Der perfekte Preis
© Simon-Kucher & Partner
MARKETING & MEDIA Redaktion 13.07.2018

Der perfekte Preis

Simon-Kucher & Partners ist Weltmarktführer in der Pricing-­Beratung. Othmar Schwarz, Partner in Österreich, erklärt im Interview u.a., ­weshalb man kein Fan von pauschalen Preisreduktionen ist.

••• Von Gianna Schöneich

 

Seit mehr als 30 Jahren hilft Simon-Kucher & Partners Kunden, Umsätze und Gewinne zu steigern. In 24 Ländern ist man mit 36 Offices und über 1.100 Mitarbeitern vertreten und gilt als das Beratungsunternehmen in Sachen Pricing. Kunden sind sowohl KMU, als auch große Unternehmen wie Siemens, Shell oder Adidas. Bei Simon-Kucher & Partners finden sich Spezialisten für jede Branche. Im Interview erklärt Österreich-Partner Othmar Schwarz, weshalb Preisreduktionen nicht immer die beste Idee sind, wie man zum perfekten Preis gelangt und was sich in der Praxis von der Preispsychologie lernen lässt.


medianet:
Herr Schwarz, die Kalkulation eines Preises ist doch ganz einfach: Produktkosten plus Gewinnaufschlag – fertig.
Othmar Schwarz: Das häufig genutzte ‚Cost-Plus-Pricing' ist zwar einfach darzustellen, jedoch ertragsseitig nicht zielführend, da es den Kunden und seine Zahlungsbereitschaften gedanklich ausblendet. Wir müssen weg von diesem Denken und hin zu einem wertbasierten Pricing.

medianet:
Wie kommt man also zum perfekten Preis?
Schwarz: Den perfekten Preis gibt es nicht. Aber man kann zumindest versuchen, sich diesem zu anzunähern. Das beginnt mit der richtigen Strategie und der Einleitung der notwendigen Innovationsprozesse. Unternehmen müssen eruieren, welches Pricing für sie sinnvoll ist. Der Preisdurchsetzungsprozess muss dann im Vertrieb passieren, dieser muss geschult sein und den Wert eines Produkts kommunizieren können. Hier geht es sehr stark um die Wertargumentation. Später, im Controlling, muss kontrolliert werden, ob die richtigen Preise durchgesetzt wurden.

medianet:
Was ist denn der Wert eines Produkts?
Schwarz: Dabei geht es nicht nur um das Produkt selbst, sondern auch um beispielsweise das Image der Marke, das Design oder den Service. Hier handelt es sich um Eigenschaften, die ich nicht über Kosten ermitteln kann – man muss sie über unterschiedliche Methoden wie beispielsweise Kundenbefragungen ermitteln.

medianet:
Welche Rolle spielen Abverkauf und Preisreduzierungen in Ihrem Job?
Schwarz: Hier muss man stark differenzieren. Handelt es sich bei der Preisreduzierung um eine Aktion, die beispielsweise den Abverkauf fördern soll? Oder soll durch die Preisreduzierung das Image eines Produkts gefördert werden? Wenn man Aktionen zur Regel macht, hat man ein großes Problem: Wenn ein Kunde weiß, dass er ein gewisses Produkt jeden Freitag verbilligt erhält, wird er es nie wieder an einem Donnerstag kaufen. Gewöhnen sich Kunden an eine Aktion und nutzen diese, bleibt der Effekt für das Unternehmen auf der Strecke. Wir raten in der Regel von Preisreduktionen ab – sich auf diese Art Marktanteile zu kaufen, ist meist zu kurz gedacht.

medianet:
Das hört sich so an, als würden Preisreduzierungen gar keinen Sinn machen.
Schwarz: Sie können sehr wohl sinnvoll sein. Zum Beispiel, wenn man einen strategisch wichtigen Kunden an Land ziehen möchte. Und einem Kunden, der riesige Mengen abnimmt, würde ich auch einen günstigeren Preis anbieten können. Grundsätzlich gilt: Preisanpassungen sollten immer differenziert angegangen werden.

medianet:
Sie bewegen sich mit Ihrer Beratung eher auf der Sunny Side – im Bereich Cost-Cutting sind Sie nicht tätig.
Schwarz: Richtig. Simon-Kucher steht für TopLine Power; das bedeutet, unser Ziel ist es, Umsatz und Gewinn unserer Kunden zu steigern. Dabei fokussieren wir uns auf vier Wachstumshebel: Strategie, Marketing, Pricing und Vertrieb. Das Ergebnis: Unsere Lösungen machen nicht nur auf dem Papier etwas her. Sie funktionieren auch im richtigen Leben und haben eine durchschlagende Wirkung. Unsere Projekte steigern in der Regel die Profitabilität unserer Kunden um 100 bis 500 Basispunkte. Mit Kostenreduzierungen auf Unternehmensseite beschäftigen wir uns nicht.

 

medianet: In unserer digitalisierten Welt kann jeder Produktpreise auf der ganzen Welt vergleichen. Ist es da für Unternehmen förderlich, in verschiedenen Ländern unterschiedliche Preise anzubieten?
Schwarz: Auch vor der Digitalisierung mussten Unternehmen ihre internationalen Preise managen. Schon damals wanderte eine Preisliste von hier nach dort. Inwieweit unterschiedliche Preise angeboten werden, hängt von vielen Parametern ab, wie z.B. der regionalen Distanz. Auch hier muss auf eine strategische Planung gesetzt werden. Durch die Digitalisierung ist in jedem Fall die Transparenz von Preisen gestiegen. In unserer Studie ‚Global Pricing & Sales Study' haben wir herausgefunden, dass die ­höchste Hemmschwelle für Wachstum der steigende Preisdruck und die steigende Preistransparenz sind.

medianet:
Wie sollte man mit Preisdruck umgehen?
Schwarz: Die Ergebnisse unserer Global Pricing & Sales Study zeigen: Zwei Drittel der befragten Unternehmen befinden sich aktuell in einem Preiskrieg. Wir sind harte Verfechter davon, dass man als Unternehmen nicht in Preiskriege einsteigen sollte. Denn dabei gewinnt nur der Kunde. Zudem ist es sehr schwierig, ein Preislevel, welches einmal am Markt etabliert wurde, langfristig wieder anzuheben. Knapp 80 Prozent der Befragten geben zudem an, dass der Preiskrieg von Wettbewerbern begonnen wurde. Das zeigt, dass Preiskriege oft unbewusst von Unternehmen mit schlechten Preispraktiken begonnen werden. Als Unternehmen sollte man sich nicht auf sein Bauchgefühl verlassen, sondern hier gilt es, rational und strategisch zu handeln. Wir sind grundsätzlich der Meinung, dass Unternehmen das Preisgefüge in einem Markt nicht zerstören sollten – das sollten alle Marktteilnehmer berücksichtigen.

medianet:
1,99 Euro oder 2 Euro – funktioniert der Preis 1,99 Euro tatsächlich besser?
Schwarz: Ja, tatsächlich. Diese Preisschwellen erzeugen eine bessere Kaufbereitschaft. Bei diesem Beispiel assoziiert der Kunde den Preis eher mit 1 Euro als mit 2 Euro. Es gibt sehr viele Tricks aus der Preispsychologie, die in der Preisbildung angewendet werden.

medianet:
Zum Beispiel?
Schwarz: Sehr beliebt ist die ‚Tendenz zur Mitte'. Einen Mobilfunkvertrag gibt es beispielsweise in drei oder vier verschiedenen Ausprägungen, weil es unterschiedliche Käufergruppen gibt. Die Preise sind nach der Zahlungsbereitschaft beschaffen und enthalten natürlich verschiedene Leistungen. Wir Konsumenten denken uns, dass wir den teureren Vertrag gar nicht benötigen und gehen automatisch davon aus, dass der billigste wahrscheinlich nicht genug bietet.

Aber jener Vertrag in der Mittelklasse, der wird es sein. Wichtig ist auch die richtige Darstellung der Preise; hier kommt häufig der sogenannte Ankereffekt zum Einsatz. Kunden lassen sich von früh genannten, oft hohen Preisen beeinflussen. Demzufolge sollte man die Preise in Europa immer von links nach rechts anordnen, begonnen mit dem teuersten.


medianet:
Das Thema Pricing scheint allerdings nicht sehr populär zu sein.
Schwarz: Ja, aber das ändert sich aktuell immer mehr. Es gibt für Unternehmen drei Gewinnhebel: Preis, Kosten und Menge. Preis minus Kosten mal Menge ist gleich Gewinn. Oft wird in Unternehmen lediglich die Menge berücksichtigt. Unternehmer fragen sich: Wie kann ich wachsen und neue Kunden gewinnen? Bei der Menge handelt sich jedoch um einen limitierten Hebel. Zudem hat jedes größere Unternehmen eine Kostenrechnungsabteilung. Das bedeutet, dass die Kosten in Unternehmen sehr gut gemanagt sind und hoch im Fokus stehen. Die Frage muss unserer Meinung nach jedoch lauten: Wo ist die Pricing-Abteilung? Wo werden Preise gemacht? Sie sind ein Randprodukt. Der Preis ist einer der wichtigsten Gewinntreiber und wird trotzdem in vielen Unternehmen sträflich vernachlässigt. Das kostet die Unternehmen jedes Jahr Milliarden. Wenn ich es als Unternehmen nicht schaffe, mein Pricing professionell anzugehen, dann kann ich bei den anderen Hebeln tun, was ich will – der Erfolg wird ausbleiben.

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