„Es drohen Einschnitte in die Medienvielfalt”
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MARKETING & MEDIA Redaktion 12.05.2023

„Es drohen Einschnitte in die Medienvielfalt”

VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger über das neue ORF-Gesetz, die Wiener Zeitung, Presseförderung und KI-Konkurrenz.

••• Von Georg Sander

Die Medienbranche durchlebt gegenwärtig schwierige Zeiten, besonders die Zeitungsbranche. Neben wirtschaftlichen Fragen stellt sich vor allem die Frage, wie man mit dem USP, nämlich Fakten, umgehen kann in Zeiten von Chat-Enthüllungen, KI und Co. Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Zeitung (VÖZ), nimmt im Interview zu den Themen Stellung.


medianet:
Welche Auswirkungen werden Haushaltsabgabe, das Beibehalten der blauen Seite des ORF, kolportiertes ‚online only' und weitere Neuerungen auf die Branche haben?
Gerald Grünberger: Bei einer weiteren Ausweitung der Möglichkeiten des ORF im digitalen Raum sowie des finanziellen Spielraums droht ein massiver Einschnitt in der heimischen Medienvielfalt. Dadurch steht die digitale Transformation der Medienunternehmen verlegerischer Herkunft auf dem Spiel, was nicht nur auf Kosten der Meinungsvielfalt und der Grundwerte unserer demokratischen Gesellschaft geht, sondern auch Arbeitsplätze kosten wird.

Daher fordern wir von den politischen Akteuren weitere Gespräche im Zuge des Begutachtungsverfahrens ein. Die Zeitungsähnlichkeit von ORF.at ist eindeutig gegeben, obwohl diese bereits untersagt ist. Hier braucht es einen eindeutigen Systemwechsel und keine Scheinmaßnahmen.


medianet:
Zudem wird die Wiener Zeitung auf online umgestellt, die angekündigte Journalistenausbildung soll in den Einflussbereich des Kanzleramts wandern. Ist Ersteres ein notwendiger Schritt?
Grünberger: Wenn die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt als Printprodukt eingestellt wird, ist das natürlich ein herber Schlag für die heimische Medienvielfalt und mehr als bedauerlich. Ob der Schritt in dieser Form so notwendig gewesen ist, sei dahingestellt, zumal es auch andere Lösungsmöglichkeiten gegeben hätte. Dass die Wiener Zeitung künftig als Onlinezeitung erscheinen soll, könnte allerdings insofern zu einem Problem werden, als auch hier mit öffentlichen Geldern in den privaten Markt eingegriffen wird – dann nämlich, wenn das Onlineangebot zu einem gratis verfügbaren öffentlichen Konkurrenzprodukt wird.

medianet:
Und weiters – ein Staat, der Journalisten ausbildet – wie gefährlich kann das werden?
Grünberger: Vorausschicken möchte ich, dass bereits mehrere etablierte Aus- und Weiterbildungseinreichungen wie etwa die Österreichische Medienakademie bestehen, die unabhängig agiert und von repräsentativen Einrichtungen der Branche getragen wird und auch absolute Unabhängigkeit bei der Journalistenausbildung garantiert. Dem Vorwurf, dass die Republik mittelbar Einfluss auf die Journalistenausbildung nehmen könnte, wurde zwar zuletzt mit der Verankerung eines Beirats Rechnung getragen, allerdings – sagen wir es höflich – sonderlich elegant ist es nicht.

medianet:
Allerdings haben einige aus der Branche nicht nur Werbung gemacht. Wie sehr sehen Sie die Tageszeitungsbranche, die für viele ‚die Medien' darstellt, durch die Chat-Enthüllungen beschädigt?
Grünberger: Glaubwürdigkeit und Vertrauen sind insbesondere für Zeitungen und Magazine hohe Güter, daher ist selbstverständlich die Veröffentlichung privater Nachrichten, die an diesen Werten zweifeln lassen, abträglich. Transparenz und sorgsamer Umgang mit Fakten sind der Schlüssel. Darüber hinaus liegt es an den Medien und ihren Verantwortungsträgern, die Trennlinie zwischen Berichterstattung und werblichen Aktivitäten unverkennbar aufzuzeigen, sodass klar ist, dass Zeitungen und Magazine nur im Abo oder der Trafik käuflich sind.

medianet:
Fake News begleiten uns ebenfalls lange, Künstliche Intelligenz macht die Sache mit echten Worten bzw. Bildern nicht einfacher. Wie kann man Fake News/False Balance und Co. begegnet werden?
Grünberger: Fake News ist ein sehr globaler Begriff, mit dem verschiedene Formen von Desinformation umschrieben werden. Eine neue Form sind KI-Lösungen wie ChatGPT, die zwar einerseits einiges erleichtern können, andererseits jedoch auch viel Falschinformation generieren. Die Frage nach effektiver Kontrolle und Regulierung eines solchen Werkzeugs stellt sich in diesem Zusammenhang von selbst. Denn wenn eine Technologie der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit oder der verlässlichen Information abträglich ist, muss man ent­sprechende Vorkehrungen ­treffen.

medianet:
Wo sehen Sie die Benefits von KI für den Journalismus?
Grünberger: Technologie kann vieles in der journalistischen Arbeitswelt erleichtern. Möglicherweise verändern sich die Arbeitsweise und die erforderlichen Fertigkeiten im journalistischen Handwerk. In den Bereichen Sport oder Wetter sind ja bereits heute solche Technologien im Einsatz.

medianet:
Die Presseförderung muss auf Sicht eigentlich neu gestaltet werden. Wie kann eine solche aussehen, die dann auch von Regierungsinseraten unabhängiger ist?
Grünberger: Die Förderung wird mit der Medienqualitätsförderung, die aktuell in parlamentarischer Behandlung ist, gerade neu gestaltet. Die Dotierung mit 20 Mio. Euro könnte höher sein, aber es ist immerhin ein Anfang. Die Medienförderung mit klaren gesetzlichen Kriterien, die auch von der Europäischen Union notifiziert sind, darf man allerdings nicht den werblichen Aktivitäten der Gebietskörperschaften gleichsetzen. Denn hier geht es um einen Leistungsaustausch. Anzeigen und Werbeschaltungen sind an sich nichts Unanständiges und tragen wesentlich zur Refinanzierung von Medien bei. Allerdings besteht aus unserer Sicht keine Abhängigkeit von sogenannten Regierungsinseraten, denn gemessen am Umsatz machen diese lediglich 2,5 bis acht Prozent bei den Zeitungen und Magazinen im VÖZ aus.

medianet:
Bringt das neue Medientransparenzgesetz hier eine Verbesserung aus Ihrer Sicht?
Grünberger: Ich denke ja, denn einerseits müssen nunmehr alle Werbeschaltungen – also auch jene in Sozialen Medien – offengelegt werden, und andererseits muss die Meldung mit zahlreichen Zusatzinformationen versehen sein, wie Mediadaten, Zielgruppen und so weiter. Dies verursacht zwar bei den Gebietskörperschaften zusätzlichen Verwaltungsaufwand, aber die Bürgerin bzw. der Bürger kann sich ein umfassendes Bild betreffend die jeweilige Werbekampagne und die eingesetzten Medien machen.

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