Das Spektrum zwischen Pantscherl und Liebe
© ORF/Roman Zach-Kiesling
MARKETING & MEDIA Redaktion 09.07.2021

Das Spektrum zwischen Pantscherl und Liebe

„Liebesg’schichten und Heiratssachen” startet in seine 25. Saison und versucht auch heuer, für jeden Topf den passenden Deckel zu finden.

••• Von Anna Putz

WIEN. Eigentlich, sagt die alleinerziehende Mutter Susanna, wollte sie Leichenbestatterin werden. „Da hat man ruhige Kundinnen und Kunden”, erklärt die 37-Jährige. Doch aus dem Berufswunsch ist nichts geworden – sie sei „in frühen Jahren in die Wurstabteilung gekommen”. Und: Sie ist, wie andere Menschen aus ganz Österreich, auf der Suche nach der Liebe. Beim Finden soll ihr Nina Horowitz helfen, die nach dem Tod von Elisabeth T. Spira das Kultformat „Liebesg’schichten und Heiratssachen” übernahm.

Laut ORF-Kulturchef Martin Traxl habe man nach Spiras Ableben oft gehört, dass man durch die Neuauflage des Formats „nur verlieren” könne. Wenngleich Horowitz ein „schweres Erbe angetreten” habe, müsse die 44-jährige Journalistin den Vergleich mit Spira nicht scheuen, sagt ORF2-Channelmanager Alexander Hofer. Es habe eine „behutsame, liebevolle Weiterentwicklung” gegeben, erklärt Hofer weiter.
Die Quoten jedenfalls sprechen für Horowitz: Rund 950.000 Menschen erreichte die letzte Staffel – und die erste der Do­kumentaristin – durchschnittlich.
Obwohl es seitens des ORF „nie eine Quotendiskussion gab”, würden die Zahlen Druck von den Schultern nehmen und unbeschwerter machen – gute Voraussetzungen also, um für Susanna und Co. das passende Gegenüber zu finden.
Wie auch im vergangenen Jahr lud der ORF zu Staffelbeginn Journalisten auf ein Schiff am Wiener Donaukanal und präsentierte die erste Folge vorab. Man habe die Entwicklung der Gesellschaft mitgemacht, meint Programmdirektorin Kathi Zechner. Es sei „großartig und fein, wie divers die Kandidatinnen und Kandidaten sind”, so Zechner weiter. Teil der aktuellen Staffel sind beispielsweise auch drei homosexuelle Männer sowie ein transsexueller Mann. Es sei wichtig, zu sehen, so Horowitz, dass jede Art von Sexualität „auf einer Stufe ist”. Ein reichweitenstarkes Format zu haben, das unterschiedliche Sexualitäten abbilde und erkläre, sei „schon toll”.

„Ich bewerte nicht”

Und obwohl man um Vielfalt bemüht und sich der Verantwortung rund um das Thema bewusst ist, soll das Format nicht an Charme, Witz und Humor einbüßen. Der Kärntner Andi hofft, für die Beantwortung seiner Zuschriften keine Sekretärin einstellen zu müssen. Oder die 64-jährige Astrid die findet: „Ja, auch Männer können sexy sein.”

Wie man es schafft, dass sich all diese Menschen einem öffnen? „Die Menschen spüren, dass ich es gut mit ihnen meine”, so Horowitz. Außerdem helfe Humor und Kommunikation auf Augenhöhe. „Ich bewerte nicht”, erklärt sie; „wenn jemand sagt, er sucht ein Pantscherl, ist das für mich genau so gut wie jemand, der sagt, er möchte für immer die ewige Liebe finden.”
Das Spektrum von Pantscherl bis zur ewigen Liebe ist bekanntlich breit – vor allem bei „Liebesg’schichten und Heiratssachen”. In Zahlen drückt sich das Spektrum wie folgt aus: Von 1.195 Suchenden fanden 321 das Liebesglück, 47 Paare liefen in den Hafen der Ehe ein. Besonders erfreulich ist, dass das Format vier Babies hervorbrachte.

Erfolgreiche (Liebes-)Bilanz

Zum Glück anderer Menschen beizutragen, ist für Horowitz etwas Besonderes – „ein Motor”. Wenn man verliebte Paare sehe, die sich über die Sendung kennengelernt haben, „ist das schon ein wahnsinnig schönes Gefühl”, so Horowitz. Zwar mache sie die Vorstellungsfolgen auch gerne, „aber die zehnte Folge, wo sich jemand verliebt hat, ist schon außerordentlich”. Es seien Glücksmomente gewesen, die „frisch Verliebten zu interviewen, das kann man sich nicht vorstellen”. Manchmal, lacht Horowitz, hätte man auch das Gefühl, man störe gerade.

Ein Erfolgsrezept, wie man die Liebe – in welcher Form auch immer – findet, gibt es übrigens nicht. Der 80-jährige Tiroler Schorschi, erzählt Horowitz, könne sich beispielsweise gut eine 47-jährige Partnerin vorstellen. „Weil auch Bernie Ecclestone eine junge Frau hat”, schmunzelt die Journalistin. Aber nur weil jemand „Fantasien im Vorfeld hat”, fügt sie hinzu, „heißt das nicht, dass man nicht Kompromisse in der Liebe schließen kann”.

Ein eigenes Projekt

„Das Gefühl”, antwortet Horowitz auf die Frage, ob sich das Format mittlerweile wie ein eigenes Projekt anfühle, „bekommt man relativ schnell.” Sie habe zwar heute schon an Spira gedacht – es sei ja die 25. Saison –, aber durch „die Arbeit, das Casting, den Dreh und den Schnitt” hätte sie es rasch als eigene Sendung betrachtet. Das Zittern wäre weniger gewesen, ob sie das Format annehmen kann, sondern vielmehr, ob das Publikum es tun würde. „Ob man die Sendung mit jemand anderem toleriert”, ergänzt Horowitz. Und ja: Sie fühle sich toleriert.

Übrigens bringt sich Horowitz, die unter anderem auch bei profil tätig war, in die musikalische Untermalung der Folgen ein; sie achte darauf, dass jede Textzeile zum Bild passt – etwa wenn Gewichtheber Guido seine Hanteln in die Höhe stemmt und nebenbei „Wild Thing” von The Troggs ertönt.

Das Suchen und Finden

Die Liebesbriefe, die Anwärterinnen und Anwärter erhalten, landen zunächst auf dem Schreibtisch von Sharon Nunis Assistentin. „Manche Teilnehmerinnen und Teilnehmer”, sagt die Sendungsverantwortliche des Formats, „bekommen Hunderte, manche keinen einzigen Brief”. Besonders rührend sei, dass einige Damen Post von anderen Frauen bekommen. Es seien aber keine Liebesbriefe: „Es geht um Zuspruch, um Solidarität untereinander”, so Nuni. Das sei auch ein Erfolg, denn im Kern der Sendung gehe es nicht um das Finden der Liebe, sondern darum, weniger einsam zu sein.

Mögen der FKK-Liebhaber Charly, der „Verdammt, ich lieb’ dich” singende Rauchfangkehrer Guido und die mit Chucky, der Mörderpuppe, tätowierte Susanna sowie alle anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer zahlreiche (Liebes-)Briefe bekommen. Denn wir alle wissen: Zu zweit ist man weniger allein.

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