WIEN. “Der Presseclub Concordia sieht im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes eine Chance für eine grundlegende und weitgehende Reform des ORF", erklärt Andreas Koller, Präsident des Presseclub Concordia. "Unser neues Positionspapier präsentiert zentrale Forderungen, um die redaktionelle und operative Unabhängigkeit des ORF langfristig zu sichern."
Die Concordia setzt sich wie zahlreiche andere Stakeholder und Expert:innen seit vielen Jahren für eine Reform der Gremien und weitere strukturelle Maßnahmen für maximale Politikferne ein. Im aktuellen Positionspapier, dem eine ausführliche Analyse des Concordia-Rechtsdienst Journalismus zugrunde liegt, stellt die Concordia die fünf dringlichsten Forderungen zur Stärkung der Unabhängigkeit des ORF vor:
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist für die Allgemeinheit da, er wird durch die Allgemeinheit finanziert und von der Allgemeinheit kontrolliert. Deshalb fordern wir, dass der Grundsatz der Interessenwahrung der Allgemeinheit in §1 des ORF-Gesetzes verankert wird, Gremien und Management an diesen Grundsatz gesetzlich gebunden und Unternehmensbeteiligungen auf ihre Vereinbarkeit mit der öffentlichen Aufgabe geprüft werden.
Stiftungs- und Publikumsräte und Management müssen transparent, begründet und überprüfbar bestellt werden. Zentral sind objektive Auswahlkriterien, ein transparentes Auswahlverfahren mit öffentlichen Hearings für Gremien und Management sowie die Überprüfbarkeit mittels Popularbeschwerde. Die Bestellung von Generaldirektor:in und allen Direktor:innen erfolgt durch den Stiftungsrat in geheimer Abstimmung mit Zweidrittelmehrheit.
Der Stiftungsrat soll als professionalisierte, parteipolitisch unabhängige, geschäftliche Aufsicht reformiert werden. Das bedeutet, dass er für Fragen der Geschäftsaufsicht zuständig ist und aus maximal 20 Mitgliedern besteht, die durch den Publikumsrat mit Zweidrittelmehrheit bestellt werden. Klare fachliche Qualifikationsanforderungen für Stiftungsratsmitglieder sind zu definieren. Die Gremienarbeit soll angemessen bezahlt werden.
Der Publikumsrat wird zur unabhängigen und repräsentativen gesellschaftlichen Aufsicht. Seine Aufgabe ist die Repräsentation der Gesellschaft, er hat Entscheidungskompetenz für inhaltliche Fragen. Ein Drittel der Gremienmitglieder kann politisch (wie bisher in den Stiftungsrat durch politische Parteien, Länder und Bundesregierung) und parteinahe (z.B. durch Kammern, Gewerkschaften) bestimmt werden. Zwei Drittel der Mitglieder werden nach dem Grundsatz der partizipativ-gesellschaftlichen Repräsentation bestimmt.
Ergänzend fordern wir umfassende Transparenzpflichten aller ORF-Tätigkeiten gegenüber der Öffentlichkeit, die Erweiterung der Kontroll- und Beschwerdemöglichkeiten durch Popularbeschwerde, eine umfassende Prüfkompetenz der Regulierungsbehörde in Bezug auf den Finanzbedarf zur Festsetzung des ORF-Beitrags sowie unabhängige wissenschaftliche Beobachtung der Einhaltung des Programmauftrages.
Das ganze Positionspapier des Presseclub Concordia mit dem detaillierten Forderungskatalog finden Sie hier. Der Presseclub Concordia appelliert an die Regierung, diese Maßnahmen noch vor der nächsten Nationalratswahl umzusetzen. Nach der Wahl ist bis zur VfGH-Frist zum 31. März 2025 für eine gebührend tiefgreifende und breite gesellschaftliche Debatte über einen Gesetzesvorschlag die Zeit zu knapp.
"Die Reform des ORF ist nicht nur eine Frage der Medienpolitik, sondern eine Frage der Demokratie selbst", erklärt Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclub Concordia. "Ein unabhängiger ORF dient als Wächter der öffentlichen Interessen und als Plattform für eine vielfältige und freie Meinungsäußerung. Unsere Forderungen spiegeln das Bestreben wider, diesen öffentlichen Auftrag zu stärken und sicherzustellen, dass der ORF auch in Zukunft eine tragende Säule unserer demokratischen Gesellschaft bleibt."
Eine konstruktive Diskussion über die Chancen und Hürden des VfGH-Erkenntnisses führten wir am 20. November im Presseclub Concordia – die Aufzeichnung der Veranstaltung finden Sie hier. Ebenfalls dem Thema widmete sich die jährliche Rechtsdienst-Konferenz im Juni, deren Aufzeichnung hier verfügbar ist.