In einer Zeit, in der Kommunikation schneller und öffentlicher ist als je zuvor, stehen CEOs unter Dauerdruck, Haltung zu zeigen und Orientierung zu geben. PR- und Kommunikationsexpertin Ina Sabitzer hat sich unter anderem auf Corporate Profiling spezialisiert und unterstützt Führungskräfte dabei, ein klares, glaubwürdiges Profil zu entwickeln – sichtbar, wirksam und anschlussfähig.
Im Interview erzählt Sabitzer, wie Corporate Profiling Führungskräften hilft, ihre Persönlichkeit strategisch zu schärfen und damit Kommunikation, Kultur und Vertrauen im Unternehmen wirksam zu prägen.
medianet: Frau Sabitzer, das Kommunikationsumfeld verändert sich rasant – von Social Media bis KI-generierten Inhalten. Wie hat sich dadurch die Rolle von CEOs und Top-Managern als öffentliche Persönlichkeiten verändert?
Sabitzer: Heute Top-Manager zu sein, heißt permanent öffentlich zu sein. Nichts bleibt mehr im kleinen Kreis – schnell wird alles sichtbar, kommentiert, vervielfacht. In Echtzeit – positiv wie negativ. Sichtbarkeit ist aber nicht gleich Wirkung. Gerade weil mehr denn je kommuniziert wird, klingt vieles beliebig. Viel glatt, viel gleich, viel Einheitsbrei. Wenig Profil und Tiefe. Genau deshalb zählt heute mehr denn je Persönlichkeit und Wiedererkennbarkeit. Menschen folgen nicht Logos oder Strategiepapieren. Sie folgen Menschen. Sie wollen wissen: Wer führt dieses Unternehmen? Wie tickt er? Wofür steht er ein? Ein CEO kann sich heute daher nicht mehr hinter Zahlen oder Pressestatements verstecken. Er oder sie ist Gesicht, Stimme und Gewissen des Unternehmens – in guten wie in schwierigen Zeiten. Mit jedem Auftritt, jedem Statement, jedem Posting entsteht ein Bild, das Vertrauen, Mitarbeiterbindung, Kaufentscheidungen und sogar den Aktienkurs beeinflusst. Gefragt sind daher Top-Manager, die mehr sind als gute Kommunikatoren: Persönlichkeiten mit Haltung, einem klaren Profil und einem Auftritt, der nach innen wie nach außen stimmig ist – konsequent, glaubwürdig und wiedererkennbar.
medianet: Früher reichte es, solide Zahlen zu präsentieren – heute erwarten viele Haltung und Persönlichkeit. Was bedeutet das für die Führungskommunikation der Zukunft?
Sabitzer: Zahlen bleiben wichtig – sie geben Orientierung und schaffen Vertrauen. Aber sie sind nicht die ganze Geschichte. Führung funktioniert heute nicht ohne Haltung. Mitarbeitende, Kunden und Öffentlichkeit wollen wissen, auf wen sie sich einlassen. Sie erwarten klare Werte, nachvollziehbare Entscheidungen – und Persönlichkeiten, die bereit sind, dafür einzustehen. Es braucht also Manager und Führungskräfte, die sich nicht nur als Entscheidungsträger verstehen, sondern als Teil der Marke. Sichtbar, greifbar, ansprechbar – auch wenn es unbequem wird. Und es braucht Kommunikation, die nicht lauter ist, sondern klarer.
medianet: Wie sehr muss ein CEO heute eigentlich performen, um Wirkung zu erzielen – und wo verläuft die Grenze zwischen Inszenierung und Authentizität?
Sabitzer: Ein CEO steht heute unter Dauerbeobachtung. Jeder Auftritt – ob Bühne, Kamera oder internes Meeting – wird bewertet und formt das Bild, das man von dieser Person und vom Unternehmen hat. Aber performen heißt nicht schauspielern. Es geht nicht darum, eine Rolle zu spielen – sondern die eigene Rolle professionell und glaubwürdig auszufüllen. Das hat nichts damit zu tun, authentisch zu sein, also immer echt und unverfälscht, sondern vielmehr, authentisch und glaubwürdig zu wirken. Professionelle Echtheit – das ist der Punkt: Persönlichkeit zeigen, mit Inhalt überzeugen und wissen, wie beides zusammen Wirkung entfaltet. Der CEO der Zukunft ist kein Entertainer. Aber er oder sie weiß: Wirkung ist kein Zufall. Inhalte dürfen inszeniert werden, Auftritte sollen vorbereitet werden. Genau da wird in vielen Vorstandsetagen noch zu wenig investiert. Und ja man muss wichtige Auftritte üben. Sie sich zu eigen machen. Das zahlt sich aus und direkt ein: auf Image, Vertrauen und Wirkung.
medianet: Inwiefern kann Corporate Profiling mehr sein als Kommunikation – nämlich ein strategisches Führungsinstrument, das Identität, Kultur und Markenführung prägt?
Sabitzer: Wenn Führung sichtbar wird und Haltung erwartet wird, dann braucht es mehr als gute Worte. Genau da beginnt Corporate Profiling. Nicht als reines Kommunikations- oder Marketinginstrument, sondern als strategischer Führungsprozess. Es geht darum, die persönlichen Ziele und Überzeugungen der Manager mit den Werten und der Strategie des Unternehmens zu verknüpfen. Sie anschließend wiedererkennbar und glaubwürdig zu kommunizieren. Ein klares, unverwechselbares kommunikatives Profil zu schaffen und eine nachhaltige Kommunikationsstrategie aufzubauen. Immer Manager und Marke im Einklang. Es ist also wie eine innere Navigations-App für den Vorstand und eine starke Basis für die Kommunikation nach innen und außen. Ein strategisches Tool, das dabei hilft, Marke, Identität und Kultur mit mehr Persönlichkeit zu prägen und den Außenauftritt von Unternehmen ganzheitlich und wirksam zu verbessern.
medianet: Welche Rolle spielt das Top-Management als Wertevermittler – und wie kann Corporate Profiling helfen, diese Werte glaubwürdig sichtbar zu machen?
Sabitzer: CEOs sind heute mehr denn je auch Wertebotschafter. MitarbeiterInnen, KundInnen, InvestorInnen beobachten genau, wie Vorstände entscheiden, sprechen und führen. Wenn da ein Bruch entsteht zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was gelebt wird, verliert man Vertrauen – intern wie extern. Genau hier setzt Corporate Profiling an. Es hilft Top-Managern, sich intensiv mit der eigenen Rolle, den persönlichen Werten und den Zielen und Werten des Unternehmens auseinanderzusetzen – und beides miteinander zu verbinden. Das ist wesentlich, wenn es darum geht, einen glaubwürdigen Gesamtauftritt in der Öffentlichkeit zu prägen. Denn je klarer das Bild ist, dass ich von mir als Manager im Unternehmen habe, desto glaubwürdig kann es nach innen und außen wirken. Und desto glaubwürdiger können auch Werte sichtbar werden – in Sprache, Verhalten und Wirkung.
medianet: In Krisenzeiten zeigt sich oft, wie glaubwürdig das Profil einer Führungskraft wirklich ist. Wie kann Corporate Profiling helfen, Vertrauen in solchen Momenten zu bewahren oder wiederherzustellen?
Sabitzer: In der Krise zählt jede Sekunde – und jedes Wort. Wenn ein Unternehmen bis dahin kein klares Profil hatte, muss es mitten im Sturm erst eines erfinden. Das ist riskant. Je klarer und vertrauenswürdiger ein Manager positioniert ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er – und mit ihm das Unternehmen - eine Krise gut überstehen. Ein CEO, der immer nachvollziehbar und konsistent kommuniziert hat, wird auch in schwierigen Momenten gehört und verstanden – selbst dann, wenn Entscheidungen unpopulär sind. Eine gute Positionierung ist also wie ein stabiles Fundament. Sie kann keine Krise verhindern, aber sie hilft, in der Krise Vertrauen zu bewahren oder wieder aufzubauen.
medianet: Wie verändern neue Kommunikationsformen – von LinkedIn bis Podcasts – das Profiling von Führungskräften?Sabitzer: Führungskräfte haben heute eine ganze Bühne an Möglichkeiten, um zu kommunizieren, sichtbar zu sein und zu werden – intern wie extern. Das macht Kommunikation anspruchsvoller, aber auch wirksamer, wenn man sie richtig führt. Es geht nicht darum, überall zu sein, sondern gezielt dort, wo es Wirkung entfaltet. Also die richtigen Kanäle bewusst zu bespielen – mit einer klaren Botschaft, angepasst an Zielgruppe und Kontext. Mitarbeiter:innen brauchen Orientierung, Investor:innen Klarheit, Öffentlichkeit Einordnung. Entscheidend ist, überall erkennbar zu führen – mit einem stimmigen, glaubwürdigen Gesamtbild. Und eines darf man dabei nicht vergessen: der stärkste Kommunikationskanal eines Unternehmens ist - und bleibt - die Person, die es führt.
medianet: Viele Manager lassen inzwischen Texte oder Reden mit KI-Unterstützung erstellen. Wie lässt sich dabei die eigene Stimme und Authentizität bewahren?
Sabitzer: Ich sehe KI als Sparringpartner, nicht als Ghostwriter. Sie kann Gedanken sortieren, Szenarien entwerfen oder Inhalte verdichten – aber sie kann nicht für einen denken und erst recht nicht fühlen. Also sie kann und soll nicht die Stimme ersetzen, für die sie schreibt. Wer authentisch wirken will, muss das Menschliche bewahren. KI kann helfen, Struktur zu schaffen – aber Leben bekommt ein Text erst durch eigene Stimme und Stimmung. Durch eigene Erfahrungen, eigene Sprache, eigene Emotion, eigene Handschrift. Eine perfekte, aber seelenlose Rede wirkt beliebig, schafft Distanz. Wenn Haltung und eigener Stil spürbar bleiben, entsteht Glaubwürdigkeit. Dann wird aus einem perfekten Text ein echter Auftritt, der Nähe schafft.
medianet: Sehen Sie in KI eher eine Gefahr für echte Persönlichkeit oder ein Werkzeug, um das Profil gezielter zu schärfen?Sabitzer: Ob KI Persönlichkeit bedroht oder stärkt, hängt weniger von der Technologie ab, sondern davon, wie man damit umgeht. Wenn Führungskräfte KI nutzen, um austauschbare Reden, Posts oder Marketingphrasen zu produzieren, dann wird die Kommunikation vielleicht makellos, aber seelenlos. Dann wird KI zum Risiko - für echte Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit. KI übernimmt kein Bewusstsein, keine Verantwortung und keine innere Haltung. Sie kann also kein Tool sein, um ein kommunikatives Profil zu schärfen. Entscheiden, wofür man steht – und wofür nicht und das zu transportieren – im eigenen Stil, mit Emotion und Glaubwürdigkeit – das ist und bleibt Führungssache.
medianet: Wohin entwickelt sich das Corporate Profiling in den kommenden Jahren – welche Trends zeichnen sich ab?Sabitzer: Corporate Profiling wird nicht weniger, sondern unverzichtbar. In unsicheren Zeiten wie diesen suchen Menschen Führung, Orientierung und Glaubwürdigkeit. Unternehmen können sich keine gesichtslosen Vorstände mehr leisten. Wer führt, muss sichtbar, verstehbar und anschlussfähig sein – nach innen und außen. Wir werden weniger Hochglanz und mehr Haltung sehen. Weniger Marketing-Sätze, mehr Substanz. Kommunikation rückt näher an Strategie und Vorstandstisch. Und Corporate Profiling wird Teil der Unternehmensführung – weil Wirkung, Kultur und Vertrauen nicht delegierbar sind. Und weil man nur mit einem klaren Profil einen bleibenden Eindruck hinterlassen kann.
medianet: Und zuletzt: Wenn Sie einem jungen CEO drei Ratschläge für seinen öffentlichen Auftritt geben könnten – welche wären das?
Sabitzer: Ein CEO muss wissen, wofür er steht. Werte, Themen und Botschaften müssen klar sein, bevor man sie nach außen trägt. Danach zählen Plan und Struktur: kein Auftritt darf dem Zufall überlassen sein. Wer sein Publikum kennt, die Botschaft zuspitzt und Anfang, Mitte und Punkt sauber setzt, bleibt im Kopf. Und schließlich: Übung. Nicht, um perfekt zu sein, sondern glaubwürdig. Wer gut vorbereitet ist, kann sicher sprechen, souverän wirken und nachhaltig überzeugen.
