Millennials sind ganz normal
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Dass Millennials gänzlich andere Wertvorstellungen als ihre Eltern und Großeltern haben, ist zumindest beim Thema Uhren und Schmuck nur ein Mythos.
LUXURY BRANDS&RETAIL britta biron 22.03.2019

Millennials sind ganz normal

Sie lieben schöne Uhren und Schmuckstücke, wollen sie nicht leihen, sondern kaufen und zwar am liebsten beim Juwelier.

Wien/München. Was bewegt den Kunden zum Kauf? Diese Frage ist jetzt wirklich nicht neu, und vor allem die Luxusgüterbranche hat darauf bisher immer wieder die passenden Antworten gefunden. Dass im Lauf der Zeit alte Kunden wegfallen und jüngere nachrücken, ist auch nichts Neues.

Neu ist allerdings die Vehemenz, mit der seit einigen Jahren die heranwachsende Käufergeneration unter die Lupe der Marktforscher genommen wird. Die allgemein akzeptierte Hypothese ist, dass man es bei den Millennials mit einer Zielgruppe zu tun hat, die hinsichtlich ihrer Wertvorstellungen, Lebensziele, Wünsche und Einkaufsgewohnheiten komplett anders denkt und handelt als die Kunden der vergangenen Jahrzehnte.

Online wird gustiert …

„Die Kaufanreize der jungen Kunden sind völlig andere als jene vorangegangener Generationen. Ging es bisher um Besitz und materielle Werte, sind nun Sinn und authentisches Erlebnis entscheidend. Mit den bisherigen Verkaufsstrategien erreichen die Hersteller von Luxusgütern die junge Zielgruppe nicht mehr”, sagt etwa Victor Graf Dijon von Monteton, Konsumgüterexperte und Prinzipal bei der Managementberatung A.T. Kearney, die kürzlich die Studie „Luxury Jewelry and Watchmakers. Staying relevant for Future Consumers” präsentiert hat.
Überraschend sind deren Ergebnisse allemal – allerdings nicht, weil etwa mit Zahlen und Fakten die Andersartigkeit der Millennials nachgewiesen werden könnte, sondern weil sie zeigt, dass die Jungen ihren Eltern und Großeltern nicht unähnlich sind, zumindest was die Begeisterung für feine Uhren und hochkarätigen Schmuck betrifft.
61% der Befragten gaben an, sich eine Uhr einer Nobelmarke kaufen zu wollen, 47% planen, sich ein schönes Schmuckstück zuzulegen. Mieten statt kaufen ist für die Mehrheit der Jungen keine wirkliche Alternative: Nur 14% könnten sich das bei einer Uhr vorstellen, bei Schmuck liegt die Quote mit 20% ein wenig höher.
Aus Kostengründen würde aber jeder zweite zu Second Hand-Ware greifen. Wichtig dabei ist, dass der Händler zertifiziert ist und die Authentizität der Ware garantieren kann.

… gekauft dann …

Beim Einkauf selbst sind die Jungen ebenfalls recht traditionell eingestellt: Nur 35% wären bereit, eine Uhr oder ein Schmuckstück online zu kaufen, ohne die Ware vorher in einem Geschäft gesehen und probiert zu haben. Mehr als die Hälfte der Befragten geht zum Shoppen am liebsten zum Juwelier – einerseits wegen der fachlichen Beratung, andererseits wegen der Markenvielfalt, die dort geboten wird.
Dass die nächste Generation den klassischen Juwelier nicht mehr nur aus Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern kennt, sondern ihn auch selbst gern aufsucht, zeigt auch eine Umfrage der Uhren- und Schmuckmesse Inhorgenta.
44% der Befragten in der Altersgruppe zwischen 18 und 35 Jahren nannten den Uhren- und Schmuckfachhändler als ihre bevorzugte Adresse; mit 40% steht auch die Uhren- und Schmuckabteilung des Kaufhauses bei den jungen Kunden hoch im Kurs. Erst danach folgen die Online-Shops der Händler bzw. Hersteller (38 bzw. 37%) – eine doch recht deutliche Präferenz für den stationäre Handel.
Außerdem wollen 43% der Befragten heuer für Uhren und Schmuck sogar tiefer in die Tasche greifen als bisher, etwa ebenso groß ist die Gruppe jener, die mit gleichbleibenden Ausgaben rechnet. Konsumverweigerung, die den Millennials oft unterstellt wird, sieht anders aus.
Auf die Frage, welche Faktoren beim Einkauf für sie eine wesentliche Rolle spielen, nannten 51% der Befragten das Vertrauen in den Händler, 49% die gute Verfügbarkeit der Produkte und 48% die fachkundige Beratung. Das Preis-Leistungsverhältnis (39%), die Öffnungszeiten (31%) und gute Finanzierungsmöglichkeiten (23%) sind ihnen weniger wichtig.
„Wer hochwertigen Schmuck und Uhren kauft, vergleicht in der Regel keine Preise, sondern möchte sich von den Produkten begeistern und faszinieren lassen. Viele Kunden sehen diese Möglichkeit vor allem beim Händler vor Ort sowie bei den Online-Auftritten der Herstellermarken”, sagt Stefanie Mändlein, Projektleiterin der Inhorgenta.
Auch nach Ansicht von Nils Maydell, Marketingexperte für Uhren und Schmuck und Inhaber der auf dieses Segment spezialisierten Agentur M2 Maydell, ist der stationäre Handel kein Auslaufmodell: „Zwar wird natürlich der E-Commerce weiter an Bedeutung gewinnen. Daran führt kein Weg vorbei und jeder, der anders denkt, täuscht sich nur selbst. Aber parallel dazu werden auch die Uhren- und Schmuckgeschäfte, ob Flagship-Stores oder feine Boutiquen, bestehen und sogar wachsen können. Gerade heute, wo der Trend in eine digital-zentrierte Richtung läuft, wird die Offline Experience zu einem attraktiven Anreiz und damit entsprechend wichtiger werden.”

… aber beim Juwelier

Händler, die es schaffen, den Einkauf für ihre Kunden zu einem Erlebnis zu machen, werden auch in Zukunft Erfolg haben. Denn niemand kauft eine Uhr oder ein Schmuckstück, „nur” weil sie gute Produkte sind. Vor allem die junge Generation wünsche sich besondere Einkaufserlebnisse und individuelle Beratung. Und da hätten vor allem die Juweliere gute Karten. „Der größte Vorteil der Multibrand-Fachhändler ist ihre Marken- und Sortimentsvielfalt und die Kompetenz des Verkaufspersonals. So kann der Kunden von Marke zu Marke, von Produkt zu Produkt geführt werden, sie neutral einander gegenüberstellen und vergleichen. Diese individuelle Beratung macht den Unterschied und führt die Kaufentscheidung herbei.”
Insofern seien Weiterbildungsprogramme wichtige Maßnahmen, damit sich der klassische Handel weiterhin behaupten kann.
Mit dem großen Einfluss, den Social Media angeblich auf das Einkaufsverhalten und die Markenpräferenz der künftigen Luxuskunden hat, scheint es auch nicht ganz so weit her zu sein, wie oft propagiert wird. Eine Untersuchung des US-amerikanischen Luxury Instituts zeigt nämlich, dass nur 36% der Teenager in Haushalten mit einem Jahreseinkommen von mehr als 75.000 USD Facebook nutzen. Bei ihren Altersgenossen, deren Familien jährlich weniger als 30.000 USD zur Verfügung stehen und deren Chancen, sind es dagegen 70%.
Last but not least beweist auch die von Bain & Co im Auftrag der italienischen Luxusvereinigung Altagamma erstellte Analyse des globalen Luxusmarkts, dass die oft zitierte Andersartigkeit der Millennials nur ein Mythos ist. Die jungen Käufer haben die gleichen Shopping-Gene wie die Älteren und die Strategien der Luxusmarken funktionieren bei den jungen Kunden sogar besonders gut.
Denn das sechsprozentige Plus auf einen Gesamtumsatz von 1,2 Billionen Euro im Vorjahr ging zur Gänze auf das Konto der nach 1980 geborenen Konsumenten; 2017 hatte ihr Anteil noch bei 85% gelegen.

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