••• Von Dinko Fejzuli
Seit etwas über einem Jahr gibt es mit „What the Fem?” auf W24 erstmals eine eigene feministische TV-Talksendung im österreichischen Fernsehen. medianet fragte bei „What the Fem?”-Moderatorin und Journalistin Juliane Ahrer nach.
medianet: Vor gut einem Jahr wurde mit ‚What the Fem?' die erste feministische TV-Sendung auf W24 gestartet. Wie kam es überhaupt zur Idee für die Sendung?
Juliane Ahrer: Die Idee ist entstanden, weil ich mich zu oft über Geschlechterungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft geärgert habe und weil ich mir zu oft WTF? gedacht habe. Frauen verdienen für die gleiche Arbeit immer noch viel weniger als Männer, sind von Altersarmut, Sexismus oder Gewalt betroffen. Es leiden aber nicht nur Frauen unter dem Patriarchat, sondern auch queere Menschen oder Menschen mit Beeinträchtigungen. Ich möchte nicht, dass der Weg zur kompletten Gleichstellung der Geschlechter noch 300 Jahre dauert, so wie das die UN vorhergesagt hat.
Deswegen habe ich beschlossen, meinen Teil zu tun und wie kann ich das als Fernsehjournalistin am besten – mit einer Sendung, in der ich diese Ungerechtigkeiten aufzeige und Expertinnen und Betroffene zu Wort kommen lasse. Frauen- und geschlechterpolitische Themen kommen in den Medien oft viel zu kurz, deswegen bin ich sehr stolz, dass wir mit ‚What the Fem?' die erste feministische Sendung in Österreich produzieren.
Das Sendungskonzept habe ich übrigens in meiner Bildungskarenz entwickelt, die ich beim fjum_forum für journalismus und medien wien absolviert habe und ich bin extrem dankbar, dass mir diese Zeit für meine Weiterbildung ermöglicht worden ist. Es braucht für kreative Ideen auch immer wieder mal einen Abstand zum Job, um Neues zu entwickeln.
medianet: Und wie war das erste Jahr nun?
Ahrer: Das letzte Jahr war herausfordernd, aber spannend. Wir haben bisher zwölf Folgen produziert zu ganz unterschiedlichen Themen – von Gewalt an Frauen, Bodypositivity, bis Diversität in den Medien, Feminismus und Islam bis hin zum Thema ‚Wo sind die Väter, wenn es um das Thema Karenz geht?'. Es ist schwer für mich, jemanden von den Gästen hervorzuheben, weil alle so unglaublich Spannendes erzählt haben.
Am meisten betroffen und schockiert hat mich aber sicher die Folge über Gewalt an Frauen mit der Journalistin und Autorin Yvonne Widler. Sie hat das Buch ‚Heimat bist du toter Töchter' geschrieben und sich mit vielen Femiziden in Österreich auseinandergesetzt. Sie spricht zum Beispiel nicht von Morden, sondern zum Teil von Hinrichtungen. Und dem muss man sich, finde ich, mehr bewusst werden. Worte wie ‚Beziehungsdrama' verschleiern die Wahrheit hinter diesen grausamen Taten. Hier haben die Medien auch eine große Verantwortung.
Das Feedback auf die Sendung ist bisher übrigens sehr positiv ausgefallen. Viele Menschen und vor allem Frauen haben sich an mich gewandt und mir geschrieben oder gesagt, dass sie es so toll finden, dass es endlich so eine Sendung gibt. Das freut mich natürlich besonders.
medianet: Die Sendung erscheint ja nicht nur auf W24, sondern wird über das R9-Netzwerk bundesweit ausgestrahlt. Wie war die Resonanz hier?
Ahrer: Sehr viele Menschen aus den Bundesländern haben mich angesprochen, wie cool und mutig die Sendung ist. Nicht nur in Wien interessieren die Themen, die wir aufgreifen, Menschen, sondern natürlich auch in den Bundesländern und in kleinen Dörfern. Die haben natürlich alle mit ähnlichen Dingen zu kämpfen.
Frauen werden besonders am Land immer noch in alte Rollenbilder gedrängt. Kinderbetreuungsplätze gibt es viel zu wenige bzw. die Öffnungszeiten sind zu kurz, um mit einem kleinen Kind einem geregelten 40 Stunden-Job wieder nachzugehen.
medianet: Mit welchen Folgen?
Ahrer: Dass am Ende die Leidtragenden immer die Frauen sind und nicht die Männer. Denn spätestens, wenn ein Kind da ist, zeigt sich der Gender-Pay-Gap besonders.
Die meisten Familien können es sich nicht leisten, dass der Mann in Karenz geht, da er mehr verdient als die Frau. Bekommt eine Frau ein Kind, kehren nur die wenigsten Frauen danach wieder in ihren Vollzeitjob zurück.
Die meisten arbeiten danach Teilzeit oder bleiben daheim beim Kind. Lassen sie sich irgendwann scheiden, droht sehr vielen Frauen die Altersarmut, weil ihnen natürlich die Dienstjahre fehlen. Ich könnte darüber noch stundenlang weiterreden. Fakt ist: Frauen werden benachteiligt, egal wo in Österreich.
medianet: Wie wichtig ist es auch, dass sich mit Ihnen als ausgewiesener Expertin jemand diesem Thema nähert?
Ahrer: Es ist natürlich wichtig, dass man für diese Themen brennt. Es gibt viele Menschen, die sich mit Ungerechtigkeiten nicht beschäftigen können; ich bin in der privilegierten Lage, Dinge aufzuzeigen und darüber zu berichten. Und dieses Privileg möchte ich nutzen. Ich beschäftige mich seit Beginn meiner Karriere mit frauenpolitischen Themen, bin selbst eine Frau und erlebe natürlich persönlich auch viele Dinge. Wichtig ist mir, zu sagen, dass ich eine weiße Frau bin, ich habe natürlich ganz andere Sichtweisen als etwa marginalisierte Gruppen. Deswegen ist es mir so wichtig, ganz viele unterschiedliche Frauen mit unterschiedlichen Hintergründen zu Wort kommen zu lassen.
medianet: Die Themen reichen von ‚Warum ist das Zuhause der gefährlichste Ort für Frauen?', ‚Warum haben Menschen Angst vor Dragqueens?' oder ‚Wo sind die Väter, wenn es um das Thema Karenz geht?' Damit nähert man sich den diversen Themen mit durchaus feministischer Sichtweise. Warum ist das auch im Jahr 2024 noch immer notwendig?
Ahrer: Es ist mehr denn je notwendig, weil die Veränderung zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft viel zu langsam geht. Es kann sich nur etwas ändern im Denken unserer Gesellschaft, wenn man Themen anspricht und sie diskutiert. Nur so können auch die Politik und die Entscheidungsträger auf die Anliegen der Menschen aufmerksam werden. Feministinnen sind maßgeblich daran beteiligt gewesen, was sich in den vergangenen 50 Jahren für Frauen geändert hat. Wir sind aber noch lange nicht an dem Punkt, wo Frauen und marginalisierte Gruppen gleichberechtigt sind. Wir brauchen uns ja nur selbst in unserer eigenen ‚Bubble' umsehen – wer erledigt die meiste Hausarbeit, wer bleibt beim Kind daheim, wer verdient weniger, wer kümmert sich um Arzttermine der Kinder usw. – es sind in den meisten Fällen die Frauen, die die unbezahlte Arbeit machen.
medianet: Eine Frage zum Schluss – gibt es weitere Pläne für die Zukunft, das Thema auszubauen?
Ahrer: Ich denke, wir können noch zehn Staffeln produzieren und uns werden die Themen und Gäste nicht ausgehen. Feministische Themen, Anliegen und Ungerechtigkeiten, die Frauen betreffen, werden uns in den nächsten Jahrzehnten noch weiter sehr viel beschäftigen. In der zweiten Staffel wird es allerdings ein paar Neuerungen geben. Mit Yalda Maria Walter wird eine neue Reporterin zum Team dazustoßen. Außerdem starte ich bald gemeinsam mit DJane und Moderatorin Mel Merio einen Podcast, in dem wir uns ebenso feministischen Themen widmen werden. Aber mehr kann ich momentan noch nicht verraten.