Bedrohung durch den „Zero-Click”
© Smarterpix/Andrey Popov
Durch fehlende Page Visits „echter” User könnten Medienhäuser massive Rückgänge beim organischen Suchverkehr verzeichnen.
MARKETING & MEDIA Redaktion 04.07.2025

Bedrohung durch den „Zero-Click”

KI-Suchfunktionen erleichtern die Suche, könnten für den Digitaljournalismus aber zum Problem werden.

WIEN. Suchbegriff eintippen, auf Enter drücken, den passenden Link aus den Vorschlägen auswählen und dann nach der gewünschten Information suchen – so in etwa sieht die typische Suchmaschinensuche seit der Einführung von Google, Bing und Co. aus.

Generative KI-Suchfunktionen wie „AI Overview” von Google, seit Ende März auch in Österreich sowie einigen anderen europäischen Ländern verfügbar, stellen nun das altbekannte Muster auf den Kopf: Diese Tools liefern, basierend auf der Suchanfrage, direkte Zusammenfassungen der Inhalte hinter den Links – ein Klick darauf ist nicht mehr nötig.

„Google Zero”

Auf den ersten Blick wirkt „AI Overview” wie ein Gewinn, verbringt man doch dadurch weniger Zeit mit Suchanfragen. Auch Google selbst verspricht in einer Presseaussendung zum Start von „AI Overview” in europäischen Ländern „zufriedenstellendere Suchergebnisse” sowie die „Möglichkeit neue Websites zu entdecken”.

Doch KI-Suchfunktionen könnten ein Problem werden, vor allem für den Digitaljournalismus: Denn damit werden Zusammenfassungen von Website-Inhalten erstellt, durch den fehlenden Page Visit eines „echten” Users könnten Medienhäuser massive Rückgänge beim organischen Suchverkehr verzeichnen. Dies wiederum könnte zu Einnahmenverlusten durch sinkende Werbeeinnahmen führen
Der vom „The Verge”-Chefredakteur Nilay Patel geprägte Begriff „Google Zero” könnte so zur Realität zu werden: Die Suchanfrage wird immer häufiger direkt durch die Suchergebnisse beantwortet, ohne einen einzigen weiteren Klick auf eine Website.

Düstere Aussichten

Neben dem Verlust von Reichweite könnte die weitere Ausbreitung von KI-Suchtechnologien noch eine Reihe von anderen Auswirkungen auf den digitalen Journalismus haben. Darüber sprach vor kurzem Klaudia Jazwinska, Journalistin und Forscherin am Tow Center for Digital Journalism an der Columbia University Graduate School of Journalism, mit dem Nachrichtensender France 24. „Es gibt eine zunehmende Präferenz für Zero-Click-Erlebnisse. Man stellt eine Frage, liest die Zusammenfassung und überprüft keine der angegebenen Quellen”, erklärt Jazwinska.

Da die Zusammenfassung die ersten Treffer der Suchergebnisse sind, könnten sich Nutzerinnen und Nutzer zunehmend auf diese KI-generierten Zusammenfassungen verlassen – obwohl sie oft unvollständig, fehlerhaft oder zum Teil erfunden sind, erklärt Jazwinska. Für das ohnehin angeschlagenen Vertrauen in den Journalismus dürfte das wohl kaum förderlich sein.
Da KI-Technologien ihre Informationen von Websites beziehen müssen, schließen KI-Unternehmen exklusive Lizenzverträge mit wenigen, meist großen, nationalen Medienhäusern ab. Kleinere Modenhäuser bleiben außen vor und könnten langfristig in ihrer Existenz gefährdet sein, was die Medienvielfalt, vor allem in kleinen, konzentrierten Märken wie Österreich, weiter reduzieren könnte.
Verwenden KI-Unternehmen deren Inhalte von Medienhäusern ohne deren Zustimmung, bleiben ihnen laut Jazwinska nur zwei Möglichkeiten: Eine kostspielige Klage wegen Urheberrechtsverletzungen oder das, technisch und rechtlich vage, Blockieren von KI-Crawlern, also von jenen Softwaresystemen, die das Internet nach Informationen durchsuchen.

Unklare Zukunft

In Zukunft ist eher von einer Verschärfung des Problems auszugehen, denn der Wettbewerb zwischen KI-Firmen nimmt zu.

Mögliche Lösungsansätze wären transparente, faire Lizenzmodelle oder gesetzliche Schutzmechanismen – ansonsten könnte der digitale Journalismus auf einen strukturellen Kollaps hinsteuern. (red)

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