Dissonanzen am Musikmarkt
© Alexander Müller
Thomas Waldner (Donauinselfest), Karl Amon (ORF), Walter Gröbchen (Musik­verleger), Dietmar Hoscher (Casinos Austria), Dani Linzer (Moderation), Rudi ­Nemeczek (Minisex), Birgit Denk (Musikerin), Thomas Andreas Beck (Musiker).
MARKETING & MEDIA Jürgen Hofer 08.05.2015

Dissonanzen am Musikmarkt

Musikmarkt Mehr österreichische Musik in heimischen Radios und mehr thematische Vielfalt fordern Musiker und Verantwortliche erneut

Gesamtmarkt setzte 145,5 Mio. Euro um; 24 Österreicher in den Top 100.

Wien. 145,5 Mio. Euro wurden 2014 am österreichischen Musikmarkt erwirtschaftet – ein Rückgang im Vergleich zu 2013 (150 Mio. Euro) um drei Prozent, wie IFPI Austria, der Verband der Österreichischen Musikwirtschaft, veröffentlichte. Trotz des Gesamtrückgangs verbuchten einzelnen Segmente Steigerungen: Vinyl setzte seine Renaissance fort und wuchs um 60%, die Streaming-Umsätze legten um 33% zu.

Die physischen Tonträger blieben beim Gesamtumsatz 2014 trotz eines Rückgangs um vier Prozent mit 84,3 Mio. Euro Umsatz das finanziell gewichtigste Standbein, gefolgt von den Online-Umsätzen mit 30,2 Mio. Euro – 8,9 Mio. Euro entfallen dabei auf Streamingdienste, 20,6 Mio. Euro auf den laut IFPI nach zehn Jahren erstmalig rückläufigen Download-Markt. Die Lizenzeinnahmen lagen bei 23 Mio. Euro, der Rest auf die 145,5 Mio. entfällt auf Merchandising-Artikel und Musik-Lizenzierung für Filme, Werbung, etc.
Erfolgreichste Musikerin 2014 war Helene Fischer mit ihrem Album „Farbenspiel” sowie der Hitsingle „Atemlos durch die Nacht”. Im Schatten des Schlagerstars schafften es im letzten Jahr 24 österreichische Alben in die Top 100 der Verkaufscharts.

„Keine Herkunftsfrage”

Über die Rolle eben dieser und des heimischen Musikmarkts an sich diskutierten diese Woche Musiker und Medienmacher im Rahmen des Casinos Austria Kultur Talk. Unter dem Titel „Österreichiche Musik. Quo vadis?” attes-tierte beispielsweise Musikver-leger Walter Gröbchen eine „quicklebendige Szene”, wünschte sich aber mehr Aufmerksamkeit für den Propheten im eigenen Land.
Dem pflichtete auch Casinos- Vorstandsdirektor und Musikliebhaber Dietmar Hoscher bei, der eine aktive Musikszene sieht; „trotz jahrelanger Ignoranz der Massenmedien” nahm er die Medien des Landes – und ausdrücklich nicht nur den ORF – in die Pflicht. „Qualität ist doch keine Herkunftsfrage”, so Hoscher, der wie das restliche Podium mehr österreichische Musik in den Radiostationen dieses Landes forderte.
Dem pflichtete auch ORF-Radio-direktor Karl Amon bei, der aber auf eine ohnehin steigende Österreicher-Quote seit seinem Amtsantritt 2010 verwies: Über alle zwölf öffentlich-rechtlichen Radiosender hinweg stieg dieser laut Amon von etwa 20% auf ca. 30%, bei Ö3 von unter 10% bei Amtsantritt auf im April 12,5%. „Für mich immer noch zu wenig, aber immerhin besser als vor Jahren. Das ist ein Erfolg, wenngleich kein endgültiger”, so Amon.
Diese Quote, auf deren Methodik zur Erfassung des Österreicher-Anteils im Gesamtprogramm sich alle Beteiligten kürzlich einigten, sieht Gröbchen, an der Erstellung beteiligt, aber durchaus kritisch: „Eine Quote ist schön und gut, die Frage ist, was dahintersteht. Sie bringt uns nichts, wenn dann nur Peter Cornelius und Papermoon gespielt werden”, kritisierte der ehemalige Radiomacher. Man müsse, so der Grundtenor der Diskutanten, die breite Vielfalt österreichischer Musik vermehrt im Radio spielen. „Die regionale Abdeckung erfolgt oft wirklich gut; was mir fehlt, ist die gesamtösterreichische Spange”, warf Musikerin Birgit Denk ein, die – in Anlehung an den Sport, „wo das doch auch geht” – eine intensivere Förderung für Musik forderte.
Und dann wurde live on Stage eine Idee geboren: Musiker und Coach Thomas Andreas Beck dachte laut über ein Format nach, welches die wöchentlichen Album-Releases österreichischer Künstler präsentieren solle. Amon stimmte ein: „Eine gute Idee. Ich kann nichts versprechen, werde mich dem aber annehmen.” Ein Problem im Radio, so Minisex-Mann Rudi Nemeczek, sei, dass der Hörer nicht gestört werden wolle, eben weil Radio oft Sekundärmedium sei. „Unerwartetes verstört den Hörer; das erschwert neue Musik.”
Und wo könnte heimische Musik neben dem Radio noch eine Plattform finden? Beispielsweise am Donauinselfest mit vielen heimischen Acts, aber auch dem Bandcontest, wie Projektleiter Thomas Waldner ausführte. Es brauche aber daneben viel mehr kleinere Festivals, die österreichischer Musik eine Bühne bieten.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL