Am 22. September 1995 um exakt 9:55 Uhr hieß es erstmals: „Hallo, herzlich willkommen, Grüß Gott! Hier ist Antenne Steiermark, Österreichs erstes Privatradio.“ Damit begann eine Erfolgsgeschichte, die bis heute anhält. medianet bat Geschäftsführer Gottfried Bichler, der von der ersten Stunde mit an Bord war, zum Interview.
medianet: Herr Bichler, am 22. September 1995 wurde Radiogeschichte geschrieben. Wie haben Sie persönlich diesen Moment um 9.55 Uhr erlebt, als ‚Born To Be Alive‘ über den Sender ging?
Gottfried Bichler: Wir waren alle unglaublich angespannt und haben unserem ersten Moderator und Programmchef Bernd Sebor die Daumen gedrückt. Als es dann tatsächlich losging, ist uns allen ein großer Stein vom Herzen gefallen. Nach der langen Vorgeschichte konnten wir es kaum glauben, dass es nun wirklich losging. In diesem Augenblick war da einfach nur Erleichterung.
medianet: Österreich wurde lange Zeit als sogenanntes Medien-Albanien bezeichnet, weil selbst dort Privatsender früher als in Österreich an den Start gegangen waren. Lange Zeit hat sich dieser Umstand auch auf das Duale System ausgewirkt. Ab wann sehen sie diesen Nachteil überwunden?
Bichler: Der Start von Antenne Steiermark 1995 war ein echter Befreiungsschlag – endlich gab es auch in Österreich eine private Alternative. Auch heute, nach 30 Jahren, spüren wir noch immer starke Wettbewerbsverzerrungen, die der ORF eigentlich gar nicht nötig hätte.
Wann diese Nachteile der Privaten endgültig überwunden sind, lässt sich schwer vorhersagen. Entscheidend ist aber: Wir haben gelernt, unsere Stärken auszuspielen und uns auch in einem herausfordernden
Umfeld erfolgreich zu behaupten.
medianet: Sie sind seit dem ersten Sendetag mit an Bord. Wenn Sie zurückblicken: Was sind Ihre prägendsten Erinnerungen an diese Anfangszeit?
Bichler: Unvergesslich ist für mich der Moment, als wir am 22. September 1995 um 9:55 Uhr live auf Sendung gingen – das war Radiogeschichte, die Gänsehaut erzeugt hat. Der erste Song ‚Born To Be Alive‘ war damals ein Statement für alles, was noch kommen sollte. Die Anfangszeit war geprägt von Aufbruch, Begeisterung, aber auch Unsicherheit – wir haben Neuland betreten und jeden Tag improvisiert. Viele Innovationen, die wir damals gesetzt haben – Nachrichten fünf Minuten früher oder Blitzmeldungen – sind heute Standard. Für mich bleibt diese Pionierzeit ein einzigartiges Kapitel, das unser Selbstverständnis bis heute prägt.
medianet: Seit 2006 leiten Sie die Antenne Steiermark als Geschäftsführer. Welche Entwicklungen in dieser Zeit sind für Sie persönlich die wichtigsten gewesen?
Bichler: Wesentlich war der Sprung in die digitale Welt – von der reinen UKW-Ausstrahlung hin zu Online-Audio, Streaming und App. Damit haben wir unser Produkt vom stationären Medium zum ständigen Tagesbegleiter weiterentwickelt. Ein weiterer wichtiger Meilenstein war der Umzug ins Styria Media Center, der uns technisch wie organisatorisch neue Möglichkeiten eröffnet hat. Dazu kommen unsere großen Höreraktionen, die das Programm erlebbar machen und die Marke gestärkt haben. Für mich war es entscheidend, dass wir uns als stabiler, moderner Sender positionieren konnten – und dabei trotzdem immer das ‚Gelbe Herz‘ und die Nähe zu unseren Hörer:innen behalten haben.
medianet: Sie haben die Verantwortung nicht nur für die Antenne Steiermark, sondern auch für die Antenne Kärnten und Radio Flamingo. Wie unterscheiden sich diese Sender in ihrer Ausrichtung und Zielgruppe?
Bichler: Die Styria Media Group ist Mutter von Antenne Steiermark und Antenne Kärnten, der österreichischen Privatradiopioniere und Flaggschiffe der Regionalszene in Österreich. Die Antennen als private Regionalradios sind inhaltlich durch moderne Regionalität und musikalisch mit Schwerpunkt auf aktuelle Hits und ausgewählter Specials ein fixer Bestandteil der Kärntner und Steirer. Radio Flamingo ist ein österreichweiter moderner Schlagersender und somit klar geografisch und musikalisch von den Antennen abgegrenzt. 100 Prozent Schlager – das erweitert nicht nur das Audio-Portfolio der Styria Media Group, sondern schafft gleichzeitig auch eine für den österreichischen Radiomarkt unverwechselbare Positionierung. Diese Vielfalt macht unsere Gruppe stark.
medianet: Apropos Radio Flamingo – Wie wichtig sind die DAB+-Aktivitäten für die gesamte Sendergruppe. Sprich: Wie wichtig ist dieser Schritt in die digitale Diversifizierung?
Bichler: DAB+ ist ein wichtiger Baustein unserer Digitalstrategie, weil es uns neue Reichweiten eröffnet und unsere Marken in ganz Österreich zugänglich macht. Radio Flamingo wäre ohne DAB+ in dieser Form gar nicht möglich gewesen – hier zeigt sich der Mehrwert besonders deutlich. Es geht uns dabei nicht um ‚entweder UKW oder DAB+‘, sondern um ein Sowohl-als-auch. Je breiter wir technisch aufgestellt sind, desto besser können wir auf die Hörgewohnheiten reagieren. Für die Gruppe ist DAB+ deshalb ein strategisch relevanter Schritt in Richtung Zukunft.
medianet: Die Antenne Steiermark verzeichnet aktuell 283.000 tägliche Hörer. Was sagt diese Reichweite über den Stellenwert von Radio im Medienmix und was sind die nächsten Ziele?
Bichler: Diese Zahl zeigt eindrucksvoll: Radio ist lebendig und unverzichtbar. Wir begleiten täglich Hunderttausende Menschen durch ihren Alltag – und das ist ein Vertrauensbeweis, den man nicht hoch genug einschätzen kann. Für uns bedeutet das: Wir wollen dieses Vertrauen weiter ausbauen, indem wir noch relevanter, schneller und näher an den Menschen sind. Ziel ist es, unsere starke Marktstellung zu festigen und gleichzeitig neue digitale Kanäle auszubauen. Radio ist immer und überall – und genau darin liegt unsere Kraft.
medianet: Wo spüren Sie den größten Veränderungsdruck – eher durch Technik, durch neue Hörgewohnheiten oder durch den Werbemarkt?
Bichler: Der größte Druck entsteht aus der Kombination aller drei Faktoren. Technisch müssen wir immer am Puls der Zeit sein, damit wir auf jedem Kanal präsent sind. Hörgewohnheiten ändern sich schneller als früher – Radio wird heute anders genutzt, aber nicht weniger. Und der Werbemarkt fordert uns ständig heraus, die Kraft von Audio zu beweisen. Ich sehe diesen Druck aber auch positiv: Er zwingt uns, beweglich, kreativ und innovativ zu bleiben.
medianet: Die Antenne ist für viele ein Sprungbrett gewesen – Namen wie Claudia Reiterer oder Gernot Kulis haben hier begonnen. Welche Verantwortung sehen Sie als Ausbildungsstätte für Talente?
Bichler: Wir sind uns dieser Verantwortung sehr bewusst. Viele Talente haben bei uns ihre ersten Schritte gemacht und später auf nationalem Parkett Karriere gemacht. Darauf sind wir stolz, weil es zeigt, dass wir eine echte Talentschmiede sind. Gleichzeitig investieren wir im Rahmen unserer hausinternen Trainee-Programme viel in die Ausbildung junger Radiomacher:innen. Für uns ist klar: Junge Stimmen und frische Ideen halten ein Programm lebendig – doch genauso wichtig sind unsere Routiniers. Mit ihrer Erfahrung geben sie Sicherheit und Orientierung. Gerade die Kombination aus beiden sorgt für einen einzigartigen Mix, von dem am Ende unser Publikum am meisten profitiert.
medianet: Regionalität gilt als Erfolgsrezept. Was bedeutet Regionalradio für Sie konkret im Jahr 2025 – und wie grenzt es sich vom Streaming und von internationalen Plattformen ab?
Bichler: Regionalität heißt für uns: Wir sind dort, wo die Menschen leben – in der Stadt genauso wie am Land. Wir berichten über das, was vor der Haustür passiert, und sprechen in der Sprache, die verstanden wird. Streamingdienste können Musik liefern, aber keine Nähe, keine Gesichter, keine echten Geschichten. Genau hier liegt unser Unterschied: Wir sind Teil der Region, wir kennen unsere Hörer:innen und sie kennen uns. Diese emotionale Bindung macht Regionalradio stark.
medianet: Welche Rolle spielen heute Aktionen wie ‚Antenne macht Schule‘ oder der ‚Weihnachtsbutler‘, wenn es darum geht, die Marke erlebbar zu machen?
Bichler: Solche Aktionen sind für uns unverzichtbar, weil sie das Programm auf eine persönliche Ebene bringen. Sie machen uns erlebbar, greifbar und sympathisch. Mit Antenne macht Schule haben wir seit 2008 jedes Jahr rund 10.000 Schülerinnen und Schüler bei uns zu Gast. Dabei vermitteln wir nicht nur die Faszination fürs Radio, sondern leisten auch einen Beitrag zur Medienkompetenz und zeigen berufliche Chancen in diesem Feld auf. Der Weihnachtsbutler wiederum ist unsere beliebteste und bekannteste Promotion – er sorgt für Überraschung, Freude und Nähe zu den Menschen. Genau solche Erlebnisse schaffen Verbundenheit und machen unsere Marke stark.
medianet: Ihr Jubiläumsmotto lautet: ‚So jung wie möglich, so alt wie notwendig‘. Wie übersetzen Sie dieses Motto in Programmgestaltung und Unternehmensstrategie?
Bichler: Auch wenn unser Jubiläumsmotto ‚Die Steiermark hört 30 Jahre Antenne Steiermark‘ lautet, finden wir den Gedanken ‚So jung wie möglich, so alt wie notwendig‘ sehr treffend. Er beschreibt unseren Anspruch, innovative und frische Programme zu gestalten, ohne unsere Wurzeln zu verlieren. Im Programm setzen wir auf moderne Musik, digitale Formate und interaktive Aktionen – immer mit regionalem Bezug. Unternehmensstrategisch investieren wir mutig in neue Technologien und testen neue Formate, bleiben dabei aber beständig und nutzen unsere Erfahrung. So verbinden wir Frische und Innovation mit Stabilität und Erfahrung – genau das macht uns seit 30 Jahren stark.
medianet: Radiotest-Daten zeigen, dass die tägliche Hördauer bei knapp über drei Stunden stabil bleibt. Wo sehen Sie für Privatradios künftig Wachstumspotenzial?
Bichler: Wachstum sehe ich vor allem in den digitalen Kanälen – also in Streaming, Online-Audio und Podcast. Hier können wir zusätzliche Zielgruppen erreichen und unsere Inhalte flexibel anbieten. Aber auch im klassischen Radio bleibt Potenzial, wenn wir uns als relevanter Alltagsbegleiter behaupten. Entscheidend ist, dass wir Audio als Gesamtes denken – und nicht nur UKW. Wer es schafft, on Air und online zu verbinden, wird auch in Zukunft wachsen.
medianet: Rückblickend: Welche Bedeutung hatte die Antenne Steiermark für die Liberalisierung des Radiomarktes in Österreich?
Bichler: Antenne Steiermark war der Türöffner – ohne unseren Start 1995 wäre die Radiolandschaft in Österreich heute eine andere. Wir haben bewiesen, dass privates Radio funktioniert, relevant ist und Innovation bringen kann. Viele Konzepte, die wir damals eingeführt haben, sind heute Standard. Unsere Rolle war nicht nur regional, sondern national wichtig. Insofern sehe ich Antenne Steiermark als Pionier und Taktgeber für die gesamte Branche.
medianet: Eine persönliche Frage zum Schluss: Wenn Sie drei Wünsche für die nächsten zehn Jahre formulieren könnten – für Ihr Unternehmen, die Radiobranche und für Sie persönlich – wie würden diese lauten?
Bichler: Für die nächsten zehn Jahre habe ich drei ganz klare Wünsche. Erstens: Dass Radio – und damit auch wir bei der Antenne – seine Relevanz behält und weiterhin ein unverzichtbarer Begleiter für die Menschen im Land ist. Zweitens: Dass Radio trotz aller technologischen Entwicklungen sichtbar bleibt und seinen Platz in der öffentlichen Wahrnehmung behält. Und drittens: Dass wir auch in den nächsten zehn Jahren ein so großartiges und leidenschaftliches Team von Radiomachern haben wie heute – denn genau dieses Team ist das Herzstück unseres Erfolgs.
Bildunterschrift Gallerybild unten:
Hinten (v.l.): Rudolf Kuzmicki (damals Marketingleiter), Alfred Grinschgl (damals Geschäftsführer), Georg Linhart (damals Verkaufsleiter)
Vorne (v.l.): Martin Konrad (damals Infochef), Bernd Sebor, im Vordergrund, (damals Programmchef und die erste Stimme, die auf der Antenne Steiermark zu hören war)
