret geht es dabei um die Ausweitung und Verlängerung des Modells der Strompreiskompensation, das speziell für den Fall der hohen CO2- und Energiepreise entwickelt wurde.

Auch sollten Genehmigungsverfahren für den Ausbau der Erneuerbaren sowie der Stromnetze beschleunigt und die Erneuerbare-Energie-Richtlinie umgesetzt werden.

Senkung Lohnnebenkosten

Die derzeitige Struktur des österreichischen Steuer- und Abgabensystems belastet den Faktor Arbeit überdurchschnittlich hoch. Das wirkt wachstumshemmend und setzt falsche Anreize für die aktive Teilnahme am Wertschöpfungsprozess. Was es jetzt braucht, ist eine massive Senkung der Lohnnebenkosten.

Der Vorschlag Karl Nehammers in seiner Kanzlerrede, eine Senkung der Lohnnebenkosten und damit auch eine Senkung der Arbeitskosten im Gesamten in relevantem Ausmaß umzusetzen, sei laut IV dringend notwendig, um auch weiterhin erfolgreich im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Länder wie Island (34,9%), die Niederlande (39,9%) aber auch viele OECD-Staaten, wie z.B. Japan (28,1%) würden beweisen, dass niedrige Abgabenquoten und ein sehr gut ausgebauter Wohlfahrtsstaat Hand in Hand gehen können.
Österreich müsse die Abgabenquote bis 2030 von derzeit 43,2% auf 40% senken, fordert die IV. Denn die Steuer- und Abgabenlast sei eine der wichtigsten Faktoren für Standortentscheidungen. Laut OECD verzeichne Österreich die vierthöchste Abgabenquote auf Arbeit – das setze die falschen Anreize und mache Arbeit in Österreich für Unternehmen wie Arbeitnehmer sehr teuer und unattraktiv.

Anreize im Erwerbsleben

Im Rahmen des „Leistung muss sich lohnen”-Pakets hat die IV einige Maßnahmen vorgeschlagen, um den Fach- und Arbeitskräftemangel einzudämmen. So insbesondere eine Attraktivierung der Vollzeitarbeit durch Einführung eines Freibetrags, der bei Erfüllung des Kriteriums der Vollzeitarbeit einen Anteil des Einkommens von der Einkommensteuer befreit („Vollzeitbonus”). Auch soll nach Erreichen des Regel-Pensionsalters eine Halbierung der steuerrechtlichen Bemessungsgrundlage des Erwerbseinkommens greifen.

Um Anreize für die private Altersvorsorge sowie den Vermögensaufbau zu setzen und dabei den heimischen Kapitalmarkt weiter zu stärken, sieht die IV die Abschaffung der Kapitalertragssteuer (KESt) im Rahmen eines Vorsorgedepots als wesentlichen Anreiz. Dies führe zu einer Win-Win-Situation sowohl für Bürger als auch Unternehmer und schaffe einen starken Kapitalmarkt.

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