Wien. Eine Reise in ein exklusives Resort auf den Malediven, ein Aufenthalt in einem Luxushotel in Thailand oder Dubai, ein High Class-Strandurlaub in Griechenland, eine Zugsfahrt mit dem Orient-Express, ein Safaritrip ins Okowango-Delta oder eine abenteuerliche Reise in die Arktis – wer das Außergewöhnliche sucht und über das erforderliche Budget verfügt, dessen Urlaubsmöglichkeiten sind trotz aller Krisen kaum Grenzen gesetzt.
Und diese Möglichkeiten werden auch genutzt, mehr als allgemein angenommen – denn ausgerechnet Luxusreisen boomen derzeit so stark wie nie zuvor, wie führende Touristiker erklären. „Die Nachfrage nach hochwertigen Fernreisen oder nach Studienreisen ist enorm. Auch während der Pandemie hat es hier keine wirklichen Einbrüche gegeben”, sagt Verkehrsbüro-Vorständin und Ruefa-Geschäftsführerin Helga Freund.
Deutliche Zuwächse
Dass Luxus gefragt sei, würden auch die Buchungszahlen bestätigen: Ruefa hat erhoben, wie sich das Segment teurer Reisen im Konzern in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Nämlich stetig nach oben. Demnach haben sich die Umsatzanteile von Luxusreisen bei der Verkehrsbüro-Tochter zwischen 2014 und 2022 zumindest verdoppelt – vor allem im Top-Segment von über 15.000 € pro Person und Reise ist der Anteil – bei einem Gesamtumsatz von rund 365 Mio. € – sogar von 2,2 auf 5,6 Prozent gestiegen.
Auch Gregor Kadanka, Mondial-Chef und Obmann des Fachverbands Reisebüros, bestätigt die weiterhin wachsende Nachfrage im für die Reiseveranstalter besonders attraktiven Luxussegment: „Insgesamt befindet sich die größte Nachfrage zwar weiterhin im mittleren Preissegment, aber an den Rändern nach unten und oben ist sie in den letzten Jahren überdurchschnittlich gewachsen.”
Claudia Janner-Moser, für die TUI-Luxusmarke Airtours zuständig, erklärt ebenfalls, dass hochklassige und -preisige Reisen in den letzten drei Jahren extrem zugelegt haben. Generell gebe es derzeit nach drei Jahren Coronapandemie einen unheimlichen Nachholbedarf, eben auch nach Luxusurlauben. „Die Leute konnten das Geld in den vergangenen Jahren nicht ausgeben, dafür geben sie jetzt Vollgas. Und im Topsegment spielt Geld ohnehin keine Rolle.” Niedrige Zinsen und eine hohe Inflation würden dem in die Karten spielen, so Janner-Moser.
Exklusive Angebote
Die Zielgruppe sei breit gestreut – von Unternehmern und Topmanagern bis zur Generation der Erben, die sich etwas gönnen wollen. Ein neuer Trend ist laut der TUI-Managerin auch der Mehr-Generationen-Urlaub, oft mit drei Generation – Eltern, Kinder, Großeltern, die zusammen auf Urlaub fahren und sich dafür eine eigene Villa mit allen Drumherum mieten.
Doch was genau ist unter Luxus zu verstehen? „Luxus heißt, es muss etwas Besonderes sein”, sagt Verkehrsbüro-Vorständin Freund: „Ein Fünf-Sterne-Hotel mit goldenen Wasserhähnen sozusagen reicht heute nicht mehr.” Stattdessen seien außergewöhnliche Erlebnisse, Besichtigungen oder extravagante Touren – beispielsweise im komfortablen Zelten im Oman – oder auch Meet and greet-Begegnungen mit Stars oder Künstlern gefragt. Freund: „Das bedeutet Taylormade Travel, sprich maßgeschneiderte Reisen nach den jeweiligen individuellen Ansprüchen – beispielsweise mit einem Hubschrauberflug zur nächstgelegenen Insel oder ähnlichen Sonderwünschen.”
Die Definition, was Luxus ist, ist schwierig. Wo setzt man die Grenze an? Vielleicht bei 8.000 bis 15.000 € für zwei Wochen für eine Person, wobei die Preisrange nach oben offen ist. Klar ist, dass etwa eine Reise in ein supertolles Fünf-Sterne-Haus wie etwa das Manadrin Orientral in Bangkok, um nur ein Beispiel zu nennen, oder eine exklusive Privatvilla mit eigenem Pool und Butlerservice und Koch eindeutig in die Kategorie Luxus fallen – und entsprechend teuer sind. Ein Reisebüromanager berichtet etwa von einem Trip eines vermögenden Wieners nach Nizza mit dem Privatjet und allen Sonderwünschen drumherum wie eigenem Koch und Butler, der für eine Woche 80.000 € kostete. „Da habe ich mir die Rechnung interessehalber selbst angesehen, weil ich wissen wollte, wie man auf so eine nicht alltägliche Summe kommt”, so der Touristiker.
Auch für Mondial-Chef Kadanka ist Luxus ein schwammiger Begriff. Luxus sei vor allem auch eine Frage der Abgrenzung: Das höherpreisige Segment beginnt für ihn bereits bei 3.000 € pro Person und 10.000 € für eine Familie. Nach oben seien preislich aber keine Grenzen gesetzt. „Da ist man dann schnell bei einem fünfstelligen Betrag für eine Woche.”
Locker und individuell
Jedenfalls habe sich auch das Bild von Luxus im Vergleich zur Vergangenheit grundlegend geändert, so Kadanka: In Spitzenhotels oder auf Kreuzfahrten sei das früher eine steife Angelegenheit gewesen, und die Menschen mit Abendkleid und im Anzug mit Krawatte bei Essen gesessen. Heute wolle das kaum noch jemand, da will man es besonders in den Urlaubsdestinationen viel legerer. „Die Qualität ist hoch geblieben und vielleicht sogar noch größer geworden, gleichzeitig gibt man sich viel lockerer und legerer.”
Der Wunsch nach Individualität habe stark zugenommen, sagt auch Janner-Moser: „Jeder will alles genau so, wie er es sich vorgestellt hat.” Deshalb gebe es mittlerweile auch sogenannte Travel Designer, die die Reise exakt auf die jeweiligen Kunden abstimmen.
Individuelle Safaritouren in Kleingruppen beispielsweise sind derzeit sehr im Trend, oder auch Viereinhalb- bis Sechs-Sterne-Hotels mit jeglichem Komfort.
Topdestinationen im Winter sind auf der Langstrecke die Malediven – mittlerweile eine Ganzjahresdestination – und der Indische Ozean, also Mauritius oder die Seychellen. Das Angebot werde immer größer: Auf den Malediven etwa habe die Anzahl der Hotelinseln binnen zehn Jahren von 120 auf mehr als 180 zugelegt, die allen möglichen Komfort bieten. „Da wird unheimlich viel investiert.” Während der Pandemie seien die Malediven aufgrund ihrer abgeschiedenen Lage und geringer Auflagen überhaupt der Renner gewesen, aber jetzt seien sie sehr stark gebucht. Auch Thailand komme gerade wieder zurück. Eine stark nachgefragte Destination sei auch Dubai, wo es mit dem Atlantis The Royal gar ein Sechs-Sterne-Hotel gebe. „Das spielt wirklich alle Stücke.” Eine Luxusmarke, die dort das ideale Marktumfeld hat – detto Lodges und Schiffe.
Im Sommer sei Griechenland der Renner, wo sich in den vergangenen Jahren luxusmäßig viel getan habe und es tolle neue Hotels gebe. Auch die Türkei habe wieder zugelegt – nicht nur bei Pauschal-, sondern auch bei Luxusurlaubern. Und in Spanien seien es vor allem die Balearen – also Mallorca und Ibiza. TUI habe auch eine eigene Luxus-Cruise-Abteilung, die elf verschiedene Linien anbiete – spezielle Schiffe, Yachten, Eisbrecher und Expeditionsschiffe. „Arktis und Antarktis sind extrem gefragt – da ist der gesuchte Wow-Effekt garantiert.”
Preis und Leistung
Apropos Preise: Auch wenn für Luxusreisen viel ausgegeben wird, schauen die Kunden doch auch auf das Geld, sagt Freund: „Die Preissensibilität ist in allen Bereichen größer geworden. Das Preis-Leistungsverhältnis muss auch bzw. sogar besonders im Topsegment stimmen.”
Das hat dazu geführt, dass höherpreisige Reisen auch im Vertrieb über Supermarktketten angeboten werden. Es würden dort auch nicht andere Zielgruppen angesprochen und auch da gehe es darum, ein Superprodukt oder eine ungewöhnliche Destination zu einem leistbaren Preis anzubieten, heißt es in der Branche. Eines dieser Ziele sei etwa Saudi-Arabien, das in den letzten Jahren versuche, sich ein anderes Image zu geben. Das passe auch für eine breitere Zielgruppe.
Mondial-Chef Kadanka: „Für die Anbieter und Veranstalter heißt das, die Luxusprodukte sind heute abseits der klassischen High Class-Angebote wesentlich ausdifferenzierter und zielgruppenspezifischer ausgestaltet; das Angebot ist heute viel breiter geworden und bedarf entsprechend ausgiebiger Beratung – immerhin sind die Luxuskunden eine ganz eigene Klientel – und das spielt den Reisebüros in die Hände.” Dazu brauche es auch ein spezielles Know-how. Mondial etwa sei immer schon im gehobenen Segment tätig gewesen und könne den Kunden Erfahrungsberichte aus erster Hand anbieten; das sei genau, was diese wollen. Die Kunden möchten wissen, welche Insel und welche Zimmer für sie richtig sind – standardmäßig buchbare Angebote gebe es in dem Segment daher nicht, sie sind den individuellen Wünschen entsprechend maßgeschneidert.
Heißes Thema Klima
Doch wie weit passen solche Reisen zur aktuellen Klimadiskussion? Immerhin sind Ferndestinationen ohne Flugzeug nicht zu erreichen – des Öfteren wird sogar ein Privatjet gebucht.
Ruefa-Chefin Freund sagt dazu, dass das natürlich ein Thema sei – vor allem, was Nachhaltigkeit betrifft, sowohl für Ruefa als auch die Kunden, auch für die sehr zahlungskräftigen. In Sachen Nachhaltigkeit habe Ruefa ein eigenes Projekt „Green Travel” gestartet; da setze man sich zum Beispiel mit der CO2-Bilanz einer bestimmten Reise auseinander. Besonders daran interessierte Mitarbeiter würden zudem als Botschafter fungieren, um diese Thematik in der gesamten Reisebüro-Gruppe zu propagieren. Es würden von den Luxusreise-Kunden auch Privatjets gebucht, in der Relation zum gesamten Reiseaufkommen sei das aber nicht so ein großes Thema, sagt Freund: „In solchen Fällen beraten wir die Kunden aber auch über Alternativen, die es für bestimmte Reisen zum Privatjet gibt. Die Letztentscheidung trifft aber klarerweise der Kunde.”
Auf die Frage, ob die Kunden freiwillig auf das Fliegen verzichteten, wenn es Alternativen gebe, sagt Freund, das sei „mal so und mal so”. Die Beratung sei aber gegeben, und die Ruefa-Mitarbeiter würden auch über das nötige Know-how verfügen, so die Ruefa-Chefin. Das gelte auch, was die Nachhaltigkeit vor Ort betreffe – dort würden auch die Kunden darauf achten, weshalb es wichtig sei, dass die Hotels dies auch ausweisen würden. „Die Kunden schauen, dass schonend mit den Ressourcen umgegangen wird, oder dass regionale Bio-Produkte verwendet werden. Auch ist beispielsweise vegane Küche im Luxussegment immer mehr gefragt”, sagt Freund: „Die Sensibilität für das Thema ist auf jeden Fall da.”
Janner-Moser erklärt, dass die Klimadiskussion natürlich ein kontroverses Thema sei, aber von TUI ernst genommen werde. Der Konzern habe sich dem Thema verschrieben und zahlreiche Programme dazu installiert. Auch in zahlreichen angebotenen Hotels widme man sich der Nachhaltigkeit – man versuche beispielsweise, Plastik zu vermeiden, Wasser aufzubereiten und Energie einzusparen. Sogar in Dubai passiere diesbezüglich viel.
Die Kunden würden sich zum Thema Klima ihre Gedanken machen, ebenso der Konzern. Man sei sich bewusst, dass Kreuzfahrten diesbezüglich im Fokus stünden und auch das Fliegen, insbesondere mit Privatjets, für die es ebenfalls eine eigene Abteilung gebe. Da sei im Übrigen die Nachfrage ebenfalls gestiegen, speziell bei Safaris.
Für Tourismusforscher Peter Zellmann ist das starke Wachstum bei Luxusreisen keine Überraschung, weil es nach Corona einen großen Nachholbedarf vor allem auch bei Fernreisen gebe. Und das obere Einkommensdrittel wolle sich einfach einen Urlaub gönnen. Diese von Inflation und Teuerung unbeeindruckte Klientel sei für Luxusreisen relevant: „Man leistet sich das, weil man es kann.”
Urlaub und Emotionen
Der Urlaub sei generell eine hochemotionale Angelegenheit und nach Weihnachten für die meisten Menschen die zweitwichtigste Zeit im Jahr. „Da wird dann alles andere hintangestellt, auch Klimaschutz- oder Umweltüberlegungen oder die Frage des persönlichen CO2-Abdrucks. Ganz nach dem Motto: Man gönnt sich ja sonst nichts”.
Das Umweltthema sei eher eines für den Alltag als für das Verreisen, glaubt Zellmann: Die meisten Menschen seien zwar durchwegs umweltbewusst, würden Müll trennen, mit den Öffis fahren usw., aber wenn es um den Urlaub geht, dann fangen sie damit nur wenig an – da spielen dann solche Überlegungen keine Rolle. Das gelte im Besonderen auch für das Verreisen mit dem Flugzeug oder auf Kreuzfahrten: „Wenn ich es will, dann mache ich es”, sagt der Tourismusforscher: „Niemand wird wegen der CO2-Bilanz auf das Fliegen verzichten.”
Auch sei die Berichterstattung über den Klimawandel sehr abstrakt, befindet Zellmann. „Die ist dann für den einzelnen und seine speziellen Bedürfnisse ziemlich weit weg. „Ein „Flug- oder Kreuzfahrt-Shaming gibt es in der Regel deshalb nicht.”