Auf gutem Kurs
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Jochen Schneeberger, Head of Digital Advertising bei willhaben: „Die detaillierten Analysen des Userverhaltens liefern wichtige Erkenntnisse, um die Treffsicherheit von Werbung weiter zu verbessern.”
MARKETING & MEDIA Redaktion 09.10.2020

Auf gutem Kurs

willhaben verzeichnet ein deutliches Plus bei den Usern, und auch das Werbegeschäft läuft erfreulich.

WIEN. Corona hat der Digitalisierung insgesamt einen kräftigen Schub verpasst, aber die Gleichung ‚Digital ist gleich erfolgreich' stimmt nicht generell. Amazon konnte klar profitieren und den Umsatz im 2. Quartal um 40% auf 88,9 Mrd. USD steigern und den Gewinn – trotz hoher Ausgaben für Corona-Maßnahmen – auf 5,2 Mrd. USD verdoppeln. Facebook hat zwar etliche Millionen Nutzer gewonnen, das Plus bei den Werbeeinnahmen fiel allerdings nur halb so hoch aus wie vor der Pandemie. Und bei der Google-Mutter Alphabet sind zwischen April und Juni die Werbeeinnahmen gesunken. Und wie hat sich die Pandemie auf das Geschäft der größten österreichischen Plattform, willhaben.at, ausgewirkt? Dazu hat medianet mit Jochen Schneeberger, Head of Digital Advertising, gesprochen.

medianet:
Welches Fazit lässt sich nach sechs Monaten Corona ziehen?
Jochen Schneeberger: Wir sind bisher sehr gut zurechtgekommen. Unsere User sind uns nicht nur treu geblieben, sondern wir haben auch neue dazugewonnen und konnten sowohl Visits als auch Leads steigern. Natürlich ist es im Sektor Auto/Motor im März und April ein bisschen schwieriger gewesen, aber wir sind jetzt auch dort wieder auf dem normalen Level. Insgesamt wird jetzt mehr über die Plattform ge- und verkauft als vor Corona.

medianet:
Also eher eine Entwicklung wie bei Amazon?
Schneeberger: Ja. Im Lockdown war Online-Shopping in vielen Bereichen die einzige Alternative. In dieser Phase haben aber auch viele Menschen ihr Konsumverhalten überdacht und das hat längerfristige Auswirkungen. Wir wissen aus vielen Umfragen, dass Nachhaltigkeit für gut 80 Prozent der willhaben-Nutzer generell ein wichtiges Kriterium ist und dieser Trend zu einem bewussteren Leben, zu einem vernünftigeren Konsum, zu mehr Regionalität ist durch die Pandemie beschleunigt worden.

medianet: Mehr Traffic am Marktplatz ist gut, aber wie sieht es auf der Einnahmenseite aus?
Schneeberger: Wir verdienen ja auch durch die Inserate von Privatpersonen, etwa durch das Vorreihen oder die besondere Kennzeichnung eines Angebots. Bei den steigenden Useranzahlen kommt da schon auch ein erkleckliches Sümmchen zusammen. Auf die kommerzielle Werbung hat sich Corona natürlich ausgewirkt. Wir haben es bei Ausbruch der Pandemie oft erlebt, dass Kunden gesagt haben, es hätte ja keinen Sinn, zu werben, wenn ihr Geschäft geschlossen ist. Und dann sind sie aber im Gespräch mit uns draufgekommen, dass sie ja auch einen Online-Versandhandel haben, der bisher nur nicht genug beachtet worden war oder nicht ausreichend ausgebaut war. Uns ist es durch die persönliche Beratung und Betreuung und die gute Vertrauensbasis zu unseren Kunden in vielen Fällen gelungen, ein Komplettstorno zu vermeiden und Kampagnen entweder auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben oder in einem etwas kleineren Umfang auszuspielen. Insgesamt gab es zwar einen Rückgang bei den Werbeeinnahmen, den wir zur Gänze auch nicht so schnell wieder aufholen können, mittlerweile hat sich das Geschäft aber wieder auf einem guten Level eingependelt – zum Teil auch deshalb, weil schräge Meinungen oder Fake News auf willhaben kein Thema sind. Wir sind eine reine Handelsplattform mit dem Ziel, Angebot und Nachfrage bei Waren, Dienstleistungen und Jobs möglichst perfekt zu matchen. Dass der klassische Online-Content fehlt, ist zurzeit ein Vorteil. Denn wie ja der Werbeboykott auf Facebook gezeigt hat, wollen Unternehmen ihre Produkte in einem adäquaten und positiven Umfeld präsentieren und nicht neben fragwürdigen Inhalten. Die Verluste sind keineswegs desaströs. Die Werbeeinnahmen machen rund ein Drittel des Umsatzes aus. Auch wenn dieser Markt nachhaltig einbrechen sollte, können wir uns mit den anderen Einnahmen über Wasser halten und genug verdienen, um die Entwicklung weiter voranzutreiben.

medianet:
Wo liegen dabei die Schwerpunkte?
Schneeberger: Einerseits bei unserer Datenmanagment-Plattform, die uns erlaubt, noch bessere und zielgerichtetere Angebote für Werbekunden zu gestalten und unsere User nur oder vermehrt mit für sie relevanten Werbeinhalten zu bespielen. Das Projekt ist mit großen Kunden derzeit in der Testphase, der Launch wird im Jänner 2021 erfolgen. Parallel wollen wir das Vertrauen der User in unsere Plattform sowie den Onlinehandel generell stärken. Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Paylivery-Service, den wir diesen Sommer in einigen großen Marktplatz-Segmenten gestartet haben und der seither nach und nach auch auf den anderen Sektoren ausgerollt wird. Derzeit wird die Option bereits bei mehr als 750.000 Anzeigen von 450.000 verschiedenen Verkäufern angeboten. Ein weiterer großer Schwerpunkt ist die immer detailliertere Untersuchung des Nutzerverhaltens, um die Services für die User weiter zu verbessern. Je attraktiver der private Marktplatz ist, desto besser lassen sich dann natürlich auch gewerbliche Angebote anschließen, wie z.B. eine Autoversicherung oder die Finanzierung einer Immobilie, und neue Bezugspunkte für Werbekunden schaffen. Denn durch die Untersuchung des Userverhaltens können wir spezielle und neue Kundensegmente definieren. Für die Werbekunden ist ja nicht die reine Reichweite ausschlaggebend, sondern eine möglichst große Treffsicherheit. Diese Genauigkeit, die man sich ja besonders von Onlinewerbung verspricht, die war zwar auch schon vor Corona wichtig, rückt jetzt aber noch viel stärker in den Fokus.

medianet:
Der Großteil des Online-Werbebudgets in Österreich fließt aber zu großen ausländischen Plattformen.
Schneeberger: Ich erwarte schon, dass jene, die die Gelder vergeben und damit auch Verantwortung haben, sich das in Zukunft genauer anschauen und erkennen, dass es genug heimische Unternehmen gibt, egal ob im reinen Contentbereich oder im E-Commerce, die in Österreich Arbeitsplätze schaffen und Steuern zahlen. (red)

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