Der Algorithmus macht die Marken
© Martina Berger
MARKETING & MEDIA Redaktion 27.06.2025

Der Algorithmus macht die Marken

Helmut Kosa erklärt, warum Marken künftig nicht nur Menschen, sondern auch Maschinen überzeugen müssen.

Gastkommentar ••• Von Helmut Kosa


WIEN. In den USA testen Tech-Giganten wie Amazon oder Google bereits KI-Agenten, die im Internet nach den besten Angeboten suchen und selbstständig einkaufen können. Diese Algorithmen, die Konsument die Kaufentscheidung abnehmen, werden früher oder später auch in Österreich eine elementare Rolle im Marketing einnehmen.

Während man sich beim Einkaufen heute noch für ein konkretes Produkt entscheiden muss, bittet man die Künstliche Intelligenz seines Vertrauens in Zukunft nur noch: „Bestelle mir bitte eine Flasche Olivenöl.” Das stellt vor allem Unternehmen vor Probleme, die auf Werte wie handwerkliche Qualität oder Regionalität setzen. Denn KI-Agenten wie Amazons „Buy for Me” oder Googles „Gemini 2.0” interessieren sich nur für Hard Facts: Preis und Lieferzeit. Mastercard, Visa und PayPal haben sich in dieser Angelegenheit bereits als Innovationstreiber positioniert und ihre Zahlungssysteme für Anbieter wie OpenAI oder Microsoft geöffnet. Es wird also nicht lange dauern, bis Österreicherinnen und Österreicher auch so einkaufen.

KI-taugliche Positionierung

Das Konzept der Markenpositionierung, wie wir es heute kennen, gilt es zu überdenken. Einerseits muss bei den Konsumentinnen und Konsumenten künftig nicht mehr nur der Mitbewerb in der Wahrnehmung übertroffen werden, sondern ein so starkes Bedürfnis geweckt werden, dass etwa anstatt eines Energy Drinks nach einem Red Bull gefragt wird. Andererseits ist die Wahrnehmung der Konsumenten nur noch eine Seite der Medaille. Denn wer bei allgemeinen Suchanfragen gefunden werden möchte, muss Algorithmen davon überzeugen, die beste Alternative zu sein. Der steirische Schokoladenhersteller Zotter wird einem KI-Agenten jedoch schwer die Idee vom Fair Trade erklären können. Auf die Kaufentscheidung zahlen stattdessen Daten wie Preis, Nährwerte oder Bewertungen ein. Jahrelang aufgebaute Kundenbindung hat also nur noch in seinem Endstadium, dem dezidierten Wunsch nach genau diesem Produkt, einen Wert.

Die Macht von Daten

Um von KI-Agenten als „beste Option” angesehen zu werden, investieren internationale Konzerne wie Unilever oder Procter & Gamble bereits Millionen in die KI-gerechte Aufbereitung ihrer Produktdaten. Österreichische Mittelständler haben zwar nicht die gleichen Möglichkeiten, sollten aber höchsten Wert auf die Vollständigkeit und Maschinenlesbarkeit ihrer Daten legen. Denn wenn Informationen zum heimischen Bio-Duschgel beim direkten Vergleich mit dem minuziös dokumentierten Konkurrenten Axe gar nicht erst erfasst werden können, hat das Produkt nicht nur schlechte, sondern gar keine Karten. Neben dieser Gefahr birgt die Ära des Agentic Commerce jedoch auch eine Chance für Unternehmen, die bisher einen regionalen oder nationalen Fokus verfolgt hatten: Wer die KI davon überzeugt, die „beste Option” zu sein, wird zukünftig auf dem gesamten Globus gefunden und gekauft.

KPIs im Wandel

Bisher waren Click-Through-Rate, ROAS oder Conversion Rate jene Metriken, an denen Online-Vertrieb gemessen werden konnte. Doch sobald die Menschen nicht mehr selbst entscheiden müssen, wird der Kreis der KPIs erweitert. Darunter etwa die „Agentic Checkout Rate”: Wie oft kaufen KI-Systeme tatsächlich Manner-Schnitten? Und der „Agentic Compatibility Score”: Kann ein Algorithmus überhaupt verstehen, warum Manner nachhaltig und fair produziert? Wer diese Kennzahlen in Zukunft ignoriert, verschwindet vom Radar der Konsumentinnen und Konsumenten und somit in der Bedeutungslosigkeit.

Positionierungsexperte Helmut Kosa ist Managing Partner der Wachstumsberatung &Us, die nationale und internationale Unternehmen und Organisationen bei der Markenpositionierung, Strategieentwicklung und Implementierung von Wachstumslösungen berät.

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