Die unterschätzte Generation 50 plus
© Screenforce
Malte Hildebrandt (Screen­force Deutsch­land, l.) im Gespräch mit Ines Imdahl (Rheingold Salon).
MARKETING & MEDIA Redaktion 17.10.2025

Die unterschätzte Generation 50 plus

Das Screenforce Expertenforum räumte mit Klischees auf und verdeutlichte die wirtschaftliche Relevanz dieser Generation.

Sie tun sich schwer mit neuen Technologien, verstehen die Jugend nicht mehr und sind konservativ – so einige gängige Klischees über die Generation 50 plus. Dabei sind jene Menschen eine der spannendsten Zielgruppen im Marketing, machen sie doch rund die Hälfte der Bevölkerung im D-A-CH-Raum aus. Die häufigen Stereotype kommen wohl von der Unterrepräsentation in der Marketing- und Medienforschung. Screenforce wollte das ändern und lud vor Kurzem zum Expertenforum XXL mit dem Titel „50 plus und voll im Leben – Mythos oder Realität?“.

Übersehene Zielgruppe
Zur Begrüßung stellte Uschi Durant, Screenforce-Marketingdirektorin, klar: „Das Narrativ über die Generation 50 plus muss sich grundlegend ändern. Noch immer wird diese Zielgruppe in Marketing und Kommunikation viel zu oft übersehen oder auf stereotype Bilder reduziert. Dabei verfügt sie nicht nur über eine enorme Kaufkraft, sondern ist auch aktiv, neugierig und lebensfroh. Wer die Generation 50 plus ernst nimmt und authentisch anspricht, gewinnt eine Zielgruppe, die sich bewusst entscheidet, kritisch prüft und Marken mit Loyalität belohnt.“

Walter Zinggl (RTL AdAlliance), Screenforce-Österreich-Sprecher, ergänzte: „Die Zielgruppe 50 plus ist kein ‚nice to have‘, sondern ein entscheidender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg. In der Kommunikation darf sie daher nicht länger als Randerscheinung vorkommen, sondern muss ins Zentrum rücken – mit relevanten Inhalten und Bildern, die der Realität entsprechen.“

Kaufkräftige Generation
Die Meinungsforscherin Ines Imdahl (Rheingold Salon) unterstrich in ihrem Beitrag die wirtschaftliche Relevanz der Generation 50 plus: Nicht nur stellen sie 50% der Menschen im D-A-CH-Raum, sie sind auch äußerst konsumfreudig und finanzstark – 57% des gesamten FMCG-Umsatzes entfallen auf sie. Auch deshalb möchte die Zielgruppe 50 plus in der Werbung nicht einfach als „Beifang“ gesehen, sondern anspruchsvoll abgebildet und angesprochen werden.
Denn im Gegensatz zur Gen Z kennt sich diese Generation durch ihre Lebenserfahrung gut mit Werbung aus und stellt auch Ansprüche. „Damit Werbung für die Zielgruppe 50 plus funktioniert, braucht es gelungene Geschichten mit hoher Bildqualität, gerne komplex und mit Witz, in Kinosprache samt interessanter Verpackung der Produktneuheiten. Vignetten und Kleinteiligkeit werden nicht gemocht“, fasst Imdahl zusammen.

Eine Frage des Gefühls
Um Einblicke in die Zielgruppe zu bekommen und Unterschiede zu den 30- und 40-Jährigen herauszufinden, hat Brigitte Bayer von der Gesellschaft für innovative Marktforschung (GIM) eine repräsentative Studie mit 1.600 Teilnehmern im D-A-CH-Raum durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Zielgruppe 50 plus im Schnitt zehn Jahre jünger fühlt. Außerdem offenbart die Studie eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung: Während nur sieben Prozent der 30- und 40-Jährigen glauben, der Zielgruppe 50 plus seien neue Technologien wichtig, empfinden 46% dieser moderne Technologien als Bereicherung. „Wenn der Darsteller nicht verkörpert, was der Zielgruppe wichtig ist, funktioniert die Werbung nicht! Die Zielgruppe ist jünger als man denkt und möchte sich authentisch abgebildet und angesprochen wissen“, so Bayer über ihre Befunde.

Vertrauen entscheidend
Auch weltweit lassen sich Trends ausmachen, etwa in den aktuellen Ergebnissen des Brand Trust-Barometers, für das global rund 15.000 Menschen befragt wurden. Bärbel Hestert-Vecoli, Managing Director der Corporate Reputation Practice von Edelman Deutschland, präsentierte die Ergebnisse, die vor allem eines zeigen: Für die Generation 55 plus ist Vertrauen ein entscheidender Faktor bei der Markenwahl. Mehr als 80% der Befragten in Deutschland legen Wert darauf, dass Marken bei Themen wie Klimaschutz, Geschlechtergerechtigkeit und im Kampf gegen Desinformationen Haltung zeigen. Mehr als die Hälfte der Konsumenten würden Marken, die Schweigen und keine Haltung beziehen, den Rücken kehren.
„Die Generation 55 plus ist eine sehr anspruchsvolle Generation, die nicht nur den proklamierten Purpose hören möchte, sondern auch überprüft, was wirklich dahintersteckt“, betont Hestert-Vecoli.

„Marathon“ Relevanzaufbau
Zum Abschluss zeigten Max Otto und Stephan Petschow von der Witt-Gruppe noch eine Möglichkeit, wie sich Marken für die Generation 50 plus erfolgreich neu erfinden können. Das Unternehmen entwickelte unter dem Leitmotiv „Für die beste Zeit des Lebens“ einen umfassenden Brand-Refresh. Zentral war dabei die „Brandshaper“-Kampagne, die auf 5,3 Mio. Frauen im Alter von 50 bis 64 zielte und in drei Schritten (Forschung und strategische Basis, Kreation und Implementierung) umgesetzt wurde. Im Forschungsteil zeigte sich, dass vier zentrale Themen bei Frauen in der Zielgruppe 50 plus eine starke Wirkung erzielen: „Frau im Fokus“, „(Selbst-)Wertschätzung“, „fröhliche Grundstimmung“ und „Mut machen“. Besonders „Wertschätzung“ erwies sich in der Umsetzung als wirkungsstark und korrespondierte auch mit der Markenbotschaft der Witt-Gruppe („Mode, die ich mag“).

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