Content „Made by ORF”
© ORF-Enterprise
MARKETING & MEDIA Redaktion 28.04.2023

Content „Made by ORF”

ORF-Enterprise-CEO Oliver Böhm und Armin Luttenberger, Head of Content Sales International, über ORF-Verkaufserfolge bei der Programmmesse MIPTV.

••• Von Dinko Fejzuli

Vergangene Woche ging mit der MIPTV (Marché International des Programmes de Télévision) im französischen Cannes, neben den LA Screenings die vermutlich wichtigste Content-Messe für TV-Veranstalter, zu Ende. medianet bat ORF-Enterprise-CEO Oliver Böhm und Armin Luttenberger, Head of Content Sales International bei ORF-Enterprise, um eine Bilanz.

medianet: Heuer lag der Schwerpunkt auf den ‚Universum'-Nature-Produktionen und fiktionalen ORF Originals. Ist man damit richtig gelegen?
Armin Luttenberger: Die Entscheidung, mit der Zuspitzung des breit gefächerten Portfolios der ORF-Enterprise eine Schwerpunktsetzung auf diese beiden Premium-Genres zu setzen, ist eine konsequente Fortsetzung der zurückliegenden Verkaufserfolge einerseits, aber auch ein Blick in die Glaskugel in einem sehr kompetitiven Marktumfeld andererseits.

Unverwechselbare Leuchttürme, die Qualität und Originalität versprechen, waren schon immer und bleiben weiterhin das Zugpferd für unsere vertrieblichen Aktivitäten und stärken die Position des ORF im Premium-Segment.

Oliver Böhm: Der ORF-Enterprise ist es ein Anliegen, das österreichische kreative Ökosystem mit aller Kraft international zu vertreten und zu fördern und in Zeiten, in denen die Mittel knapper und die Herausforderungen größer werden, auf Augenhöhe zu kooperieren. Die Zusammenarbeit mit internationalen Koproduktionspartnern und Filmschaffenden weitet dabei den Blick für alle Beteiligten und ermöglicht die Fortsetzung dieser Erfolgsgeschichte.
Luttenberger: Besonders der ‚ORF-Apéro' hat meine Kollegen und mich sehr berührt. Die Wertschätzung internationaler Branchenkollegen, die uns entgegengebracht wurde, war außergewöhnlich. ORF-‚Universum' spielt weiterhin in der obersten Liga der Naturdokumentationen mit. Und die beiden präsentierten Serien ‚Tage, die es nicht gab' und ‚School of Champions' sind beide handwerklich ganz großes Kino.

medianet:
Die ORF-Enterprise ist mit einem breiten Bouquet an die Côte d’Azur gefahren, konnte aber schon vorab erste Verkäufe melden. Welche waren das?
Böhm: Bereits im Vorfeld der Messe konnte die ORF-Enterprise beispielsweise umfangreiche Deals mit MHz Networks aus den USA und Canal+ für fiktionale ORF-Originals fixieren. Letztere setzten den Publikumserfolg von ‚Soko Kitzbühel' in Frankreich mit dem Kauf von zwei Staffeln ‚Soko Linz' fort. Auch Verkäufe von ORF-‚Universum'-Naturfilmen nach China sowie Vereinbarungen über die Ausstrahlung von ORF-‚Universum History'-Highlights mit Ceská Televize wurden vor Start der MIPTV abgeschlossen.

Für den großen Erfolg der diesjährigen Messepräsenz waren weit über 100 persönliche Termine verantwortlich, die das Team von Content Sales International in nur drei Tagen absolvierte. Für großes Interesse an ORF-Content sorgte zudem der ‚ORF-Aperó' am ersten Messeabend, zu dem 150 Branchenvertreter, darunter zahlreiche Entscheidungsträger, eingeladen waren. Abschlüsse über weitere Doku- und Serien-Pakete wie etwa ‚Schnell ermittelt' und ‚Soko Kitzbühel' an Atresmedia in Spanien oder weitere ‚Universum History'-Highlights an RAI in Italien sind Zeugnis einer erfolgreichen Präsenz in Cannes.

medianet: Wie lautet generell ihr Resümee zur MIP? Welche Länder haben welche Produktionen gekauft?
Luttenberger: Neben den großen europäischen Sendern, die seit Jahren Quotenerfolge mit ‚Content Made in Austria' feiern, merken wir auch, dass darüber hinaus die positive Wahrnehmung – insbesondere für fiktionale Inhalte – wächst. Dass einfach transponierbare Inhalte, die kaum kulturellen Barrieren unterliegen, wie beispielsweise Naturdokumentationen, rund um die Welt anerkannt sind, ist Naturgesetz. Dass unsere fiktionalen Filme und Serien nun auch in entfernteren geografischen Lagen gefragt sind, Konsequenz unserer harten Arbeit der vergangenen Jahre.
Böhm: Der Zustrom zur MIPTV hat enorm zugenommen. Über 5.500 Fachbesucher aus 86 Ländern waren diesen Frühling dabei – 1.000 mehr als noch vor einem Jahr. Ein Mega-Deal ist heuer mit MHz Networks in den Vereinigten Staaten geglückt und umfasst 55 ORF-Produktionen. Über 20 ‚Landkrimis' und mehr als 30 rot-weiß-rote ‚Tatort'-Folgen werden in den USA zu sehen sein. Zudem gehen auch drei Staffeln des Comedy-Erfolgs ‚Walking on Sunshine' über den Atlantik. 13 ORF-‚Universum'-Nature-Filme gehen im VoD-Abruf nach China. Sehr erfreuliche Deals konnte die ORF-Enterprise auch mit Histoire, KTO und Canal+ in Frankreich abschließen. Weitere Verkäufe gehen nach Italien, Spanien, Irland, Mexiko, Schweden, Tschechien und die Slowakei.

medianet:
Apropos ‚Tatort' und ‚Landkrimi': Worin liegt der Reiz oder gar der Charme österreichischer Krimis für das Publikum anderer Länder?
Luttenberger: Neben den Anstrengungen in der Vertriebsarbeit gebührt allergrößter Respekt den Filmschaffenden einerseits, denen Kreativleistungen gelingen, die den Anspruch des österreichischen Publikums in höchstem Maße entsprechen und tagtäglich Zuschauer in den ORF-Sendern sowie im VoD-Abruf beispielsweise in der ORF-TVthek und auf Flimmit begeistern. Andererseits möchte ich ausdrücklich den Kollegen im ORF danken, die als Möglichmacher mit der Unterstützung von Koproduktions- und Finanzierungspartnern augenscheinlich eine Qualität fördern, die auch international nachgefragt wird. Uns gelingt es in Österreich, handwerklich und inhaltlich exzellente Filme und Serien herzustellen – von seriellen Produkten, ‚Tatort'-Folgen mit Themen am Puls der Zeit, bis hin zu den außergewöhnlichen Erzählungen der ‚Landkrimis'.
Böhm: Die fiktionalen Produktionen des ORF schaffen zusätzliche Umwegrentabilität, von der auch der Tourismus und angeschlossene Wirtschaftszweige profitieren. In den ‚Landkrimis' oder den ‚Soko'-Produktionen werden die schönsten Seiten des Landes gezeigt und machen Lust auf Österreich. Vice versa ist Österreich als Land der landschaftlichen Schönheit und kulturellen Vielfalt bekannt und beliebt. Seher auf der ganzen Welt schätzen den Blick auf Öste­rreich auf ihren Bildschirmen.

medianet:
Der ORF hält weiter an hochqualitativen Eigen-, Auftrags- und Koproduktionen fest. Diese sind besonders aber kostspielig. Warum ist dies trotzdem wichtig?
Böhm: Egal ob Sender oder Plattform: Wer nicht zur reinen ‚Abspielfläche' reduziert werden und somit verwechselbar werden möchte, kann gar nicht anders, als auf Originale zu setzen. Einerseits lässt sich das für den ORF aus dessen öffentlich-rechtlichen Auftrag ableiten, ist aber auch bei anderen Playern auf dem Markt gut zu beobachten. Hochwertige Qualitätsproduktionen und fiktionale Inhalte mit Lokalkolorit prägen das Image des ORF und sind Teil des öffentlich-rechtlichen Anspruchs.
Luttenberger: Es ist kein Zufall, dass wir die fiktionalen Inhalte selbstbewusst als ORF-Originals deklarieren. Der ORF hat allergrößtes Interesse, im Schulterschluss mit den heimischen Filmschaffenden weiterhin spannende Erzählungen auf die Bildschirme zu bringen – das geht von Identitätsstiftung bis hin zur Verhandlung gesellschaftlich relevanter Themen, manchmal im Kleinen, oftmals abendfüllend in großen TV-Formaten. Hinzu kommt die Förderung von kreativen Talenten: Es gibt zahlreiche prominente Beispiele von österreichischen Autoren und Regisseuren, die ihre ersten Schritte gemeinsam mit dem ORF machten und nun international gefragt sind.

medianet:
Frage zum Schluss: Sie sind ein langjähriger Beobachter des TV-Content-Marktes. Welche Themen/Genres bzw. welche Art von Content ist aktuell besonders nachgefragt?
Luttenberger: Ich gestehe, dass wir gar nicht so sehr dem nächsten großen Trend entgegenhecheln, sondern die vielleicht altmodischen Tugenden Qualität und Originalität als die großen Treiber für Erfolge definieren. Die vergangenen, durch Pandemie und weltweiten Krisen geprägten Jahre haben sicher zu einer Verschiebung von gelernten Schemata hin zu längeren (seriellen) Erzählformen geführt, aber auch zu den Eskapismus feiernden Inhalten, die den Zuschauern den Ausbruch aus den eigenen vier Wänden bequem von der Couch aus ermöglicht haben. Ich denke, dass eine gute Balance zwischen spannenden fiktionalen Stoffen von höchster Qualität mit starkem Cast und klarem Profil sowie relevante dokumentarische Inhalte, die handwerklich exzellent umgesetzt werden, die allergrößten Chancen auf Erfolg hat.

Umsetzungen, die einem Thema das notwendige Erzähltempo und die angemessene audiovisuelle Übersetzung einräumen, sind gegenüber schnell und/oder kostengünstig produziertem Content in der Nachverwertung klar im Vorteil und haben die größten Ertragschancen.
Neue Marktteilnehmer wie FAST-Channels werden der Branche allerdings sicher wieder ein neues Momentum verpassen, wenn es um schieres Volumen von Inhalten geht, die (thematisch gebündelt) ihre spezifischen Zuschauergruppen erreichen können.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL