Der Digital Services Act, ein echter Meilenstein?
© RTR/Christian Lendl
MARKETING & MEDIA Redaktion 16.02.2024

Der Digital Services Act, ein echter Meilenstein?

Die Vertreter betroffener Interessengruppen haben unterschiedliche Erwartungen an den EU-Rechtsakt.

••• Von Dinko Fejzuli

Die EU-Verordnung „Digital Services Act” (DSA) verschärft die Verpflichtungen der Vermittler von Internetdiensten und räumt den Nutzerinnen und Nutzern mehr Rechte ein. Sie trat am 16. November 2022 in Kraft, wobei einzelne Bestimmungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten wirksam wurden. Und morgen ist es so weit – zwar gelten bereits seit 2023 die Bestimmungen für sehr große Plattformen, aber ab dem 17. Februar 2024 sind sie auf alle Anbieterinnen und Anbieter anzuwenden.

KommAustria zuständig

Es gibt durchaus Einschränkungen: Die neuen Bestimmungen gelten weitestgehend nicht für Kleinst- und Kleinunternehmen (Online-Plattformen), das heißt für Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern und bis zu max. 10 Mio. € Umsatz bzw. 10 Mio. € Bilanzsumme.

Doch um die Durchsetzung des Gesetzes bei jenen, für die die Regelung gilt, zu erleichtern, haben die EU-Mitgliedsstaaten jeweils eine Behörde als nationalen Koordinator für digitale Dienste benannt („Digital Services Coordinator”), der grundsätzlich für alle Fragen im Zusammenhang mit der Überwachung und Durchsetzung des DSA im betreffenden Mitgliedsstaat zuständig ist. In Österreich wurde mit dem „DSA-Begleitgesetz” diese Aufgabe der KommAustria übertragen.
Und um der Frage nachzugehen, was sich die diversen Stakeholder vom Digital Service Act erwarten, lud die RTR Mitte dieser Woche unter dem Motto „Von der E-Commerce-Richtlinie zum Digital Services Act” zu einer Informationsveranstaltung ein.

Breite Diskussion

Nach einer Keynote von Dietmar Dokalik – Leitender Staatsanwalt und Abteilungsleiter Allgemeine Angelegenheiten in der Zivilrechtssektion des Bundesministeriums für Justiz – wurde in einem Panel zum Thema „Was sind die Erwartungen an den Digital Services Act?” diskutiert. Anschließend wurde mit Fachleuten darüber gesprochen, was sich nun ändert und vor allem, was die Diskutanten aus ihrer Sicht im Digital Service Act anders geregelt hätten.

Zu Beginn stellte etwa die bekannte Medienanwältin Maria Windhager, die für diverse Mandanten, etwa für die damalige Grüne Klubobfrau Eva Glawischnig, ein spektakuläres Urteil in einer Hassposting-Causa gegen Facebook erkämpfte, fest, dass die Situation in Wahrheit, was etwa gerade Hasspostings betrifft, eigentlich schlimmer geworden sei.
„Rückblickend muss man feststellen, dass die damaligen Äußerungen im Netz, vergleicht man sie mit Dingen, die heute möglich sind, fast nicht so schlimm sind”, so Windhager mit einem leichten Augenzwinkern. Sie selbst hätte damals übrigens durchaus versucht, etwa mit Facebook eine andere Lösung zu finden, doch bei der Gegenseite gab es null Bereitschaft dazu, und so war man gezwungen, vor Gericht zu ziehen. Das damalige Urteil selbst bezeichnet Windhager als „sensationell”, denn nicht nur, dass man gewonnen hätte, sondern es wurde auch festgestellt, dass Facebook zusätzlich auch sinngleiche weitere Äußerungen im Netz löschen müsse.

Der Kampf geht weiter

Gefragt, was sie sich im Digital Service Act anders gewünscht hätte, gibt Windhager an, dass sich die Möglichkeit, Hasspostings einzudämmen, deutlich verbessert hätte, wenn etwa die Medieninhaber zur Verantwortung herangezogen würden für den Fall, dass die Urheber etwa eines Hasspostings dieses selbst nicht zeitgerecht löschen. Generell meint sie: „Alles, was dazu führt, dass es schneller einen Rechtsschutz gibt, ist begrüßenswert.”

AK-Konsumentenschützerin Daniela Zimmer hätte sich im Sinne der Konsumenten eine Lösung für transnationale Schadensersatzregelungen gewünscht, und Natalie Ségur-Cabanac, Vizepräsidentin des Branchenverbandes des Internet Service Providers Austria, warnte im Zuge des Inkrafttretens des DSA, dass es zu einer „Regulierungskeule” kommt, die die kleinen Unternehmen gleich trifft wie die Großen, wobei viele der kleineren Unternehmen nicht einmal eine Rechtsabteilung hätten und hier der Aufwand steigen könnte.
Dokalik führt an, dass es sicherlich begrüßenswert gewesen wäre, wenn man es geschafft hätte, die Plattformen zu mehr Selbstregulierung zu zwingen, denn die Alternative ist, dass User bei vermuteten Rechtsverstößen jedes Mal zu Gericht gehen müssten und „sie können nicht für jede Beleidigung immer einen Richter heranziehen”, so Dokalik, das sei schlicht unpraktikabel. Eine Art Behelfskrücke sieht Dokalik in der im Digital Service Act vorgesehenen Möglichkeit, sich schneller gegen die Digitalgiganten zu wehren, wenn eine sogenannte offensichtliche Rechtswidrigkeit vorliegt. Sein Fazit: Nicht immer würden sich Betroffene gerichtlich wehren, manche Opfer würden auch aufgeben, so seine Vermutung.

Informieren vor Strafen

Der DSA sieht aber nicht nur Regelungen vor, es wurden auch gleich Sanktionen für den Fall von Verstößen vorgesehen. Die Strafen, die für Google, Facebook & Co vorgesehen sind, sind durchaus beachtlich – sie können bis zu sechs Prozent des globalen Umsatzes betragen.

Doch die Regelungen im DSA gelten auch für global vergleichsweise kleinere, nationale Unternehmen, und hier sieht Susanne Lackner, stellvertretende Vorsitzende der KommAustria, die Rolle ihrer Behörde vor allem im Zurverfügungstellen von Informationen. „Es kann nicht das Ziel des Digitalen Dienste-Koordinators sein, dass man so einfach über die Wiese straft.”
Es gehe eher darum, so viele Informationen wie möglich, vor allem für die mittleren und kleineren Unternehmen, zur Verfügung zu stellen und aufzu­klären. Generell begrüßten alle den Umstand, dass es mit dem Digital Service Act eine Regelung gibt für die großen Techgiganten und dass es auch auf nationaler Ebene, in diesem Fall mit der KommAustria, eine Behörde gibt, die auch als eine Art ­Ansprechpartner fungieren könne.

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