Bitte mehr Luxusreisende
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LUXURY BRANDS&RETAIL britta biron 01.07.2022

Bitte mehr Luxusreisende

Masterplan Die Luxusverbände von Frankreich, Italien, Großbritannien, Deutschland, Spanien und Schweden plädieren für Maßnahmen, um die kaufkräftigen Touristen verstärkt nach Europa zu locken. Das brächte der Wirtschaft zusätzliche 520 Mrd. Euro. Seite 4

Mailand/Paris/Wien. Während sich die großen Luxusmarken längst wieder über steigende Nachfrage nach Designerkleidung und Accessoires, Uhren und Schmuck, Möbeln und Home-Deko, Kosmetik und Parfüm, edlen Weinen und Spirituosen und entsprechend gute Geschäfte freuen können, läuft die Erholung von der Pandemie im Tourismus deutlich schleppender. Vor allem im Luxus-Segment. Und das trifft Europa besonders hart.

„Europa ist das beliebteste Reiseziel der Welt, und der Tourismus ist ein wichtiger Sektor der europäischen Wirtschaft, aber es gibt eine Fülle von ungenutztem Potenzial in der High-End-Kategorie. Obwohl der Luxussektor nur etwa zwei Prozent des gesamten Angebots im Bereich Hotellerie und Gastgewerbe ausmacht, generiert er rund 22 Prozent der gesamten Tourismusausgaben”, erklärt Matteo Lunelli, Vorsitzender des italienischen Luxusverbands Altagamma und Präsident der Europäischen Allianz der Kultur- und Kreativindustrien (ECCIA). Zu der gehören weiters der Meisterkreis in Deutschland, das Comité Colbert in Frankreich, Walpole in Groß­britannien, der Circulo Fortuny in Spanien und das Gustaf III Kommitté in Schweden – gemeinsam repräsentiert die Allianz rund 600 Marken und Kulturinstitutionen und etwa 80% des globalen Luxusmarktes.

Schwieriger Neustart

Dass die zahlungskräftigen Shoppingtouristen – vor allem aus den USA und Asien – während der letzten beiden Jahre in Europa gefehlt haben, hat die Luxusmarken selbst weniger hart getroffen, da US-Amerikaner und Asiaten verstärkt in ihren Heimatländern auf Shoppingtour gegangen sind und in den anderen Ländern das boomende Onlinegeschäft einen Teil der Umsatzausfälle kompensiert hat.
Luxushotels und Nobelrestaurants, aber auch Opernhäuser und Theater, Kunstgalerien und Museen oder exklusive Freizeiteinrichtungen haben das Ausbleiben der solventen Klientel, auf die in „normalen” Reisejahren rund ein Drittel der Umsätze in diesen Bereichen entfällt, dagegen in voller Härte zu spüren bekommen, waren außerdem auch in der Regel länger als der Handel von den pandemie­bedingten Beschränkungen ­betroffen und erholen sich nur langsam.
Daher braucht es nach Meinung der ECCIA sowohl auf EU-Ebene als auch in den einzelnen Mitgliedsländern gezielte Maßnahmen zur Förderung des Luxustourismus.

Ökonomischer Treiber

Um als Argumentationsgrundlage fundierte Zahlen, Daten und Fakten zur Hand zu haben, wurde die internationale Unternehmensberatung Bain & Co beauftragt, den Status quo sowie das wirtschaftliche Potenzial der Luxus-Reisebranche sowie ihren ökonomischen Einfluss auf andere Sektoren zu erheben. An der Untersuchung mitgearbeitet haben weiters Forwardkeys, Experte für die Analyse von Reisetrends auf Basis internationaler Flugverbindungen, der weltweit agierende Mehrwertsteuer-Rückerstatter Global Blue sowie das Luxusreise-Netzwerk Virtuoso.
Derzeit beträgt das Volumen zwischen 130 und 170 Mrd. €, das ist mehr als ein Fünftel (22%) dessen, was Touristen allgemein in Europa ausgeben. Drei Viertel entfallen auf die fünf größten Märkte, nämlich Frankreich (22 bis 27 Mrd. €), Italien (ca. 25 Mrd. €), Deutschland (5 bis 10 Mrd. €), Großbritannien (30 bis 35 Mrd. € und Spanien (20 bis 25 Mrd. €).
Über einen gut entwickelten Luxus-Sektor im Tourismus verfügen auch die Schweiz, Heimat der meisten Uhrenmarken im Top-Segment (5 bis 10 Mrd. €), sowie die beiden beliebten Feriendestinationen Griechenland (rd. 10 Mrd. € ) sowie Portugal (4 bis 6 Mrd. €). Auf die restlichen europäischen Länder entfallen rund 9 Mrd. €.
Mit geeigneten Maßnahmen, so die Bain-Studie, könnte die Wertschöpfung des Highend-Tourismus in Europa, der 2020 um 60 bis 75 Mrd. € geschrumpft ist, in den nächsten acht bis zwölf Jahren auf rund 520 Mrd. € gut verdreifacht werden.
Ein Potenzial, das man nach Meinung der ECCIA auf keinen Fall ungenutzt lassen dürfe.

Feine Küche lockt Gäste

Im Durchschnitt gibt ein Luxusreisender pro Tag acht Mal – in Italien sogar neun Mal – mehr für Unterkunft, Verpflegung sowie Freizeit- und Kulturaktivitäten aus als ein „normaler” Tourist.
Da Hotels im 4-Stern Superior- und 5-Stern-Segment rund doppelt so viel Personal benötigen wie gleich große Häuser in den günstigeren Kategorien, sieht die Studie auch positive Effekte für die Sicherung bestehender und die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze – nicht nur direkt in der Beherbergungsbranche, sondern auch im Gastgewerbe, dem Handel und dem Dienstleistungssektor. Von einer Zunahme der Zahl spendabler Gäste würden aber auch kleine, lokale Manufakturen profitieren.
Untersucht wurde in der Studie auf Basis der Daten des Vorjahres auch, was die Gründe sind, deretwegen Luxusurlauber Destinationen in Europa wählen. Mit 47% lag die Kulinarik klar auf Platz 1, gefolgt von Natur (41%), Geschichte (40%), Kultur (31%), Nachhaltigkeit (30%), Aktivurlaub (27%) und Kunst (19%); Badeurlaub (15%), Shopping und Unterhaltung (je 9%), Sport (6%) und Wellness (4%) sind keine alleinigen Gründe, sondern ergänzende.
Eine andere Gewichtung ergibt die Auswertung nach Ausgaben: Die Hälfte des Urlaubsbudgets geben Luxusurlauber für Kultur, Unterhaltung und Shopping aus, etwa 30% für das Hotel und 15% für Restaurantbesuche.
Investitionen in nachhaltigen und naturnahen Tourismus, Infrastruktur, die Schulung der Mitarbeiter in der Hotellerie und dem Gastgewerbe sowie eine Lockerung und Vereinheitlichung der Visa-Bestimmungen sind laut der ECCIA-Studie die wichtigsten Hebel, um mehr Luxusurlauber nach Europa zu locken. Davon würden auch jene Länder profitieren, in denen das Highend-Segment noch vergleichsweise klein ist, wie z.B. Kroatien, Slowenien, Portugal und Skandinavien.

Lage in Österreich

Und welche Rolle spielt der Luxustourismus in Österreich und wie entwickelt er sich? Die ECCIA-Studie gibt darauf keine Antwort, medianet hat daher bei der Österreich Werbung und dem WienTourismus nachgefragt.
Zwar gibt es auch dort keine konkreten Marktdaten für dieses Segment, aber der Blick auf Top-Hotellerie liefert zumindest ganz gute Anhaltspunkte.
Der Anteil von Urlaubern in 5-Sterne Hotels lag 2019 österreichweit bei rund zwei Prozent und damit ähnlich hoch wie in ganz Europa.
Während von den deutschen, niederländischen, tschechischen und ungarischen Gästen in Österreich jeweils nur ein Prozent in das Luxussegment fallen, liegen die Quoten bei den Fernmärkten deutlich höher – Saudi-Arabien (14%), Japan (13%), USA (12%) und Indien (9%). Ein wichtiger Quellmarkt ist auch China.
2019 gaben die Touristen, die in 5-Sterne Hotels nächtigten, im Schnitt 383 € pro Person und Nacht (ohne Anreise) – Gäste aus arabischen Ländern sogar 450 € – aus, der Durchschnittsgast dagegen lediglich 173 €.
Wellness, Kultur, Sightseeing, Wein & Kulinarik sowie Shopping sind Themen, die bei Luxusurlaubern stärker ins Gewicht fallen als bei den Durchschnittsgästen.

Zeichen stehen …

Analog zu der Sommerkampagne in den acht europäischen Kernmärkten wurde heuer auch eine in den Golfstaaten (Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien, Katar und Kuwait) lanciert, da dort die Nachfrage nach einem Urlaub in Österreich weiter steigt.
Der Ukrainekrieg beeinträchtige zwar das Reiseverhalten im Ferntourismus, aber nicht so stark, wie es bei Corona der Fall war. Gäste aus den USA zeigten sich anfänglich zwar ein wenig zurückhaltender, laut dem US-Büro der Österreich Werbung steigt das Interesse aber wieder, vom Vor-Corona-Niveau – 2019 verzeichnete man 860.000 Ankünfte und zwei Mio. Nächtigungen – sei man aber noch weit entfernt. Auch aus China, wo die strengen Coronaregeln etwas gelockert wurden, sieht man erstmals positive Signale.

… auf Erholung

Der WienTourismus setzt bereits seit 2011 gezielt Maßnahmen im Luxussegment – einerseits durch strategische Kooperationen mit Gatekeeper-Netzwerken, wie Virtuoso, Quintessentially, dem PA Club oder Serendipians by Traveller Made, andererseits durch die Präsenz auf einschlägigen Messen und Events, wie der International Luxury Travel Market (ILTM), der TFest in Dubai oder der Essence of Luxury.
Bis 2019 waren die wichtigsten Quellmärkte im Top-Segment die USA, Deutschland, Österreich, Großbritannien, China inkl. Hongkong, Russland, Japan, die Schweiz, Frankreich und die arabischen Länder.
Dieser Gästemix ist mit Ausnahme von China, Japan und Russland heuer ähnlich. Neu zu den Top-Märkten dazugekommen ist Israel, das sich seit 2020 aufgrund stark gestiegener Flugverbindungen sehr dynamisch entwickelt. Beachtlich sei zudem, dass die USA auch im vergangenen Jahr auf Platz 3 der Top-Herkunftsmärkte in der 5-Stern-Hotellerie lag.
Luxustouristen aus Russland, auf deren Kappe 2013 noch 700.000 Nächtigungen gingen, sind seit dem Einmarsch auf der Krim kontinuierlich weniger geworden und spielen mittlerweile so gut wie keine Rolle mehr.
2021 verzeichnete man in Wien gegenüber dem ersten Coronajahr über alle Beherbergungskategorien ein Umsatzplus von 31,1%, mit 55,5% fiel die Steigerung im 5-Stern-Segment wesentlich höher aus.
Mit einer Erholung der Gästezahlen in sämtlichen Kategorien sei auch weiter zu rechnen, und man setzt gerade im Premium- und Luxusbereich verstärkt Marketing- und Werbemaßnahmen, weil von einer guten Entwicklung in den oberen Kategorien die Preisentwicklung in der ganzen Destination profitiere.

Vienna calling

„Unsere Premium-Strategie ist auch eine Luxus-Strategie, aber nicht ausschließlich”, erläutert WienTourismus-Geschäftsführer Norbert Kettner. „Wir betreiben keinen Klassenkampf von oben und sagen, es sollen nur Reiche kommen. Wir bewerben Wien als Premium-Destination mit der Botschaft, dass man hier für sein Geld den größten Wert und Qualität bekommt. Das bezieht sich nicht nur auf das High-End-Segment, sondern auf alle Bereiche. Wir denken im Luxus-Marketing konsequent international und kooperieren zugleich mit der lokalen Branche. Im Tourismus sind Spitzenleistungen – ob aus Kultur, Handel, Hotellerie, Handwerk oder Dienstleistung – Speerspitzen im globalen Aufmerksamkeitswettbewerb, quasi ‚DNA-Erklärer'.”
Heuer konzentriert man seine Aktivitäten auf vor allem auf die Nahmärkte Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien sowie die USA als jenen Fernmarkt, aus dem die stärksten Impulse kommen.
Wichtige asiatische Luxus-Märkte wie China oder Japan fallen derzeit noch fast vollständig aus. Grund dafür ist, dass durch den Krieg in der Ukraine Flugrouten geändert wurden, wodurch die Anreise teurer und langwieriger und der Trip nach Europa entsprechend weniger attraktiv wurde. Das Gesamtbild der Buchungen sei aber den Rahmenbedingungen ent­sprechend ein durchwegs positives.
Die Nachfragedynamik sei stabil und wachse von Woche zu Woche im niedrigen zweistelligen Bereich.

Kultur-Highlights

Eine nicht unwesentlich Rolle spielt dabei, dass Wien um etliche Attraktionen reicher geworden ist – allen voran aus Kunst und Kultur, die laut der ECCIA-Studie auf Luxusreisende eine große Anziehungskraft haben. Seit Beginn der Pandemie eröffnete mit der Albertina modern und der Heidi Horten Collection zwei Museen für zeitgenössische Kunst, ebenso bereichert das wiedereröffnete Sigmund Freud Museum das kulturelle Programm der Stadt.
Zudem bieten die Wiener Museen eine Reihe sehenswerter Ausstellungen. Das Belvedere leitet mit einer Sonderausstellung sein 300-Jahr-Jubiläum ein. Das Kunsthistorische Museum Wien wirft erstmals einen Blick auf Konkurrenzkämpfe, die Künstler untereinander, aber auch mit bereits Verstorbenen ausgetragen haben. Basquiat bzw. der US-Expressionismus prägen den Herbst in der Albertina und der Albertina modern. Das mumok feiert 2022 mit der Sonderausstellung „Das Tier in Dir” sein 60-Jahr-Jubiläum.
Auch in Sachen Top-Hotellerie wird kräftig aufgerüstet. Im April eröffnete The Leo Grand, ab Juli steht das Rosewood Vienna Luxusreisenden als neue Unterkunft zur Verfügung, und Ende 2022/Anfang 2023 geht dann auch das 5-Sterne-Plus-Haus Almanac Vienna an den Start.

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