Ein stärkeres Bewusstsein in der Branche
© Initiative Austria
MARKETING & MEDIA Redaktion 25.03.2020

Ein stärkeres Bewusstsein in der Branche

John Oakley, Managing Director von Initiative in Österreich, spricht im "medianet"-Interview über Profiteure und Verlierer der Coronakrise, wie man Kommunikation aktuell gestalten sollte und was die Branche von den Entwicklungen in China lernen kann.

WIEN. John Oakley ist Managing Director von Initiative in Österreich. In seiner Funktion verantwortet der gebürtige Engländer den Wachstumskurs des Unternehmens und das Leistungsangebot für den österreichischen Markt. John verfügt über mehr als 18 Jahre Berufserfahrung in der internationalen Werbebranche. Er erhielt bereits mehrere Auszeichnungen für herausragende Media-Strategien und besonders erfolgreiche Werbekampagnen. 

medianet:
Die Welt steht gerade Kopf, die Nachrichten überschlagen sich täglich und das mittlerweile seit Wochen. Wie nehmen Sie die allgemeine Stimmung in der Kommunikationsbranche wahr?
John Oakley: Natürlich befinden wir uns in einer noch nie dagewesenen Situation. Das stellt auch unsere Branche vor enorme Herausforderungen. Umso erstaunlicher finde ich es, wie schnell sich etwa unser Team daran gewöhnt hat und alle Mitarbeiter ganz selbstverständlich für die Kunden und
füreinander da sind. Diese gemeinsame Leistung sorgt für eine gute und sogar ausgesprochen kämpferische Stimmung.
medianet: Die Nachfrage nach Nachrichten ist so groß wie schon lange nicht mehr. Zugriffe, Einschaltquoten und sogar Abonnentenzahlen sind in die Höhe geschossen. Welche Medien
profitieren konkret von der aktuellen Situation – und wer verliert?
Oakley: Der digitale Sektor, und da vor allem Video, Content, Gaming und Social, wird am meisten Nutzung dazugewinnen. TV und Radio, aber auch das klassische OOH, werden
Marktanteile zugunsten der digitalen Medien abgeben müssen. Print bleibt relevant, vor allem regionale Produkte und Titel mit hohem Abonnentenanteil. Allerdings könnte Print nach der akuten Krisen-Phase weiterhin Budget an Bewegtbild abgeben müssen.
medianet: Wie wird sich das Mediennutzungsverhalten Ihrer Meinung nach längerfristig – auch nach der Krise – entwickeln?
Oakley: Die aktuelle Situation könnte einen nachhaltigen Effekt auf die Marktanteile der Mediengattungen im Werbemarkt haben. Wir haben schon vor der Krise gesehen, dass immer mehr analoge Geschäftsmodelle durch digitale ersetzt werden; dies wird sich gerade jetzt in der Corona-Krise verstärken und einen klaren Digitalisierungsschub mit sich bringen. Offline-Medien werden zwar weiterhin eine große Rolle spielen, jedoch vermehrt ergänzt durch digitale Kommunikationskanäle.
medianet: Die Buchungslage in den Medien sieht anders aus. Viele verschieben ihre Budgets oder verzichten gänzlich auf das Schalten von Werbung. Ein Grund dafür ist die unsichere wirtschaftliche Lage, ein anderer die Tatsache, dass Werbetreibende Angst um ihre Brand Safety haben. Ist das
'Werbeumfeld Corona' tatsächlich so riskant für Werbetreibende? Wie sollte man sich verhalten?
Oakley: Wir sehen unsere Aufgabe darin, unsere Kunden in jeder Situation bestmöglich zu beraten. Dazu gehört auch, sie vor einer Schockstarre in der Kommunikation zu bewahren. Natürlich ist das Thema Brand Safety wichtig. Zwar ermöglichen wir unseren Kunden auf Wunsch ein coronafreies
Werbeumfeld. Allerdings ist das nicht immer ratsam. Es gibt beispielsweise großartige journalistische Inhalte, die dem Kunden keineswegs schaden, sondern im Gegenteil ein besonders hochwertiges Umfeld für seine Marke schaffen. Aus diesem Grund empfehlen wir je nach Kunde und Kampagne ganz individuell, welches Umfeld am besten geeignet ist und steuern unsere Kampagnen entsprechend aus.
medianet: Welche Veränderungen haben Sie bei Initiative bislang durch die Krise zu spüren bekommen?
Oakley: Aktuell verschieben manche Kunden ihre Werbemaßnahmen auf das zweite Halbjahr oder
stornieren, vor allem wenn die Werbung saisonbedingt ist, wie jetzt etwa zu Ostern.
medianet: Sie haben ja auch Niederlassungen in Ländern wie etwa China, wo bereits einige Wochen vor uns der Ausnahmezustand geherrscht hat. Kann man von etwaigen Entwicklungen im Werbemarkt dort etwas für den Umgang mit der Krise lernen?
Oakley: Heutzutage sind Hyperkonnektivität und soziales Leben die Norm. Die Eingrenzung zwischenmenschlicher physischer Kontakte bedeutet, dass digitale Verbindungen wichtiger denn je sind. Die Chinesen haben vorgemacht, dass sie sich nicht durch die Grenzen der Isolation davon abhalten lassen, die gewohnten Erlebnisse zu schaffen. Es gab einen Anstieg bei der Schaffung von digitalen Angeboten, die Normalität ermöglichen, indem sie zur Unterhaltung und Bildung beitragen. 'How-to'-Videos oder Tutorials sind jetzt sehr gefragt, und manche Unternehmen haben bereits gelernt, davon zu profitieren. Die Lektion lautet also: Altbekanntes über Bord werfen und möglichst schnell digitale Alternativen schaffen.
medianet: Zumindest in Europa erleben wir gerade die größte Krise seit langem, die Menschen leben in einer für viele noch nie dagewesenen Unsicherheit. Dennoch hat man den Eindruck, dass wenig Panik geschoben wird – viele nutzen den Ausnahmezustand, um nachzudenken und die Krise
vielleicht sogar als Chance zu nutzen, um sich oder etwas zu verändern. Birgt die Coronakrise auch Chancen für die Kommunikationsbranche?
Oakley: Historische Daten deuten darauf hin, dass Werbetreibende, die während eines Abschwungs weiterhin in Medien investieren, letztendlich gestärkt aus der Krise hervorgehen und schneller wachsen werden, wenn sich der Markt wieder erholt. Eine kurze Periode billigerer Preise ist auch ein guter Zeitpunkt für Werbetreibende, Marktanteile zu gewinnen. Kunden, die jetzt während der Krise schnell reagieren und weiterhin investieren, können sich für den Aufschwung danach gut positionieren.
medianet: Wagt man einen Blick in die Zukunft, in welcher Lage wird sich die Branche wiederfinden? Welche Herausforderungen wird man bewältigen müssen?
Oakley: Momentan ist die Marktentwicklung schwer vorherzusagen, weil noch nicht abzusehen ist, wie lange die Krise dauern wird. Ich denke aber, dass die Branche am Ende ein sehr viel stärkeres Bewusstsein dafür entwickelt haben wird, wie sich der Werbemarkt von heute auf morgen einfach
verselbständigen kann. Man muss sich einfach schnell an neue Herausforderungen anpassen. (red)

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