Die eigentümergeführte Agentur kraftwerk feierte dieses Jahr ihr en 30. Geburtstag und holte sich erneut den Sieg in der Kategorie „Digitalagentur” bei den medianet.xpert.awards 2020.
medianet bat kraftwerk-CEO Heimo Hammer zu einem Sieger-Interview.
medianet: Welche Bedeutung hat der wiederholte Gewinn des xpert.award Digital?
Heimo Hammer: Unser Markt baut auf dem schärfsten Wettbewerb auf, den es gibt: Neue Ideen kreativ und erfolgreich umzusetzen. Die xpert.net-Bewertung ist keine subjektive, sondern eine höchst professionelle.
Den wichtigen Titel zu verteidigen, ist für uns so, wie wenn ein Fußball-Club die Champions League gewinnt. Die digitale Kompetenz ist in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung sowieso die Königsdisziplin.
medianet: ‚Wer braucht ein fixes Portfolio …' steht noch auf Ihrer Homepage. Welches besondere Portfolio hat kraftwerk 2019 betreut? Welche besonderen Projekte wurden umgesetzt?
Hammer: Der Kommunikationsmarkt ist derjenige, der sich am schnellsten an die Konsumentenbedürfnisse anpassen muss. Das Jahr 2019 stand ganz im Zeichen von ‚Datadriven Performance and Creativity'. Wir als kraftwerk sind ja mittlerweile die ‚Hexenküche für kreative und digitale Lösungen in Österreich'. Neukunden wie Glemvital, Oesterreichische Nationalbank, veroo, Otis, Austria Trend Hotels, Alcar, etc. zeigen, dass wir nicht alles falsch machen und Neukunden Kompetenz und Performance sehr schätzen. Das Märchen von 360° war gestern, die Kombination aus Kreativität und Daten (Technologie) bestimmt den heutigen Markt.
medianet: Das letzte Jahr war aber auch das Jahr von Ibiza und Fridays for Future. Hatten diese und gleichartige Umweltfaktoren Einfluss auf die Agentur?
Hammer: Ibiza zeigt eher, wie das politische System in Österreich eine Grenze überschritten hat, die nun hoffentlich zum Trockenlegen des Sumpfs beitragen wird. Ibiza hat auf alle Fälle das Fass zum Überlaufen gebracht. ‚Friday for Future mit Greta Thunberg' und ‚Black lifes matter' sind wichtige Impulse, weil junge Menschen und Familien auf der Straße die Richtung der Politik ändern wollen. Ich selber war in den 80er-Jahren in Hainburg und in den 90er-Jahren gemeinsam mit den NGOs aktiv und habe miterlebt, wie stark die Zivilgesellschaft in einem demokratischen System sein kann. Für die Kommunikationsbranche sind das eher Themen der Zeit, die in die Arbeit natürlich einfließen.
medianet: ‚Ohne Werbung Geschäfte zu machen, ist, als winke man einem Mädchen im Dunkeln zu', sagte einst Stuart Henderson Britt. Wie hell ist es am Agenturkundenmarkt in diesem Jahr? Gibt es erste Erfolge bei Neukunden zu vermelden?
Hammer: Man kann im Dunkeln aber auch pfeifen, um auf sich aufmerksam zu machen … Wir haben zu Jahresbeginn die Kampagne ‚m€ins' mit der Oesterreichischen Nationalbank gelauncht und kurz darauf die Covid-19-Kommunikation ‚Sicherheit durch Stabilität' . Wir konnten den Weltmarktführer im Aufzugsgeschäft, Otis, von uns überzeugen. Also mehr nach oben geht eigentlich gar nicht, wenn man von Airlines absieht.
medianet: Für die Umsetzung von neuen Kundenprojekten benötigt man auch das entsprechende Personal. Wie wichtig ist der Faktor Mensch in der heutigen Zeit, in der Automatisierung für jede Marketingstrategie entscheidend ist, und welche Fähigkeiten werden in Zukunft besonders wichtig sein?
Hammer: Kreative mögen oft das Wort Automatisierung nicht. Die Frage ist, warum? Man braucht beides: Kreativität und den technischen Fortschritt. Wir machen gerade intern ein Strategieprojekt, wo das Thema ‚Talente und Skills' im Vordergrund steht. Alle Agenturen von morgen müssen sich mit den Themen Daten und Automatisierung beschäftigen und Expertise intern haben. Es gehört zur Kernkompetenz von Agenturen heutzutage, Kunden strategische Lösungen für morgen anzubieten und nicht ‚Copy &Paste”-Lösungen von gestern zu offerieren.
medianet: Dali soll gesagt haben, ‚Wer interessieren will, muss provozieren!'. Was sagen Sie dazu? Gilt das in Zukunft noch stärker für Onlinemarketing?
Hammer: Salvador Dali hatte einen strengen Vater, der Notar war. Was liegt daher näher, als auszubrechen und neue Dinge anzugehen. Er war Mitglied einer Anarchistengruppe und Querdenker. Eines seiner ersten Bilder hatte den Titel ‚Blut ist süßer als Honig' …
Im Online-Marketing haben wir das Problem, dass viele Konzepte mengengetrieben sind – ‚Programmatic' – oder abschlussgetrieben – Conversion/Re-targeting. Beim Thema Provokation bewegen wir uns auf dünnem Eis.
Auffallen um jeden Preis, führt nicht automatisch zu mehr Reichweite und Performance. Wie generell viele Views oder viele Likes nicht die relevanten KPIs sind. Online-Marketing geht sehr stark Richtung Automatisierung, Kontext, Conversion, wobei kreative Kampagnen eigentlich der Kern sind. Die klassischen Display Ads stehen derzeit massiv unter Druck und Audio- bzw. Video-Formate boomen.
medianet: Sehen Sie Shopable Posts oder einfach gesagt Social Commerce als den Trend 2020 im Digitalmarketing?
Hammer: Wenn man die neue Studie von Hootsuite liest, kann man erkennen, dass das Thema ‚heiß' ist. Es geht weniger um die Posts als um die Smart Devices und Smartphones für junge Generationen (X,Y,Z). Die haben monatlich ein Kaufvolumen in Höhe von 550 US-Dollar, das ist eigentlich gar nicht schlecht. Der Kaufbutton, Produktkarussell, etc. findet man überall, Content (Produkt) Marketing auf den Social Kanälen ebenso. Die Effizienz hängt vom Angebot und Produkt ab.
medianet: Warum macht kraftwerk das FastForwardForum und das Buch FastForwardFiles?
Hammer: kraftwerk hat mit dem eigenen Un-Conference-Format FastForwardForum eine Plattform geschaffen, auf der internationale Top-Leute unplugged vortragen und dann drei Tage lang die Themen mit Opinion Leadern und Experten vernetzen.
Der Vorteil liegt in einem Netzwerk von 65 handverlesenen Vordenkern, die die Agentur nach vorn bringen. Uns geht es nicht um die Menge, sondern um die Qualität der Partner, die wir damit auch unseren Kunden anbieten können.
Das FastForwardForum ist bereits nach zwei Jahren eine Erfolgsgeschichte. Das Buch Fast Forward Files ist eines der ‚brainy'-Ergebnisse und wird über Amazon zum Kauf angeboten.
medianet: Kommen wir zu einem aktuellen Thema. Was wird sich in Zukunft global ändern? Wie wird sich Covid-19 auf Konsumenten, Märkte und Kommunikation auswirken?
Hammer: Im globalen Kontext wird kein Stein auf dem anderen bleiben. Viele Unternehmen und Konsumenten sind verunsichert und üben sich in Zurückhaltung. Manche sprechen von Traumatisierung, andere von der Krise als Chance. Eines tritt klar zutage: Gesundheit ist das wichtigste Gut. Die Rückbesinnung auf tatsächliche Werte wird auch das neue Konsumverhalten prägen. Die Digitalisierung hat nun den globalen Durchbruch geschafft und ist in allen Lebensbereichen und bei allen Generationen angekommen – bis hin zu Apps, die auf globaler Basis Daten sammeln, als ob es das nicht schon längst gäbe. Die Themen Sicherheit und Gesundheit, aber auch Nachhaltigkeit sind im globalen Wertesystem nun ganz oben angesiedelt und werden unser Leben, unsere Entscheidungen, unser Konsumverhalten und damit die Kommunikation und Werbung massiv verändern.
medianet: Wie wirkt sich Covid-19 auf Marken und Entscheidungen der Konsumenten aus?
Hammer: Die bestehenden Marken werden einen Shift von Mengenmarken zu Wertemarken machen. Die Marke eines Produkts wird in Zukunft viel stärker auf neue Codes setzen müssen: Gesundheit, Sicherheit, Nachhaltigkeit, Herkunft, etc.
Die reine ‚koste es, was es wolle'-Massenmarktproduktpolitik wird durch eine für Zukunftswerte stehende Produktpolitik abgelöst. Oder noch schärfer formuliert: ‚Made in China' wird durch ‚Sag mir, was du wie produziert' abgelöst. Diese neue Transparenz wird von den Konsumenten eingefordert und damit auch gekauft werden.
medianet: Wird in einer wieder normalisierten Welt auch Kommunikation und Werbung wieder zu einem Zustand zurückkehren, den wir davor kannten?
Hammer: Die Werbung ist ein Wegbegleiter gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und technologischer Veränderung. Die Kommunikation und die Werbung sind die ersten, die Neues kommunizieren und neue Trends und Technologien dabei nützen. Die Kommunikationsbranche steht am Scheideweg: Früher sagte man, das Glas ist halb voll oder halb leer, in Zukunft wird man sagen, die Werbung steht für neue Werte und nicht für alte. Marken werden durch Covid gechallenged und erhalten einen ‚Nudge', sich zu verändern bzw. zu adaptieren. Die Agenturen selbst werden sich einer kreativen und kritischen Neuorientierung der Gesellschaft stellen müssen.
medianet: Blicken wir zum Abschluss in die Ferne … Wie sieht die Agentur kraftwerk der Zukunft aus?
Hammer: kraftwerk wird sich von einer Agentur in eine Talenteplattform verwandeln und die drei Geschäftsbereiche Consulting, Communication und Technology noch stärker ausbauen. Eine Werbeagentur und ein paar Freelancer, das ist ein Modell der Vergangenheit. Kunden suchen Partner und Experten, die ihnen neue Möglichkeiten aktiv anbieten und liefern können. (red)