WIEN. Nachhaltigkeit ist nicht nur, aber durchaus auch ein Thema der jüngeren Generation. Sebastian Bauer, Account Director Ketchum Publico, im Interview mit medianet über die Frage der Glaubwürdigkeit in der Nachhaltigkeits-Kommunikation. Diese könne man auf lange Sicht nur erreichen, wenn sich die Dinge, über die man spricht, auch faktisch belegen ließen.
medianet: Herr Bauer, das Thema Nachhaltigkeit ist auch in der Kommunikationsbranche angekommen – welche Motivation machen Sie bei Ihren Kunden aus, sich diesem Thema zu widmen, gerade dort, wo das Thema nicht unbedingt im Geschäftsmodell verankert ist?
Sebastian Bauer: Konsumentinnen und Konsumenten fordern von Unternehmen und Marken geradezu ein, nachhaltig zu agieren. Das geht über ein freiwilliges Engagement hinaus und betrifft auch das Geschäftsmodell an sich: Unternehmen und Marken, die ihre Prozesse nicht nachhaltig gestalten, haben es jetzt schon schwer, und das wird sich in den kommenden Jahren noch weiter zuspitzen. Nachhaltigkeit wird daher eine immer zentralere Rolle in der Unternehmensausrichtung einnehmen – nicht nur der Umweltaspekt, sondern auch soziale Faktoren und die Unternehmensführung insgesamt.
Damit ein Unternehmen von der Öffentlichkeit auch als nachhaltig wahrgenommen wird, ist es essenziell, seine Botschaften zur richtigen Zeit in der richtigen Dosis nach außen zu tragen, natürlich immer mit Blick auf die Zielgruppe, die man damit erreichen möchte.
medianet: Wie verhindert man dabei, nicht ins Greenwashing abzugleiten bzw. dass es nicht zu einem Marketing-Gag verkommt?
Bauer: Glaubwürdigkeit ist in der Nachhaltigkeits-Kommunikation enorm wichtig. Diese kann man auf lange Sicht nur erreichen, wenn sich die Dinge, über die man spricht, auch faktisch belegen lassen. Sobald hier ein Gap entsteht, steigt das Risiko, mit Greenwashing assoziiert zu werden. Daher schrecken viele Unternehmen noch davor zurück, über ihr Nachhaltigkeits-Engagement zu sprechen, und befinden sich einem Dilemma. Denn wer nicht darüber spricht, was er tut, kann auch nicht erwarten, dass die Konsumenten darüber Bescheid wissen.
medianet: Eines jener Unternehmen, die wegen ihrem Produkt in der Kritik standen, nämlich Nespresso, engagiert sich hier besonders. Wie sieht das konkret aus?
Bauer: Nespresso hat sich bereits vor langer Zeit dazu verpflichtet, entlang der gesamten Wertschöpfungskette nachhaltig zu handeln. Das Unternehmen beginnt sein Engagement schon beim Kaffeeanbau, wo es die Kaffeefarmerinnen und -farmer dabei unterstützt, nachhaltige Anbaumethoden einzuführen. Das Kapselsystem geht auch sparsam mit Ressourcen um, da es genau die Menge Kaffee verwendet, die man für eine Tasse braucht. Das ist relevant, weil laut einer Studie der größte Teil der Umweltauswirkungen einer Tasse Kaffee schon beim Anbau entsteht und deshalb direkt mit der verbrauchten Kaffeemenge zusammenhängt.
medianet: Was für viele Kundinnen und Kunden aber am sichtbarsten ist, ist die Kaffeekapsel: Für den Großteil der Kapseln verwendet Nespresso mittlerweile recyceltes Aluminium, und die gebrauchten Kapseln selbst können über ein eigens ins Leben gerufenes Recyclingsystem wieder in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden …
Bauer: All diese Dinge müssen aber auch kommuniziert werden. Das macht Nespresso seit einigen Jahren sehr umfassend, und mittlerweile lässt sich schon ein Shift in der Wahrnehmung feststellen.
medianet: Gibt es Unternehmen, die aufgrund ihrer Zielgruppen besonders gefordert sind, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen?
Bauer: Vor allem Unternehmen, die jüngere Menschen ansprechen, müssen einen besonderen Fokus auf Nachhaltigkeit setzen, und zwar auf allen Ebenen. Im Vergleich zu älteren Generationen beschäftigt sich beispielsweise die Gen Z deutlich intensiver mit Themen wie Umweltschutz und Klimawandel. Die jungen Leute sind bereit, ihren Lebensstil entsprechend anzupassen und auf bestimmte Produkte zu verzichten. Oder sie greifen zu einem nachhaltigen Produkt und sind auch bereit, dafür mehr zu bezahlen. Ein nachhaltiger Zugang kann sich für Unternehmen also durchaus auch wirtschaftlich auszahlen.
Die Entschlossenheit der Gen Z macht sich auch in der Arbeitswelt bemerkbar, in der Berufseinsteiger mittlerweile sehr selbstbewusst auftreten und Jobs mit Arbeitsbedingungen, die nicht ihren Vorstellungen entsprechen, lieber ablehnen. Um diese Generation von einem Unternehmen oder Produkt zu überzeugen, reicht oberflächliche Nachhaltigkeit nicht aus.
medianet: Ihrer Erfahrung nach – in welcher Phase des Kommunikationsprozesses sollte man sich mit dem Thema Nachhaltigkeit bereits beschäftigen?
Bauer: Es geht vor allem darum, immer das große Ganze im Blick zu behalten: Bei welchen Themen kann ich nachhaltiges Engagement glaubwürdig mittransportieren?
Und wie schaffe ich zusätzlich Anlässe, um über das Thema zu sprechen? Dabei muss einem bewusst sein, dass es nicht von heute auf morgen geht, die Wahrnehmung eines Unternehmens oder einer Marke zu verändern. Dafür benötigt es eine klare Strategie und einen langen Atem.
medianet: Frage zum Schluss – was kann man denn auch als Agentur selbst tun, um dem Thema Nachhaltigkeit nach innen künftig ebenfalls mehr Raum zu geben?
Bauer: Intern beschäftigen wir uns insbesondere mit sozialen Faktoren und der Unternehmensführung. Wir treiben das Thema Diversität sehr stark voran, hier ist meine Kollegin Manisha Joshi federführend. Aktuell haben wir beispielsweise offene Stellen über Jobs for Ukraine ausgeschrieben. Mit WEconomy haben wir kürzlich gemeinsam mit weiteren Unternehmen auch eine Initiative für mehr Diversity und Gender Equality in der Arbeitswelt gestartet.
Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können außerdem verschiedenste Fortbildungen und Coachings machen und ein kostenloses Fitnessangebot nutzen. Wir befassen uns als Agentur also nicht nur für unsere Kunden mit dem Thema Nachhaltigkeit, sondern versuchen, diese selbst auch zu leben. (mab/fej)